EU-Pflanzenschutzmittelverordnung: Gemeinsam gegen die Biodiversitätskrise

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Mit der neuen EU-Pflanzenschutzmittelverordnung sollen die alten Fehler der EU-Richtlinie über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln von 2009 nicht wiederholt werden. [Shutterstock/Dietrich Leppert]

Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat sich bei seiner letzten Sitzung dafür ausgesprochen, bis 2030 die Mengen und das Risiko von Pflanzenschutzmitteln um die Hälfte zu reduzieren. Nun stimmt am Mittwoch (22. November) das EU-Parlament final darüber ab, schreibt Maximilian Wulfheide.

Maximilian Wulfheide ist Pflanzenschutzmittelexperte beim Umweltverband NABU.

Mit der neuen EU-Pflanzenschutzmittelverordnung (Sustainable Use Regulation, kurz SUR) sollen die alten Fehler der EU-Richtlinie über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln von 2009 nicht wiederholt werden. So hatten unter anderem die schwammigen, unverbindlichen Definitionen und fehlenden Vorgaben nicht zum erhofften Rückgang des Pflanzenschutzmitteleinsatzes geführt.

Doch dieser ist dringend geboten.

Längst ist klar, dass das voranschreitende Insektensterben und der Verlust von Arten und Ökosystemen heutige und künftige Generationen massiv bedrohen. Selbst in Naturschutzgebieten geht die Insektenbiomasse weiterhin dramatisch zurück, wie eine erst kürzlich veröffentlichte Studie des Insektenforschungsprojekts DINA belegt.

Dass die Insektenvielfalt von einer umweltfreundlicheren Landwirtschaft profitieren würde, ist vielfach durch die Wissenschaft belegt worden. 

Natur und Landwirtschaft profitieren gleichermaßen

Über 6000 Wissenschaftler*innen sind sich einig, dass die SUR einen entscheidenden Beitrag dazu leisten kann, den drastischen Rückgang von Bestäubern und anderen Arten zu stoppen und langfristig die Lebensmittelversorgung in Europa zu sichern. Außerdem unterstützen viele Bürger*innen diese Forderung, so beispielsweise die europäische Bürgerinitiative “Save The Bees And Farmers” mit mehr als einer Million Unterstützer*innen.

Sicher ist: Als Teil des Europäischen Green Deals ist die SUR ein entscheidender Schritt hin zu einer Landwirtschaft, die ihre Produktionsgrundlagen wie Böden, Wasser und Biodiversität schützt und nicht ausbeutet. Nur vielfältige, resiliente Ökosysteme werden künftig in der Lage sein, die Lebensmittelproduktion zu sichern.

Wir brauchen wieder mehr konstruktiven Dialog – gerade in Europa

Indes streuen die rechts-konservativen Fraktionen im Europäischen Parlament, wie die Europäische Volkspartei (EVP), Halbwahrheiten und Behauptungen mit populistischen Tendenzen.

Unter Vorwänden wie der Ernährungssicherung lehnen sie den Gesetzesvorschlag konsequent ab, obwohl die EU zuletzt in einer extra angeforderten zusätzlichen Folgenabschätzung zur SUR festgestellt hat, dass selbst durch den Krieg in der Ukraine keine Bedrohung der Ernährungssicherheit durch die SUR zu befürchten sei.

Mehr noch, wird von “Ökopopulismus“ und einer “Zwangsumstellung” für Landwirt*innen gesprochen. Eine Tonalität, die wenig zur Kompromissfindung beiträgt und in Zeiten der Desinformation und des Erstarkens rechter Kräfte das Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger*innen weiter schwächt. 

Kritisch ist vor diesem Hintergrund eine Recherche der journalistischen Onlineplattform DeSmog, der zufolge sich EVP-Abgeordnete zwischen Januar 2020 und Juli 2023 auffällig häufig mit Lobbygruppen der Agrarindustrie getroffen haben – darunter die weltweit größten Pflanzenschutzmittelhersteller Bayer, BASF, Corteva und Syngenta sowie die Düngemittelfirmen Yara und OCP Group. Dass außerdem fast alle der untersuchten Abgeordneten bei ihren Treffen gegen die Transparenzrichtlinien der EU verstoßen haben, trägt nicht zur Vertrauensbildung bei.

So ist es nicht verwunderlich, dass laut einer Umfrage der Marktforschungsagentur Ipsos im Auftrag des Pesticide Action Network (PAN) Europe mehr als ein Drittel der Deutschen nicht drauf vertrauen, dass ihre politischen Vertreter*innen bei Fragen des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zum Wohle der Bürger*innen und der Umwelt entscheiden.

Entwicklungen wie diese zeigen: Bei der EU-Pflanzenschutzmittelverordnung SUR geht es neben Natur- und Insektenschutz, Ernährungssicherung und die Zukunft landwirtschaftlicher Betriebe auch um das grundsätzliche Vertrauen in die EU-Politik.

Daher ist es wichtig, dass all jene, denen etwas an der Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft, der Ernährungssicherung und nicht zuletzt am Kampf gegen den Verlust von Arten und Ökosystemen gelegen ist, nun eine ambitionierte EU-Pflanzenschutzmittelverordnung auf den Weg bringen. 

Hierzu muss wieder ein konstruktiver Dialog zwischen allen erfolgen – auch mit der EVP. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Akteure mitgenommen werden und ein tragbarer Kompromiss gefunden wird, mit dem Landwirt*innen wie Naturschützer*innen gleichermaßen zufrieden sein können.

Denn der Schutz von Ökosystemen und der Biodiversität ist nicht zuletzt auch langfristig die beste Versicherung gegen die aufgrund des Klimawandels immer extremer werdenden meteorologischen Ereignisse wie Dürren oder Starkregen.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Um den mittlerweile stark angeschlagenen Europäischen Green Deal noch zu retten, ist die SUR ein wichtiger Baustein – für ein grüneres, nachhaltigeres Europa von allen und für alle.

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