Verbrauchergruppen aus 19 Ländern haben bei der Europäischen Kommission und den Verbraucherschutzbehörden eine formale Beschwerde eingereicht, weil Fluggesellschaften ihrer Meinung nach irreführende Angaben über die Nachhaltigkeit des Fliegens machen.
Siebzehn Fluggesellschaften, darunter große Airlines wie Ryanair, Lufthansa und Air France, hätten gegen die EU-Vorschriften über unlautere Verbraucherpraktiken verstoßen, heißt es in der Beschwerde.
Die Beschwerde wurde von Mitgliedern der europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC initiiert und richtet sich dagegen, dass Verbraucher dafür bezahlen können, mit einem minimalen CO2-Fußabdruck zu fliegen. Damit vermittelten die Airlines einen falschen Eindruck zur Nachhaltigkeit des Fliegens, so die Verbraucherschützer.
BEUC erwähnt insbesondere den CO2-Kompensation, eine Erhebung zusätzlicher Gebühren für die Verwendung nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAF) und Andeutungen, dass die Bemühungen der Luftfahrtindustrie zur Emissionsreduktion das Fliegen auf kurze Sicht „nachhaltig“ oder „grün“ machen würden.
Ursula Pachl, stellvertretende Generaldirektorin von BEUC, warf den Fluggesellschaften vor, den Verbrauchern einen „falschen Seelenfrieden“ vorzugaukeln.
„Angesichts der Tatsache, dass Flugreisen einen erheblichen und wachsenden Anteil an den Treibhausgasemissionen haben, ist es unfassbar, dass Fluggesellschaften die Verbraucher mit klimafreundlichen Botschaften wie ‚CO2-kompensiert‘ oder ‚CO2-neutral‘ locken“, sagte sie.
„Wir fordern die Behörden auf, die Sache in die Hand zu nehmen und gegen diese Greenwashing-Praxis vorzugehen, die die Verbraucher ernsthaft in die Irre führt“, fügte sie hinzu.
Die 17 Fluggesellschaften, gegen die sich die Beschwerde richtet, sind Air Baltic, Air Dolomiti, Air France, Austrian, Brussels Airlines, Eurowings, Finnair, KLM, Lufthansa, Norwegian, Ryanair, SAS, SWISS, TAP, Volotea, Vueling und Wizz Air.
Kompensation ist ‚faktisch falsch‘
Nach Ansicht des BEUC ist die Vorstellung, dass Verbraucher die Klima-Auswirkungen ihres Fluges durch Kompensationsprogramme „neutralisieren“ können, „faktisch falsch.“
Durch diese Programme können Kunden als Ausgleich für ihre Flugemissionen Klimaschutzinitiativen in anderen Teilen der Welt, oft außerhalb Europas, finanzieren, etwa die Finanzierung von Windparks oder das Pflanzen von Bäumen.
„Der Klimanutzen von Kompensationsmaßnahmen ist höchst ungewiss, während der Schaden, der durch die CO2-Emissionen von Flugreisen verursacht wird, sicher ist“, so BEUC.
Die Fluggesellschaften seien auch nicht transparent darüber, dass nachhaltige Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF) nur einen kleinen Teil des gesamten Treibstoffverbrauchs ausmachen, heißt es in der Beschwerde.
SAF steht derzeit nur in sehr geringen Mengen zur Verfügung, wobei die verbindlichen EU-Ziele lediglich 2 Prozent SAF bis 2025 und 6 Prozent bis 2030 vorsehen, die fossilem Kerosin beigemischt werden.
„Unabhängig davon, ob Sie einen ‚grünen Tarif‘ bezahlen oder nicht, wird Ihr Flug immer noch klimaschädliche Gase ausstoßen. Technologische Lösungen zur Dekarbonisierung des Flugverkehrs werden in absehbarer Zeit nicht in großem Maßstab Realität werden, sodass die Darstellung des Fliegens als nachhaltiges Verkehrsmittel reines Greenwashing ist“, sagte Pachl.
BEUC fordert die Bereitstellung eines qualitativ hochwertigen Fernverkehrsangebots auf der Schiene, um den Verbrauchern mehr nachhaltige Reisemöglichkeiten zu bieten.
Fluggesellschaften reagieren
Airlines for Europe (A4E), ein Verband, der die großen europäischen Fluggesellschaften vertritt, wies die Anschuldigungen zurück und sagte, dass die Fluggesellschaften „immer die Forderung [der Passagiere] nach hoher Transparenz erfüllen.“
„Die europäischen Fluggesellschaften sind sich der Bedeutung einer transparenten Kommunikation über Nachhaltigkeit bewusst, und die gesamte Branche arbeitet aktiv daran, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen“, sagte ein A4E-Sprecher gegenüber EURACTIV.
Der Sprecher ging auf die Beschwerden im Zusammenhang mit Kompensationen ein und sagte, dass deren Verwendung mit dem Anstieg der SAF-Anteile und der Einführung effizienterer Flugzeuge abnehmen werde.
„Strenge Nachhaltigkeitskriterien für Kompensationen oder CO2-Gutschriften wie für SAF sind für die Glaubwürdigkeit des Sektors und für Initiativen wie CORSIA von entscheidender Bedeutung“, sagte der Sprecher. CORSIA ist ein UN-Abkommen, wonach steigende Emissionen des internationalen Flugverkehrs durch Kompensationsprogramme ausgeglichen werden sollen.
A4E ist „bestrebt, zu prüfen, was verbessert und noch transparenter gemacht werden kann“, fügte der Sprecher hinzu.
Ein Sprecher der Lufthansa betonte gegenüber EURACTIV, die Airline strebe CO2-Neutralität bis 2050 an.
„Bereits bis 2030 will der Luftfahrtkonzern seine Netto-CO2-Emissionen im Vergleich zu 2019 durch Reduktions- und Kompensationsmaßnahmen halbieren“, so der Sprecher weiter. „Der Reduktionsfahrplan bis 2030 wurde im August 2022 durch die unabhängige Science Based Targets Initiative (SBTi) validiert.“
Zusätzliche Berichterstattung von Jonathan Packroff.
[Bearbeitet von Nathalie Weatherald]