Die EU-Kommission und große europäische Pharmaunternehmen sind heute (28. November 2008) aneinander geraten, da die Europäische Kommission einen Bericht über angebliche Wettbewerbsverstöße des Wirtschaftszweigs erstellt hat. Die Auseinandersetzung fand indes große Beachtung.
In dem vorläufigen Bericht der Kommission über die Untersuchung des Pharmasektors, der am 28. November 2008 veröffentlicht wurde, wird angegeben, dass der Wettbewerb in diesem Wirtschaftszweig nicht so gut funktioniere wie er sollte.
Der Verband der europäischen Pharmaindustrie EFPIA reagierte unmittelbar und zeigte sich amüsiert über die „sehr selektive Verwendung von Daten“ durch die Kommission. Außerdem meinte er, der Bericht habe sich auf die falschen Themen konzentriert.
Die wichtigsten Ergebnisse des Berichts weisen auf „Probleme“ hin, die dadurch entstehen, dass Hersteller von Originalpräparaten, die neue Medikamente entwickeln und verkaufen, den Markteintritt von billigen Generika verzögerten, sich gegenseitig bei ihren Innovationen behinderten und so die Entwicklung neuer Medikamente erschwerten.
Wettbewerb zwischen Herstellern von Originalmedikamenten und Generikaherstellern
Dem Bericht zufolge nutzen die Hersteller von Originalmedikamenten „eine Reihe von Methoden“, um den Markteintritt von Generikaherstellern zu verzögern oder zu blockieren. So könnten sie ihre hohen Einkünfte absichern. Dieses Vorgehen resultiere außerdem in hohen Zusatzkosten für den öffentlichen Gesundheitshaushalt und letztlich für die Steuerzahler und Patienten, meint die EU-Kommission.
Folgende Geschäftsmethoden wurden festgestellt:
- Mehrere Patente für ein einziges Medikament (so genanntes Patentcluster);
- Patentstreitigkeiten und Gerichtsprozesse;
- Abschluss von Vereinbarungen zur Beilegung von Patentstreitigkeiten, durch die der Markteintritt von Generikaherstellern erschwert wird, und;
- Interventionen bei nationalen Behörden, wenn Generikahersteller Zulassungen beantragen.
Wettbewerb unter Herstellern von Originalmedikamenten
Der Bericht stellte außerdem fest, dass Unternehmen, die neue Medikamente herstellen, vorsorglich Patente anmeldeten, die vor allem darauf abzielten, Wettbewerber an der Entwicklung neuer Medikamente zu hindern. Die Folge seien weniger Innovationen, was man daran sehe, dass weniger chemische Präparate auf den Markt kämen.
Der Kommission zufolge hat die Sektoruntersuchung gezeigt, dass Hersteller von Originalpräparaten Medikamente vorsorglich patentierten, um die Entwicklung neuer Medikamente durch Wettbewerber zu blockieren. Dabei bestehe kein Interesse, diesen Patenten nachzugehen, um ein neues oder verbessertes Medikament auf den Markt zu bringen.
Hersteller von Originalmedikamenten sollen außerdem Vereinbarungen zur Beilegung von Patentstreitigkeiten abgeschlossen haben. Eine große Zahl von Vereinbarungen zwischen Herstellern von Originalmedikamenten wurden beobachtet, insbesondere bezüglich des Vertriebs und der Kommerzialisierung von Medikamenten.
Mythen und falsche Bilder, meinen große Pharmakonzerne
Die marktführenden Akteure unter den forschenden Pharmaunternehmen ließen unterdessen ihre Enttäuschung über den Bericht durchscheinen, der zwar für gute Schlagzeilen sorge, aber letztendlich nur denen nutze, die der Branche schaden wollten.
Arthur J. Higgins, Vorsitzender von Bayer HealthCare und Präsident des Europäischen Verbandes der Pharmazeutischen Industrie (EFPIA) erklärte, der Bericht habe in keinster Weise feststellen können, dass die Aktivitäten der Pharmaindustrie dem Wettbewerb geschadet hätten und meinte, die Schlussfolgerungen der Kommission seien voller Mythen und sie mache sich ein falsches Bild von der Branche.
Higgins gab an, die Kommission habe die Dynamik der Industrie missverstanden und Strategien zur vorsorglichen Anmeldung von Patenten überbewertet, was er als falsche Spur bezeichnete. Patente funktionierten nur, wenn man auch das Anrecht darauf habe, erklärte er.
Die Kommission solle sich lieber auf den fehlenden Wettbewerb in der Generikabranche konzentrieren, meinte er. Warum zahle man in der EU mehr für Generika als in den USA, fragte er. Higgins erklärte, er glaube, die Kommission sei mit den ganzen Daten, die sie von den Unternehmen erhalten habe, überfordert. Er forderte die EU-Kommission deshalb dazu auf, sich auf die Fakten zu konzentrieren. Diese Branche habe nichts zu verbergen, schloss er.