Biokraftstoff-Boom in Italien und Malta: Es war ein „Kommafehler“

Gebrauchtes Speiseöl kann zur Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation raffiniert werden, die eine umweltfreundlichere Alternative zu fossilen Kraftstoffen darstellen. [Andri wahyudi / Shutterstock.com]

Die globale Zertifizierungsstelle ISCC hat die riesigen Mengen an gebrauchtem Speiseöl, die angeblich in Italien und Malta für die Herstellung von Biokraftstoffen im Jahr 2022 gesammelt wurden, nach unten korrigiert. Ein Übertragungsfehler bei den Kommastellen sei die Ursache gewesen.

Nach den Daten, die letzten Monat von der Generaldirektion ENER, die innerhalb der Europäischen Kommission für die Energiepolitik zuständig ist, veröffentlicht wurden, wären in Italien im Jahr 2022 etwa 604.040 metrische Tonnen Speiseöl für die Herstellung von Biokraftstoffen gesammelt worden. In Malta allein wären es 520.000 Tonnen gewesen.

Nach den ursprünglichen Angaben hätten Italien und Malta zu den drei größten Lieferanten von gebrauchtem Speiseöl in der Welt gehört. Dies weckte jedoch Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben.

Gebrauchtes Speiseöl kann zur Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation raffiniert werden, die eine umweltfreundlichere Alternative zu fossilen Kraftstoffen darstellen. Solche Biokraftstoffe sind in Europa zunehmend gefragt, um den vom Erdöl abhängigen Verkehrssektor zu dekarbonisieren, da die EU CO2-Neutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts anstrebt.

Nach den EU-Vorschriften können Biokraftstoffe aus Abfällen auch doppelt auf die nationalen Ziele für erneuerbare Energien im Verkehrssektor angerechnet werden. Das macht sie sehr wertvoll.

Die für Italien und Malta gemeldeten Zahlen für 2022 lagen weit über den durchschnittlichen Sammelmengen für gebrauchtes Speiseöl von etwa zwei Litern pro Kopf. Aus den Daten ging hervor, dass in Italien im Jahr 2022 rund 13 Liter pro Kopf als gebrauchtes Speiseöl zertifiziert wurden, während in Malta die Zahl bei überwältigenden 1.100 Litern pro Kopf lag.

In einem auf Euractiv veröffentlichten Meinungsbeitrag erklärte James Cogan, politischer Berater des Biokraftstoffunternehmens Ethanol Europe, dass große Mengen von Materialien wie nativem Palmöl fälschlicherweise als gebrauchtes Speiseöl zertifiziert würden. Dies ließen die Daten vermuten.

Laut einer am Montag (15. Januar) veröffentlichten ISCC-Erklärung waren die Zahlen, die auf Angaben beruhen, die im Rahmen der jährlichen EU-Berichtspflicht an die ISCC übermittelt wurden, jedoch fehlerhaft.

„Leider wurden in den eingereichten Daten von den Systemnutzern aus Malta und Italien Fehler bei den Dezimalstellen festgestellt“, heißt es in der Erklärung.

„Im Gegensatz zu den für Malta gemeldeten 520.000 metrischen Tonnen beträgt die korrigierte Zahl 520 metrische Tonnen. Die korrigierte Zahl für Italien beträgt 50.200 metrische Tonnen (anstelle von 604.040 metrischen Tonnen).“

In einigen Fällen wurden die Gesamtmengen der gesammelten Abfälle und Reststoffe ausschließlich als gebrauchtes Speiseöl gemeldet.

„ISCC ist dabei, gemeinsam mit anderen Zertifizierungsstellen Unstimmigkeiten zu klären und die Zahlen entsprechend anzupassen“, teilte ein Sprecher Euractiv mit.

Zertifizierung

Um Betrug vorzubeugen, müssen sich die Biokraftstoffhersteller von privaten Systemen zertifizieren lassen, die von der Europäischen Kommission oder den EU-Mitgliedstaaten anerkannt sind.

Bislang sind 15 freiwillige und nationale Zertifizierungssysteme von der Kommission anerkannt. ISCC ist die größte derartige Zertifizierungsstelle für Europa.

Die Zertifizierungsstellen haben die Aufgabe, sicherzustellen, dass die auf dem EU-Markt angebotenen Biokraftstoffe die entsprechenden EU-Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Dazu gehört der Nachweis, dass die Rohstoffe nicht von Flächen mit hohem Kohlenstoffgehalt stammen, die für die Rohstoffproduktion umgewandelt wurden, wie Wälder oder Feuchtgebiete.

Die Zertifizierungsstellen sind auch befugt, Kontrollen bei Biokraftstoffunternehmen durchzuführen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die EU-Vorschriften eingehalten werden und dass die Rohstoffe nicht manipuliert wurden.

Kritiker werfen den freiwilligen Systemen jedoch vor, dass sie zu schwach seien, um Betrug wirksam zu bekämpfen. Sie drängen auf strengere Zertifizierungsmaßnahmen.

Im vergangenen Jahr leitete die Europäische Kommission eine Untersuchung bezüglich Biokraftstoffen ein, die aus China und dem Vereinigten Königreich in die EU importiert werden. Grund war der Verdacht, dass indonesische Hersteller diese Länder nutzen, um Zölle zu umgehen.

Außerdem wird vermutet, dass natives Palmöl, welches in der EU aus Nachhaltigkeitsgründen nur eingeschränkt zugelassen ist, in betrügerischer Absicht als gebrauchtes Speiseöl ausgegeben wird.

EU-Untersuchung: Indonesischer Biodiesel könnte Einfuhrzölle umgehen

Die EU erklärte, sie habe eine Untersuchung darüber eingeleitet, ob Biodiesel aus Indonesien die EU-Zölle umgeht, indem er über China und Großbritannien eingeführt wird. Indonesien beantrage zuvor Streitbeilegungskonsultationen bei der Welthandelsorganisation (WTO).

Um die Bedenken zu zerstreuen, schlug die EU die „Unionsdatenbank für Biokraftstoffe“ vor. Mit dieser sollen Biokraftstoffe entlang der gesamten Lieferkette verfolgt werden. Die Datenbank ist jedoch noch nicht voll einsatzfähig.

Global Sustainability Conference“

Fragen zur Zukunft der Biokraftstoffzertifizierung werden auf der ISCC Global Sustainability Conference am 22. Februar in Brüssel erörtert. Auf der jährlich stattfindenden Konferenz treffen sich Regierungsvertreter, Regulierungsbehörden, Biokraftstoffunternehmen und Zertifizierungsexperten, um über politische Entwicklungen und Herausforderungen zu diskutieren.

Das Treffen findet vor dem Hintergrund einer verstärkten Prüfung von Zertifizierungssystemen statt. Zu den wichtigsten Themen gehören die Einführung der Unionsdatenbank, der erwartete Anstieg der Nachfrage nach Biokraftstoffen, der durch die Vorschriften für umweltfreundliche Kraftstoffe im Luft- und Seeverkehr ausgelöst wird, sowie neue Sorgfaltsvorschriften.

Hochrangige Beamte der Europäischen Kommission, darunter Werner Bosmans von der Generaldirektion für Umwelt und Bernd Kuepker von der Generaldirektion für Energie, werden auf der Veranstaltung sprechen.

[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic/Kjeld Neubert]

Abonnieren Sie unsere Newsletter

Abonnieren