Populisten und Europa-Gegner hoffen auf den Sieg bei der Europawahl

Ungarns rechsnationaler Regierungschef Viktor Orban hat es wieder geschafft: In seiner dritten Amtszeit kann er mit seiner Partei Fidesz weitere vier Jahre das Land regieren.

Die Wahl in Ungarn vor einer Woche hat einmal mehr gezeigt: Populisten und Europa-Gegner sind in der EU auf dem Vormarsch. [EPA-EFE/ZSOLT SZIGETVARY HUNGARY]

Die Wahl in Ungarn vor einer Woche hat einmal mehr gezeigt: Populisten und Europa-Gegner sind in der EU auf dem Vormarsch.

Die Urnengänge  in Österreich, Italien und auch das starke Abschneiden der AfD in Deutschland werfen einen düsteren Schatten auf die Europawahlen im Mai 2019. EU-Gegner  hoffen bereits auf eine Mehrheit in der künftigen Volksvertretung. Bei seiner  Rede am Dienstag in Straßburg will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron energisch gegensteuern.

Nach dem klaren Sieg der rechtsnationalen Fidesz-Partei von Viktor Orban in  Ungarn sahen sich Rechtspopulisten quer durch Europa im Aufwind. Die  ungarischen Wähler hätten „einer durch die EU befürworteten Werteumkehr und  Masseneinwanderung erneut eine Absage erteilt“, jubelte die Chefin der  französischen Front National (FN), Marine Le Pen. Nationale Kräfte könnten  „die Mehrheit bei den nächsten Europawahlen“ im Mai 2019 erlangen.

Die Suche nach Antworten auf die EU-Skepsis

Die Angst, dass euroskeptische Parteien bei Europa- und nationalen Parlamentswahlen siegen könnten, verfolgt EU-Offizielle und Proeuropäer seit 15 Jahren.

Ist ein EU-Parlament voller Europa-Feinde reines Wunschdenken? Fakt ist, schon bei der letzten EU-Abstimmung 2014 waren aus großen Ländern europakritische oder -feindliche Parteien erstmals in großer Zahl in die  EU-Volksvertretung eingezogen. Le Pens FN wurde damals in Frankreich stärkste  Kraft, in Großbritannien schaffte es die für den Brexit werbende Ukip auf  Platz eins. Und in Deutschland kam die AfD aus dem Stand auf 7,1 Prozent.

Je nach Zählung stellen anti-europäische und europaskeptische Kräfte  zwischen 100 und 150 Abgeordnete im EU-Parlament – rund ein Sechstel der 751 Sitze. Angesichts der Wahlergebnisse auf nationaler Ebene auch in Italien und  Österreich gehen Experten von einem deutlichen Anstieg aus. „Wenn das so  weiter geht, wird es nächstes Jahr eine Mehrheit der Europa-Skeptiker im  EU-Parlament geben“, sagt Joachim Fritz-Vannahme von der Bertelsmann-Stiftung  zum Worst-Case-Szenario.

Italien gehen die Europäer verloren

Am 4. März wählen die Italiener ein neues Parlament. Die Wirtschaft ist in desolatem Zustand und die Euroskepsis steigt. Nutznießer ist Silvio Berlusconi, der sogar in Brüssel wieder hofiert wird.

Mit einer Mehrheit rechnet Janis Emmanouilidis vom European Policy Center  (EPC) in Brüssel zwar nicht. Wie hoch der Anstieg ausfallen wird, hängt für  ihn auch davon ab, ob Deutschland und Frankreich bei schon seit Monaten  versprochenen EU-Reformen liefern können. „Wenn Berlin und Paris den  Reformerwartungen nicht gerecht werden, werden das die europakritischen Kräfte  nutzen und sagen: Schaut, die sind nicht in der Lage, Lösungen zu finden.“

Frankreichs Staatschef Macron will mit seiner Rede am Dienstag im  Straßburger EU-Parlament aufrütteln. „Er wird die Dringlichkeit zu handeln  ausdrücken“, heißt es aus dem Elysée-Palast unter Verweis auf die Wahlen in  Ungarn und auch Italien, wo im März die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung stärkste Kraft wurde und die fremdenfeindliche Lega auf Platz drei kam. „Das  wird ein Appell an die Verantwortung, an das europäische Engagement.“

Der dürfte sich auch an Deutschland richten. Denn nach mehr als fünf  Monaten mühsamer Regierungsbildung sind Union und SPD nun erst einmal dabei  auszubuchstabieren, was das viel gelobte Europa-Kapitel in ihrem  Koalitionsvertrag in der Praxis eigentlich bedeutet.

EU-Wahlen 2019: Angst vor "italienischen Verhältnissen"

Die Europawahlen 2019 werfen ihre Schatten voraus. In politischen Zirkeln von Brüssel und Straßburg sorgt man sich neuerdings auch, dass „italienische Verhältnisse“ einkehren könnten.

In die Hände spielt den Populisten bei Europawahlen auch eine traditionell  niedrige Wahlbeteiligung. Sie hatte 2014 42,6 Prozent betragen. In der Tendenz könnten EU-Kritiker mit einer stärker mobilisierten Anhängerschaft deshalb  „noch besser abschneiden als auf der nationalen Ebene“, warnt Emmanouilidis.“Europawahlen werden von vielen als zweitrangig gesehen und genutzt, um die  gelbe oder rote Karte zu zeigen“.

Doch selbst bei einem sehr starken Abschneiden von Europa-Gegnern und  Kritikern bleibt die Frage, was diese aus ihren Zugewinnen machen. „Sie werden  keine gemeinsame Fraktion bilden“, ist sich Fritz-Vannahme sicher. Wie schon  im aktuellen Parlament werde sich diese „in unterschiedliche Strömungen und  Parteien aufgliedern“. Aber die Legitimität des nächsten Europaparlaments  werde durch einen Zuwachs bei den Populisten „viel stärker als jetzt in Frage  gestellt“.

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