Im deutschen Spitzensport bahnt sich ein Umdenken an, glaubt Vanessa Nord. Die 28-jährige gründete 2019 ein Unternehmen, das Sportvereine auf dem Weg zur Nachhaltigkeit begleitet: ökologisch, sozial und wirtschaftlich.
Scheinbar traf sie damit einen Nerv: Nord arbeitete schon mit dem FC Bayern München, die zweite deutsche Eishockeyliga und den deutschen Boxsport-Verband.
Bald werden immer mehr Organisationen auf den Nachhaltigkeits-Zug aufspringen, ist Nord überzeugt. Das Thema werde im Sport immer wichtiger, „wer das jetzt noch nicht begriffen hat, muss es langsam begreifen“, sagt sie im Gespräch mit EURACTIV Deutschland.
Nord studierte Sportmanagement und fasste rasch Fuß in der deutschen Branche. Angestellt war sie zuletzt beim deutschen Boxsport-Verband, wo sie unter anderem 2017 die Weltmeisterschaft der Männer in Hamburg mit organisierte. Klima- und Umweltschutz waren ihr stets Anliegen, und als sie für Großveranstaltungen staatliche Fördergelder beantragte, fragte sie sich: „Wir hantieren hier mit deutschen Steuergeldern, aber was bleibt davon über in Deutschland? Was tun wir für den Nachwuchs?“
Sport bewegt
Nord glaubt an die Macht des Sports, etwas zu bewegen. „Sport bringt Emotion, hat immense Strahlkraft, das kann man nutzen“, sagt sie. Daher können Sportvereine besonders im Klimaschutz etwas leisten: Menschen einladen und mitnehmen. Dabei möchte Nord ihnen helfen.
Derzeit berät sie ihre Klienten vor allem auf der strategischen Ebene. Beim FC Bayern etwa war sie Teil einer Projektgruppe, die eine nachhaltigere Allianz-Arena ersinnen soll. Mit dem Verein „Sports For Future“ erarbeitete sie ein Workbook mit konkreten Nachhaltigkeits-Maßnahmen, als Richtlinien für Vereine. Und den European Championships 2022 in München hilft sie demnächst bei der Ausarbeitung ihrer Nachhaltigkeits-Ziele.
Diese große Nachfrage zeige, dass Nachhaltigkeit langsam, aber doch im Sport ankomme, denkt Nord. Ihrer Wahrnehmung nach begann es mit den Korruptionsfällen, etwa bei der FIFA im Jahre 2015. „Der Sport, speziell der Fußball, hat damals seine Glaubwürdigkeit verloren, und seinen Kontakt zur Gesellschaft“, so Nord. Das wurde ihr klar, als die Olympia-Standortbewerbungen deutscher Städte zu heftigem Widerstand in der Bevölkerung führten, etwa in Hamburg. Dass Sportvereine jetzt vermehrt ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen, auch im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit, ist auch als Reaktion darauf zu verstehen.
Und nun steht ein Generationenwechsel bevor – nicht nur in den Führungsriegen der Organisationen, sondern auch im Publikum. „Wenn der Fußball nicht umdenkt, verliert er den Zugang zu mehreren Generationen“, so Nord. Denn während ihre AltersgenossInnen bereits auf Nachhaltigkeit schauen, wird es für nächste Generation – jene, die Freitags für Klimaschutz auf die Straßen gehen – zur Grundvoraussetzung.
Für Sponsoren: Image in Gefahr
Das ist insbesondere für Sponsoren relevant. Denn Unternehmen wollen ihre Logos nicht auf Trikots einer Mannschaft sehen, die wegen Klimasünden in den Schlagzeilen stehen. Dass das eine reale Bedrohung für Sponsoren ist, zeige etwa der Fall des Basel-Flugs, den die deutsche Nationalmannschaft im September nahm, anstatt mit dem Zug zu fahren. Fans waren empört, große Zeitungen berichteten. „Sponsoren investieren ja in Mannschaften wegen des Image-Transfers“, so Nord. Nun bemühen sich Unternehmen, grüner zu werden, weil VerbraucherInnen das immer stärker einfordern. Da werden sie sich hüten, dieses Image durch säumige Mannschaften zu konterkarieren, denkt sie.
Allerdings würden das viele Fußballvereine in Deutschland noch nicht sehen. In einigen Führungsetagen herrsche eine gewisse Hybris vor, nach dem Motto: „Wir haben eh sieben Millionen aktive Fans, bei Weltmeisterschaften schauen 80 Millionen zu, uns kann nichts passieren“, sagt die Beraterin. Und gerade Bundesliga-Vereine hoffen oft auf die emotionale Bindung zwischen Fan und Verein: Man wechsle schon nicht den Club wegen der CO2-Bilanz.
Doch dieses Denken ignoriere das größere Bild, so Nord. Es gehe um die Zukunft des Publikumssports allgemein. Für die nächste Generation stelle sich nicht die Frage „Fußball oder Handball?“, sondern „Netflix oder Sport?“. Daher sei es für jede Sportart lebensnotwendig, diese Generation abzuholen und ihnen ein Erlebnis zu bieten, das mit ihren Werten vereinbar ist.