Neelie Kroes muss nachsitzen

Es muss nachgebessert werden, fordern die EU-Abgeordneten von Neelie Kroes. Die designierte Kommissarin für die Digitale Agenda konnte am 14. Januar nicht überzeugen und ist zu einer zweiten Anhörung geladen. Foto: dpa

Die bisherige Wettbewerbskommissarin, die Niederländerin Neelie Kroes, bekommt eine neue Chance: Da sie bei ihrem Hearing am Donnerstag nicht überzeugt hat, wird sie kommenden Dienstag in einer „Nachsitzung“ noch einmal gehört.

Die Abgeordneten des Europaparlaments verweigerten Neelie Kroes ihre Zustimmung. Sie bewerteten ihre Vorstellung als mangelhaft. Die Antworten schienen ihnen als zu vage und oberflächlich. Es sei ihnen nicht klar geworden, in welche Richtung sie eigentlich gehen wolle.

Neelie Kroes hat sich als Wettbewerbskommissarin einen Namen als Gegnerin von Kartellen und Monopolen gemacht (Siehe hierzu EURACTIV.de vom 30. Dezember 2009) und soll in der neuen Kommission den Bereich Informationsgesellschaft/Digitale Agenda übernehmen.

Antworten schuldig geblieben

Der aus Österreich stammende Europaabgeordnete Paul Rübig sagte am Freitag nach einem Bericht der Austria Presse Agentur (APA), Kroes sei auf das Hearing "nicht gut vorbereitet" gewesen, habe sich nicht in die Materie eingearbeitet und sei zu wichtigen Themen wie Roaming oder zur Frequenznutzung Antworten schuldig geblieben.

Nach ihrer Anhörung hätten die zuständigen Fraktionskoordinatoren des Industrieausschusses der Niederländerin jedenfalls "kein positives Zeugnis" ausgestellt, so Rübig. Dieser Eindruck wird von niederländischen Quellen und von Mitarbeitern des Europäischen Parlaments bestätigt.

"Nicht genug vorbereitet"

Außerdem habe sie als bisherige Wettbewerbskommissarin ihre Exekutivfunktion in den Mittelpunkt gestellt, was bei den Abgeordneten nicht so gut angekommen sei. "Die echten Experten auf diesem Gebiet haben gefunden, dass sie sich eindeutig nicht gut genug vorbereitet hat", erklärte die niederländische Christdemokratin Corien Wortmann (CDA).

Ein niederländischer Liberaler kritisierte indes, die "Nachsitzung" für Kroes sei nur ein politisches Manöver, weil zuvor bereits Kandidaten aus den Reihen der Christ- und Sozialdemokraten Probleme bei den Anhörungen gehabt hätten.

Kritisiert wird Kores‘ Auftritt auch, weil nicht erkennbar gewesen sei, ob sie den Weg der Kostensenkung für die Nutzung von Mobiltelefonen im Ausland (in diesem Fall Internet und Download über Mobiltelefon) weiter gehen wolle.

Rübig weiter: "Sie antwortete in ihrem  Hearing ausweichend und unpräzise. Neue Ansätze waren schwer zu erkennen, in wesentlichen Kernfragen wie Roaming gab es so gut wie keine verwertbaren Aussagen. Für diese Leistung waren wir Fraktionsobleute nicht bereit, grünes Licht für Kroes zu geben."

Europas Stellung in der Digitaltechnik

"Neelie Kroes muss dringend mehr Visionen und Dynamik  entwickeln. Wenn sie die Innovationsfreude der Unternehmen und die Technikfreundlichkeit der Bürger nicht anfachen kann, läuft die EU Gefahr, ihre international starke Stellung in der Digitaltechnik zu verlieren", so Rübig weiter.

Der Telekomexperte Rübig, der das niedrige österreichische Preisniveau im Mobilfunk auch in anderen Ländern Europas durchzusetzen will, wollte von Kroes wissen, welche Aufgabe die Gruppe der 27 europäischen Regulierer zuerst erledigen sollten und worin für Kroes der Unterschied in der Beurteilung beim Roaming zwischen einer Wettbewerbskommissarin und einer Kommissarin für die Digitale Agenda bestehe.

"Leider hat Kroes auf diese Frage von mir ebenso wenig geantwortet wie auf meine Frage, ob es unter ihrer Amtsführung eine dritte weiterführende Roamingverordnung geben werde. Mit derartigen Nichtantworten ist es aber schwer abzuschätzen, wohin die Reise mit der neuen Kommissarin gehen wird", bedauert Rübig.

Rübig wies in der Debatte mit Kroes darauf hin, dass beim Datenroaming im Großhandel in der Roamingverordnung ein Missbrauchsniveau von maximal 1 Euro pro MB festgelegt sei.

"Nationale Tarife von weniger als 1 Eurocent pro MB sind aber möglich und auch erhältlich. In Belgien zahle ich mit meinem Roamingtarif 13,9 Euro pro MB. Dieser unglaubliche Unterschied für die gleiche Datenmenge zwischen einem Eurocent und 13,9 Euro ist so nicht tragbar", fordert Rübig die künftige Kommissarin für den Fall ihrer Bestätigung dringend zu Handeln auf.

Die Ablehnung ist aber noch nicht endgültig. Kroes hat einen zweiten Termin am kommenden Dienstag. Dann bekommt eine weitere Gelegenheit, sich vor den Abgeordneten zu beweisen. Da wird sie von den 51 Abgeordneten des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) erneut angehört.

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