In Frankreich ist gestern die neue Regierung präsentiert worden. Das Team unter Premierminister Jean Castex hat sich das Ziel gesetzt, vor allem über die Umweltpolitik eine wirtschaftliche Erholung herbeizuführen. EURACTIV Frankreich berichtet.
Barbara Pompili, ehemaliges Mitglied der grünen Partei Europe Ecologie Les Verts (EELV), die kürzlich als Abgeordnete für Emmanuel Macrons La République en Marche (LREM) ins Parlament gewählt wurde, wird nun die Nummer zwei der Regierung Castex und mit dem Ressort für den ökologischen Wandel betraut.
Damit ist sie seit Beginn der Amtszeit von Macron bereits die vierte Ministerin, die für Umweltpolitik zuständig ist. Sie tritt die Nachfolge von Elisabeth Borne an, die das Ministerium seit dem 16. Juli 2019 leitete. Zuvor hatten schon François de Rugy (September 2018 bis Juli 2019) und Nicolas Hulot (Mai 2017 bis August 2018) das Ressort geführt. Borne wechselt nun ins Arbeitsministerium.
Zu den europäischen Themen, die auf Pompili zukommen, gehören Gespräche über das EU-Klimagesetz und die Erhöhung der Emissionsreduzierungsziele für 2030. Darüber hinaus soll sie bei der Vorbereitung des nächsten UN-Klimagipfels, der nun 2021 in Glasgow stattfinden soll, sowie des Weltnaturschutzkongresses in Marseille im Januar mitwirken.
Die Berufung Pompillis in die wichtige Ministeriumsposition lässt sich durchaus als Reaktion auf das starke Abschneiden der EELV bei den jüngsten Kommunalwahlen lesen.
In seinem ersten Interview als Premier am Freitag erklärte Castex ebenfalls, die Umweltpolitik werde im Mittelpunkt seiner Prioritäten stehen. Sie werde auch in den Konjunkturplan integriert: Frankreich solle sich wirtschaftlich erholen und gleichzeitig umweltfreundlicher werden.
Der neue Premierminister betonte weiter, Umweltfragen seien „jetzt in aller Munde“ und würden „Grenzen zwischen den politischen Parteien überschreiten“.
Das Regierungsteam besteht aus insgesamt 31 Mitgliedern, darunter 16 Ministerinnen und Minister, deren Stellvertretende und ein Staatssekretär im Amt Premierministers. Es gibt 17 Frauen und 14 Männer in der neuen Regierung.
Der erste Ministerrat soll heute um 15.00 Uhr erstmals zusammentreten.
Überraschungen und Abtritte
Während die meisten Ministerinnen und Minister der vorherigen Regierung unter Édouard Philippe im Amt bleiben oder lediglich die Ressorts wechseln, sorgte die Einberufung des Strafverteidigers Eric Dupond-Moretti in das französische Justizministerium für Aufsehen. Dupond-Moretti ist in der französischen Öffentlichkeit sehr bekannt und oft in den Medien präsent. Seinen Ruf verdankt er mehreren öffentlichkeitswirksamen Prozessen wie kürzlich gegen Abdelkader Merah sowie das Ehepaar Balkany.
Überraschend ist auch die Rückkehr von Roselyne Bachelot in ein Regierungsamt: Im Alter von 74 Jahren wird sie nun Kulturministerium, nachdem sie zuvor bereits unter Jacques Chirac für Umwelt und unter Nicolas Sarkozy für Gesundheit und Sport zuständig war.
Gérald Darmanin, Sarkozys Sprecher im Wahlkampf 2014, wechselt sein Ressort und wird vom vormaligen Haushalts- zum neuen Innenminister. Damit löst er Christophe Castaner ab, der nach knapp zwei Jahren im Amt nicht mehr Teil der aktuellen Regierung ist.
Ebenfalls abgetreten sind Nicole Belloubet (vormals Justiz), Muriel Pénicaud (Arbeit) und Sibeth Ndiaye (Regierungssprecherin).
Hoffnung und Kritik
„Dies ist eine Regierung, die sich der Bewältigung einer Krise verschrieben hat, eine Regierung mit Erfahrung im Dienste des französischen Volkes und des Wiederaufschwungs, eine Regierung mit echter Autorität,“ zeigte sich die Europaabgeordnete Nathalie Loiseau gegenüber Franceinfo zufrieden.
Man könne die neue Führung als „sehr republikanisch, sehr engagiert und im Dienste der Französinnen und Franzosen in einer schwierigen Zeit“ bezeichnen. Bedauerlich sei aber, dass die EU-Politik lediglich in einem Staatssekretariat angesiedelt und nicht von einem eigenen Ministerium übernommen wird.
Von den Europaabgeordneten der konservativen Partei Les Républicains kommentierte lediglich Nadine Morano die Regierungsumbildung im Radiosender RMC. Sie kritisierte: „Anstatt sich auf [die Wahlen] 2022 vorzubereiten, täte Emmanuel Macron besser daran, Frankreich endlich ordentlich zu regieren.“ Mit der neuen Führung habe der Präsident „das gleiche Profil“ übernommen; die Regierungen Philippe und Castex seien praktisch gleich.
Morano warf Macron vor, seine eigentlichen Werte „verleugnet“ zu haben.
Matthieu Orphelin, Parlamentsabgeordneter der Fraktion Ökologie, Demokratie, Solidarität sowie ehemaliger Sprecher von Ex-Umweltminister Nicolas Hulot, fragte sich per Twitter derweil, ob der Übergang zu einer CO2-freien Wirtschaft mit der neuen Führung tatsächlich stattfinden wird. Er versprach, in dieser Hinsicht „wachsam“ zu bleiben.
Der Rassemblement National kritisierte derweil die Ernennung von Éric Dupond-Moretti zum Justizminister. Dupond-Moretti hatte sich zuvor mehrfach klar gegen die rechtsextreme Partei positioniert.
[Bearbeitet von Tim Steins]