Die Weltzollunion hat innerhalb von nur zwei Wochen 113 Millionen wirkungslose Arzneimittel in Afrika beschlagnahmt. Das wahre Ausmaß bleibt ungewiss. EURACTIV Frankreich berichtet.
Illegale Medikamente gibt es auf der ganzen Welt. Afrika scheint jedoch derzeit besonders im Fadenkreuz zu stehen. Seit 2012 hat die Weltzollunion (WZO) gemeinsam mit dem Institute of Research against Counterfeit Medicine (IRACM, Forschungsinstitut gegen Arzneimittelfälschungen) mehr als 750 Millionen unwirksamer Medikamente an Afrikas Häfen abgefangen.
Am 20. Januar veröffentlichten sie die Daten ihres jüngsten Einsatzes vom September 2016. Diesen zufolge konnten in nur zehn Tagen 113 Millionen illegale Arzneimittel in 16 Ländern beschlagnahmt werden. Doch dies ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Tagtäglich werden Unmengen gefälschter Medikamente durch Afrikas größte Häfen geschleust. Die aktuellen Zahlen liefern jedoch zumindest eine grobe Vorstellung des Problems.
Das volle Ausmaß lässt sich nur schwer abschätzen, aber die Lage ist wirklich besorgniserregend“, warnt Ana Hinojosa von der WZO.
China und Indien
Die meisten Arzneimittel griff man in Nigeria, Benin, Kenia und Togo auf. Auffällig sind jedoch vor allem ihre Herkunftsländer: 97 Prozent der illegalen Medikamente stammen aus China oder Indien. „Unter den von den afrikanischen Zollbehörden abgefangen Arzneimitteln befanden sich zum Beispiel Malariatabletten, entzündungshemmende Mittel und Antibiotika“, erklärt Bernard Leroy vom IRACM.
Medikamente können ihre Wirksamkeit auf viele Wege verlieren: zum Beispiel durch schlechte Transportbedingungen oder Umverpackung. Viele stellen allerdings auch gefälschte Arzneimittel her. Das Ergebnis sind ineffektive, gefährliche – wenn nicht sogar tödliche – Präparate.
Selbst Medikamente gegen ernsthafte Erkrankungen wie Krebs befinden sich unter den Fälschungen. Hiervon wurden beim letzten Einsatz mehr als zwei Millionen Dosen beschlagnahmt. Gefälschte Arzneimittel sind jedes Jahr für tausende Todesfälle verantwortlich und können weitreichende Kollateralschäden anrichten. „[Die Patienten könnten] gegen die Behandlung bestimmter Krankheiten wie Tuberkulose immun werden“, kritisiert Jean-David Levitte, ebenfalls von IRACM.
Das Spiel mit den Gesetzeslücken
Der Kampf gegen Fälscher ist schwierig – vor allem, weil viele Behörden kaum in der Lage sind, einzugreifen. Schmuggler in Afrika kommen meist milde davon. „Die Gerichte verhängen oft lächerliche Strafen, weil sich das Gesetz auf den Verstoß gegen intellektuelles Eigentum bezieht, anstatt auf die gesundheitliche Gefährdung durch den Schmuggel.“ Die Täter sind sich der Schwachstellen im Rechtssystem bewusst. Sie wissen beispielsweise, dass ein Container bei einer Zollkontrolle nur geöffnet werden darf, wenn der Einführende zugegen ist. „Die meisten Schmuggler tauchen also einfach nicht auf und der Einsatz muss unterbrochen werden“, erklärt Hinojosa.
Globale Übereinkommen scheinen da kaum besser. Die MediCrime-Konvention, die der Europarat 2010 verabschiedete, bietet zwar eine international verbindliche Gesetzgebung gegen die Herstellung und das Schmuggeln gefälschter Präparate, wurde jedoch bisher erst von acht der 47 Mitglieder ratifiziert: nämlich Frankreich, der Ukraine, Spanien, Ungarn, Moldawien, Armenien, Albanien und Belgien. Auch Guinea als Nicht-Mitglied unterzeichnete das Übereinkommen.
Bamako-Gipfel
Schon vor einiger Zeit verbannte man das Thema ans untere Ende der politischen Agenda. Beim diesjährigen 27. Afrika-Frankreich-Gipfel in Bamako in Mali am 16. Januar versprachen die Staats- und Regierungschefs jedoch „mehr Solidarität im Kampf gegen Terrorismus und illegalen Handel“. Diese Zusage findet sich auch in der Abschlusserklärung des Gipfels wieder. Darin warnen die Politiker vor den „ernsthaften Gefahren, insbesondere für die Menschliche Gesundheit, die der zunehmende Schmuggel gefälschter Medikamente seitens transnationaler Verbrecherorganisationen nach Afrika mitsichbringt.“
Bernard Leroy fordert einen Kurswechsel. „Medikamentenschmuggel kann eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen, weil er den Tätern etwa zehn bis 20-mal mehr einbringt als Drogenschmuggel.“