Polens „wichtigste Schlacht“ um EU-Mittel

Polens führender Europapolitiker Mikolaj Dowgielewicz (M) kämpft für den Erhalt des Europäischen Sozialfonds. Foto: dpa

Plant die EU-Kommission eine Umgestaltung der europäischen Kohäsionspolitik? Insbesondere Polen als größter Empfänger europäischer Zuwendungen befürchtet Nachteile. Warschau bringt seine Diplomaten in Brüssel nun in Stellung.

Gerüchten zufolge befürworten einige EU-Kommissare die Rückgabe der Aufgaben des Europäischen Sozialfonds an die Mitgliedsstaaten, wie das österreichische Wirtschaftsblatt berichtet. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedsländer die 76 Milliarden Euro, die sie in der laufenden Finanzperiode erhalten, künftig selbst aufbringen müssten. Insbesondere Polen wäre hiervon betroffen. Insgesamt hat Warschau in der jetzt ablaufenden Haushaltsperiode 67 Milliarden Euro von Brüssel bewilligt bekommen.

Der polnische Europa-Staatssekretär Mikolaj Dowgielewicz erklärte der Zeitung "Gazeta Wyborcza": "Das würde ein Ende der Kohäsionspolitik in der jetzigen Gestalt bedeuten, die für uns vorteilhaft ist." Die bevorstehenden Verhandlungen über das europäische Budget für die Jahre 2013 bis 2020 seien für Polen die "wichtigste Schlacht in der Union seit sechs Jahren".

Die Grundstruktur des EU-Haushalts

Dowgielewicz zufolge werde in einigen EU-Ländern gegenwärtig viel vom Sparen gesprochen. Dieser Grundsatz dürfe aber die Diskussionen über den europäischen Haushalt nicht beherrschen. Der Vertrag von Lissabon habe die Kompetenzen der Union erweitert. "Das sollte sich in der Höhe der Mittel widerspiegeln, über die das gemeinsame Budget verfügt", so Dowgielewicz.

Vor allem sollte die Grundstruktur des Haushalts – 40 Prozent für die "Kohäsion", also den Ausgleich zwischen armen und reichen Regionen, 30 Prozent für die Landwirtschaft sowie 30 Prozent für alles übrige – nicht verändert werden.

Auch Deutschland profitiert

Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wies Dowgielewicz darauf hin, dass auch Deutschland von der gegenwärtigen Struktur profitiere. Auch deutsche Länder gehörten zu den Empfängern europäischer Mittel, außerdem gingen von jedem Brüsseler Euro, der in Polen ausgegeben werde, 61 Cent in Form von Aufträgen nach Deutschland.

Warschau hat seine Strategie zur Verteidigung der Kohäsionspolitik in einem 12-seitigen Positionspapier zusammengefasst, welches als Richtlinie für die polnischen Diplomaten in Brüssel dienen soll. Die Kohäsionspolitik sei ein "Förderer der Integration" und trage zum Wachsumspotenzial und zur globalen Wettbewerbsfähigkeit aller europäischer Regionen bei, heißt es hier. Daher sollten den Fonds der Kohäsionspolitik auch die 3,5 Milliarden Euro aus dem Globalisierungsfonds der EU hinzugefügt werden.

Vorhersehbare Strategie Polens

Darüber hinaus werden die polnischen Diplomaten sich für eine Lockerung der Bestimmungen einsetzen, um an EU-Genehmigungen für Beihilfen zu kommen. Zudem sollten die Mitgliedsstaaten bei der Verteilung der Gelder mehr Freiheiten bekommen.

Aus Kommissionskreisen hieß es gegenüber dem Online-Dienst EUobserver, dass die polnische Strategie vorhersehbar gewesen sei, da man dort daran interessiert sei, "die Mittel am Fließen zu halten". Die Kohäsionspolitik werde in Brüssel überdies "außerordentlich wertgeschätzt", da sie "den Geist und Sinn der EU berührt".

Es sei zu simpel und irreführend zu fragen: "Warum sollte Deutschland dafür bezahlen, um irgendeine polnische Region reicher zu machen?" Wenn Menschen beispielsweise in Lodz wohlhabender werden und deutsche Autos kaufen, würden für deutsche Firmen neue Märkte entstehen.

Brief der "Visegrad-Gruppe" an Barroso

Auf Initiative von Warschau wurde von der "Visegrad-Gruppe", zu der Polen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn gehören, ein Brief an EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso geschickt. Die Ministerpräsidentin der Slowakei, Iveta Radicova, schrieb im Namen des Quartetts, dass die Ziele der EU nur erreicht werden könnten, wenn der Europäische Sozialfonds "im Rahmen der europäischen Kohäsionspolitik erhalten bleibt."

Hintergrund

Über die drei Fonds der Kohäsionspolitik – der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), der Europäische Sozialfonds (ESF) und der Kohäsionsfonds – investieren die 455 kohäsionspolitischen Programme insgesamt 347 Milliarden Euro zwischen 2007 und 2013 in alle EU-Regionen.

Ziel des Europäischen Sozialfonds ist die Förderung der Beschäftigung und der Abbau der sozialen Unterschiede zwischen Staaten und Regionen in der EU. In der laufenden Finanzperiode von 2007 bis Ende 2013 ist der Fonds mit 76 Milliarden Euro dotiert, was etwa einem Zehntel des EU-Budgets entspricht.

Die größten Profiteure des Sozialfonds sind in der laufenen Finanzperiode Polen (9,7 Milliarden Euro), Deutschland (9,4 Milliarden Euro) und Spanien (8,1 Milliarden Euro).

dto

Links

EU-Kommission: European regional development fund (ERDF)

EU-Kommission:
Economic Crisis – the response from European Cohesion Policy

Bundesregierung: Europäischer Sozialfonds

EURACTIV.de: Neustart für alle vier Visegrad-Staaten (9. Juli 2010)

EURACTIV.de: Besserer Zugriff auf EU-Regionalfonds (28. Juni 2010)

EURACTIV.de: Neue EU-Mitglieder finden wenig Gehör (3. Juni 2010) 

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