In einem Bericht, der in Reaktion auf die Datenskandale im Zusammenhang mit dem Brexit-Referendum veröffentlicht wurde, fordert die britische Datenschutzbeauftragte einen neuen Verhaltenskodex. Damit soll die Nutzung digitaler Informationen im Wahlkampf geregelt werden.
„Ein selbstregulierender Ansatz wird nicht die benötigte Konsistenz und Strenge bieten und kein Vertrauen auf Seiten der Öffentlichkeit bringen,“ sagte die für Information und Kommunikation zuständige Kommissarin Elizabeth Denham während der Präsentation des 111-seitigen Berichts über die „Nutzung von Datenanalysen für politische Zwecke“.
Deshalb fordere sie von beteiligten Akteuren „Stellungnahmen zu einem möglichen Verhaltenskodex für die Verwendung von Daten bei politischen Kampagnen und im Wahlkampf.“
Der Bericht beinhaltet die Ergebnisse einer 18-monatigen Untersuchung. Diese war aufgrund von Vorwürfen eines „weit verbreiteten Missbrauchs personenbezogener Daten“, die während des Brexit-Referendums im Juni 2016 über Social Media-Plattformen erhoben wurden, eingeleitet worden.
Die britische Informations- und Kommunikationskommission (ICO) erklärte, für die Untersuchung seien über 700 Terabyte an Daten herangezogen worden. Dies entspreche 52,2 Milliarden Websites und Einzel-Pages, deren Daten auf Geräten und Cloud-Servern gespeichert sind/waren.
Denham kritisierte am Dienstag im parlamentarischen Sonderausschuss, Facebook und andere Unternehmen, die am Data-Mining-Skandal um Cambridge Analytica beteiligt waren, hätten ein „verstörendes Maß an Respektlosigkeit“ gegenüber den personenbezogenen Daten der Wähler gezeigt.
Erst im Oktober hatte die ICO Facebook wegen „mangelnder Transparenz und aufgrund von Sicherheitsbedenken bei der Datenerfassung“ mit der nach der bisherigen Datenschutzverordnung zulässigen Höchststrafe von 500.000 Pfund belegt.
Würden dieselben Straftaten heute begangen, müsste der Social-Media-Riese nach der neuen Datenschutzgrundverordnung der EU mit einer weitaus höheren Geldstrafe von bis zu vier Prozent seines Umsatzes rechnen.
Cambridge Analytica, Facebook und Co.
Sowohl Denhams Äußerungen als auch der Bericht ihres Büros unterstreichen, das Vereinigte Königreich befinde sich „an einem Scheideweg“ in Bezug auf die Verwendung von Daten in politischen Kampagnen. Gleichzeitig warnte die Datenschutzbeauftragte aber, eine strengere Regulierung von Technologieunternehmen sei „ziemlich umstritten“. Es sei überaus schwierig, „die Meinungsfreiheit mit [einer angemessenen Handhabung] der Gefahren des Internets in Einklang zu bringen“, sagte sie gegenüber den Parlamentsabgeordneten.
Die Enthüllungen über die Firma Cambridge Analytica, die Facebook-Daten für die Nutzung durch die mit der Leave-Kampagne verbandelten Kampagnengruppen gesammelt hatte, zwangen das Unternehmen in den Konkurs. Aufgrund der Ergebnisse des ICO-Berichts sollen die Verantwortlichen dennoch strafrechtlich verfolgt werden. Der Fall kommt im Januar 2019 vor Gericht.
Obwohl die ICO-Untersuchungen sowohl die Remain- als auch die Leave-Kampagne im Vorfeld des Brexit-Referendums betreffen, sind es aktuell die Austrittsbefürworter, die mit einer Reihe von Bußgeldern und Strafverfahren konfrontiert ist.
So wurden kürzlich Leave.EU und Eldon Insurance wegen Verletzung der Datenschutzgesetze mit einer Geldstrafe von insgesamt 135.000 Pfund belegt. Eldon ist ein Unternehmen im Besitz von Arron Banks, dem umstrittenen Geldgeber der Leave.EU-Kampagne, der nun ebenfalls strafrechtlich verfolgt wird.
Die britische Wahlkommission hat ihrerseits in einem am 17. Juli veröffentlichten Bericht erklärt, dass Vote Leave und zwei weitere Wahlkampfgruppen einer Reihe von Verstößen gegen das Wahlrecht schuldig seien.
Auswirkungen auf die Brexit-Abstimmung nicht bewiesen
Das ICO hat derweil alle wichtigen politischen Parteien des Vereinigten Königreichs förmlich gewarnt und erklärt, dass es im Januar 2019 mit der Durchführung von Überprüfungen der Parteien beginnen werde.
„Ohne ein hohes Maß an Transparenz und Vertrauen unter den Bürgern, dass ihre Daten angemessen verwendet werden, laufen wir Gefahr, eine echtes System der Wählerüberwachung zuzulassen,“ heißt es im Bericht.
Trotzdem kommt auch das ICO nicht zu dem Schluss, dass die Datenerfassungstechniken ein entscheidender Faktor bei der Brexit-Abstimmung gewesen sein könnten. Die Kommission stellt dazu fest: „Es ist für uns unmöglich, zu sagen, ob sich die von beiden Seiten bei der Referendumskampagne im Vereinigten Königreich verwendeten Datentechniken auf das Ergebnis ausgewirkt haben.“