Studie: Europäische LKW-Hersteller drohen Anschluss zu verlieren

Die steigende Nachfrage nach emissionsfreien Lkw wird dazu führen, dass sich Kunden internationalen Marken zuwenden, wenn die Lkw-Hersteller in der EU nicht über ein ausreichendes Angebot verfügen. [VanderWolf Images/Shutterstock.com]

Europäischen Herstellern droht, das Rennen um den Markt für Elektro- uns Wasserstoff-Lkw zu verlieren, so eine neue Studie. Drohende Arbeitsplatzverluste würden hingegen durch den wachsenden Energiesektor mehr als kompensiert, argumentiert die Umweltorganisation Transport & Environment (T&E).

Dabei bezieht sich die Organisation auf eine neue Studie der Boston Consulting Group, welche die Folgen der Umstellung der europäischen Hersteller von Verbrenner-Fahrzeugen auf Elektro- und Wasserstoffmotoren untersucht.

Die Ergebnisse zeigen, dass ein Zögern bei der Umstellung auf emissionsfreie Fahrzeuge ausländischen Konkurrenten viele Türen öffnen würde.

Die steigende Nachfrage nach emissionsfreien Lkw würde demnach dazu führen, dass sich Kunden internationalen Konkurrenten zuwenden, wenn die Lkw-Hersteller in der EU nicht über ein ausreichendes Angebot verfügen. In diesem Fall könnten die europäischen Marken bis 2035 rund 11 Prozent ihres Marktanteils an den chinesischen Hersteller BYD und den US-Hersteller Tesla verlieren, so die Studie.

Die USA haben sich bereits das Ziel gesetzt, ab 2040 nur noch emissionsfreie Schwerlastfahrzeuge zu verkaufen. Auch China strebt eine schnelle Steigerung der emissionsfreien Lkw-Verkäufe an.

Sollten außereuropäische Hersteller auf dem europäischen Markt Fuß fassen, würde dies zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um rund 1,4 Milliarden Euro führen, heißt es in der Studie.

Wenn Europa jedoch seine Emissionsnormen für Lkws verschärft und bis 2035 eine vollständige Einstellung der Produktion umweltbelastender Fahrzeuge festlege, würden auch mehr emissionsfreie Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Dadurch würden Importe aus dem Ausland weniger notwendig sein, so die Theorie der Studie.

EU-Kommission will kein Verbrenner-Aus für LKW

Die Europäische Kommission hat für neue schwere Nutzfahrzeuge das Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen bis 2040 um 90 Prozent zu reduzieren. Anders als für Pkw hält sie damit die Tür für den Verkauf einiger Lkw mit Verbrennungsmotor offen.

Strengere Regeln helfen der heimischen Industrie

„Unsere Lkw-Industrie läuft Gefahr, dass sich die Absatzverluste an Tesla und BYD wiederholen, die wir bereits auf dem Pkw-Markt beobachten können“, sagte Sofie Defour, Expertin für Frachtverkehr bei T&E.

Sie verwies auf die Schwierigkeiten, denen sich die EU-Marken Volkswagen und Stellantis angesichts der chinesischen und US-amerikanischen Konkurrenz konfrontiert sahen.

„Um ihre Vormachtstellung auf dem heimischen Markt zu behalten, müssen die europäischen Lkw-Hersteller schneller auf Elektroantrieb umstellen“, fügte sie hinzu.

„Ambitioniertere EU-Flottengrenzwerte und eine grüne Industriepolitik werden sicherstellen, dass sie mit der Nachfrage Schritt halten und gleichzeitig die Kosten für die Spediteure senken“, so Defour weiter.

EU-Abgeordnete und Mitgliedstaaten diskutieren derzeit über zukünftige CO2-Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge. Ein im Februar vorgelegter Vorschlag der Europäischen Kommission sieht vor, dass die CO2-Emissionen neuer Lkws bis 2030 zunächst um 45 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 gesenkt werden, bis 2035 um 65 Prozent und bis 2040 schließlich um 90 Prozent.

T&E setzt sich seit langem für strengere Grenzwerte ein und befürwortet eine vollständige CO-Reduktion bis 2035. Damit müsste die Produktion von Lkws mit Verbrennungsmotoren im Wesentlichen eingestellt werden.

Die Umweltorganisation argumentiert, dass schärfere Ziele sicherstellen würden, dass die Hersteller ihre Ziele für den Ausstieg aus der Produktion von Verbrennungsmotoren einhalten. Sie warnt davor, dass freiwillige Ziele „nicht immer erreicht werden“.

Außerdem wäre dies ein Zeichen für die gesamte Branche und würde Herstellern aus ähnlichen Sektoren, wie der Ladeinfrastruktur und der Batterieproduktion, eine klare Richtung für die Marktentwicklung vorgeben.

In der EU werden jährlich rund 380.000 Lkw verkauft, was einen Beitrag von 75 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt leistet. Etwa 577.000 Menschen sind in der EU in der Lkw-Herstellung beschäftigt.

Schwere Nutzfahrzeuge sind für etwa 4 Prozent der Gesamtemissionen in der EU und für 27 Prozent der Emissionen im Straßenverkehr verantwortlich.

EU-Parlament: Chefverhandler will Aus für Diesel-LKW

Der grüne EU-Abgeordnete und früherer französischer Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot will die geplanten EU-Vorgaben für neue LKW verschärfen. Ein Vorschlag der Europäischen Kommission, der eine Reduzierung der CO2-Emissionen von 90 Prozent bis 2040 vorgesehen hatte, geht ihm nicht weit genug.

Arbeitsplatzverluste und Stellenzuwachs

Der Studie zufolge wird das Ende der Verbrenner-Lkw zu einem Verlust von etwa 35.000 Arbeitsplätzen bei den europäischen Herstellern schwerer Nutzfahrzeuge führen. Während für komplexe Verbrennungsmotoren Hunderte von Teile benötigt werden, sind Elektrofahrzeuge vergleichsweise einfach und erfordern weniger Arbeitskräfte für die Montage.

Die Zunahme von Elektrofahrzeugen wird jedoch zu einem sprunghaften Anstieg des Strombedarfs führen.

Um die zusätzliche Nachfrage aufgrund der Energiewende zu decken, muss Europa seine Stromproduktion stark erhöhen, was einen entsprechenden Boom an Arbeitsplätzen im Energiesektor nach sich ziehen wird.

Boston Consulting schätzt, dass zusätzliche 55.000 Arbeitsplätze in der erneuerbaren Energieerzeugung geschaffen werden.

Weitere 6.000 Arbeitsplätze könnten im Bereich der Ladeinfrastruktur entstehen, da Europa bis 2035 etwa 185.000 Ladestationen installieren will. Rund 3.000 Arbeitsplätze würden zudem in der Batteriezellenproduktion geschaffen.

Aus ökonomischer Sicht wird die europäische Wirtschaft laut der Studie von der Umstellung auf emissionsfreie Fahrzeuge profitieren, da die Lieferketten eine höhere Wertschöpfung haben. Trotz des Verlusts von 35.000 Arbeitsplätzen dürften die Lkw-Hersteller nach der Umstellung auf Wasserstoff- und Elektrofahrzeuge einen zusätzlichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 3 Milliarden Euro leisten.

„Der Übergang zu emissionsfreien Lkws ist gut für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für das Klima. Wie groß die wirtschaftlichen Gewinne sind, hängt jedoch von der Dauer des Übergangs ab“, sagte Defour.

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