Die Mehrheit der Europäer ist der Meinung, ihr Land brauche ein starkes Oberhaupt, das „bereit ist, die Spielregeln zu ändern“. Einzige Ausnahme bilden die Deutschen. EURACTIV-Kooperationspartner Ouest-France berichtet.
In Europa herrscht allgemeines Misstrauen gegenüber den Regierungen und internationalen Organisationen, bestätigt eine heute veröffentlichte Studie von Ipsos Global Advisor, die sich bei ihren Umfragen vor allem auf fünf europäische Länder konzentriert hat: Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien und Deutschland.
Vertrauenskrise
Die meisten Umfrageteilnehmer haben das Gefühl, mit ihrem Land gehe es bergab. Diese Einstellung sorge laut Studie für Misstrauen gegenüber traditionellen politischen Parteien und Institutionen. Außerdem fördere sie den Zulauf zum Populismus, warnen die Experten.
In Italien geben 73 Prozent an, ihr Land befinde sich im Niedergang; in Spanien sind es 69 Prozent, in Frankreich 67 Prozent, in Großbritannien 57 Prozent und in Deutschland 47 Prozent. Durchgeführt wurde die Umfrage im vergangenen Oktober.
Die Mehrheit der Franzosen (61 Prozent), Italiener (60 Prozent) und Spanier (56 Prozent) ist der Auffassung, ihre Lebensstandards seien niedriger als die der Generation ihrer Eltern. In Deutschland und Großbritannien glauben dies nur 44 beziehungsweise 43 Prozent.
Folglich ist das Vertrauen in nationale Regierungen extrem gering: 89 Prozent der spanischen Teilnehmer bringen ihrer Regierung kaum oder gar kein Vertrauen entgegen. In Italien sind es 80 Prozent, in Frankreich 77 Prozent, in Deutschland 70 Prozent und in Großbritannien 66 Prozent.
Auch was internationale Organisationen angeht, sind Spaniens Bürger am skeptischsten (77 Prozent). Misstrauisch sind außerdem die Franzosen mit 65 Prozent, die Italiener mit 64 Prozent und sowohl die Deutschen als auch die Briten mit 59 Prozent.
Neue Spielregeln
Diese allgemeine Unzufriedenheit ist idealer Nährboden für Populismus. Bis auf Deutschland (34 Prozent) sind alle Staaten größtenteils der Ansicht, ihr Land müsse von einer starken Führungsperson wieder in die richtige Bahn gelenkt werden (72 Prozent in Spanien, 70 Prozent in Frankreich, 67 Prozent in Italien und Großbritannien).
In Frankreich würden daher 80 Prozent der Menschen für eine Führungsperson stimmen, die „bereit ist, die Spielregeln zu ändern“, so die Studie. In Italien ziehen dies 68 Prozent in Erwägung, in Großbritannien etwa die Hälfte und in der Bundesrepublik nur etwa 20 Prozent. Spanien würde zu 62 Prozent für ein Oberhaupt stimmen, dass „den Status quo radikal verändert“.
Befragt, ob sie jemanden wählen würden, der sich auszusprechen traut, was Wähler angeblich denken, auch wenn sich einige Menschen daran stoßen würden, antworteten sowohl in Spanien als auch in Frankreich mehr als die Hälfte (52 und 51 Prozent) mit einem Ja.
Insgesamt sind jene Länder, die erst kürzlich von Terroranschlägen erschüttert wurden, eher gewillt, jedes mögliche Mittel zum Selbstschutz zu nutzen – selbst wenn es sie bürgerliche Freiheiten kostet. Dieser Ansicht sind 59 Prozent der Franzosen und 55 Prozent der Belgier, während Italien (35 Prozent) und Spanien (31 Prozent) weniger besorgt scheinen.
