Dieser Artikel ist Teil des special reports EU-Landwirte unter Druck
Genossenschaften spielen in der Lebensmittelversorgung Griechenlands nur eine marginale Rolle. In Kombination mit steigenden Gemeinkosten hat dies zu niedrigeren Einkommen für die Bauern und zeitgleich zu höheren Preisen für die Verbraucher geführt.
Mit der Wirtschaftskrise seit 2008 ist die Kaufkraft der griechischen Verbraucher dramatisch gefallen: während zu Beginn der Krise 11,2% der Griechen mit Grundnahrungsmitteln unterversorgt waren, stieg dieser Wert innerhalb von sieben Jahren auf 22,2%. Laut Eurostat-Daten ist Griechenland somit nach Bulgarien (34,2%) und Rumänien (22,7%) das am drittmeisten von „materieller Deprivation” betroffene Land der EU.
Gleichzeitig haben sich die Lebensmittelpreise allerdings in eine andere Richtung entwickelt. Aufgrund von Faktoren wie hohen Investitionskosten und schwachen Genossenschaften sind die Preise für die Endprodukte gestiegen.
Energie und Tierfutter
Investitionskosten der griechischen Bauern sind schneller gestiegen als die Produktionswerte. Insgesamt investieren die Bauern ungefähr 5,1 Milliarden Euro für Produktionsmittel.
Giannis Tsiforos, Landwirtschafts- und Lebensmittelexperte bei Gaia Epixeirein, einer Beratungsfirma, die Bauern mit den IT- und Banksektoren zusammenbringt, sagte EURACTIV.com, dass Ausgaben für Energie und Tierfutter 60% der Investitionskosten griechischer Bauern ausmachen.
„Die Dieselpreise in Griechenland sind die höchsten in der ganzen EU. Seit 2015 – im Rahmen des Bailouts – können die Bauern ihre Spritkosten nicht mehr steuerlich absetzen”, erklärt Tsiforos. Energiekosten würden trotz der gefallenen Ölpreise hoch bleiben.
Ein weiteres Thema sei Tierfutter, das in Form von Eiweißpflanzen, hauptsächlich Sojabohnen, importiert wird. „Wir produzieren nicht genug eigene Eiweißpflanzen und sind deswegen auf teure Importe angewiesen”, so Tsiforos.
Vassilis Parolas, Vorsitzender der Gemeinschaft landwirtschaftlicher Genossenschaften in der Region Thesprotia, teilt diese Sicht und nennt Düngemittel als weiteres Problem. Der Handel sei auf einige wenige Firmen konzentriert die praktisch volle Kontrolle über den Markt haben.
„Mit Blick auf die Produktionskosten könnte man sagen, dass der griechische Markt für Düngemittel wie ein Kartell funktioniert. Dünger ist hier 60-80% teurer als in Italien”, sagt Parolas.
Dies gelte auch für Pflanzenschutzmittel: „multinationale Firmen verlangen in Italien und Griechenland unterschiedliche Preise, sodass sie in Ländern mit niedrigeren Steuern höhere Gewinne einfahren können”.
Darüber hinaus seien identische Tierarzneimittel in Griechenland zehnmal teurer als in den Nachbarländern Bulgarien oder Türkei, fügt Parolas hinzu.
Die Versorgungskette
Die Situation wird durch die bestehenden Versorgungsketten weiter verschlimmert. Groß- und Zwischenhändler haben in Griechenland eine starke Position und liefern beispielsweise 45-75% des Obst- und Gemüsebedarfs der Einzelhändler.
Laut Tsiforos erhalten die Erzeuger nicht mehr als 8-10% der Gewinne, während die Groß- und Zwischenhändler den Rest kassieren. Hinzu kommen unfaire Handelspraktiken wie Zahlungsverzug. „Verspätete Zahlungen gehen erst nach 90-120 Tagen ein. Das ist doppelt so lang wie in anderen EU-Staaten”, betont er.
Um ihre Investitionskosten zu decken, müssten Bauern Darlehen aufnehmen, die im besten Fall mit 6% verzinst sind. „Wir müssen gegensteuern […] Der Markt darf nicht komplett unkontrolliert sein”, fordert Tsiforos.
Schwache Genossenschaften
Auch die marginale Rolle der Genossenschaften sei ein Faktor für hohe Kosten, so Parolas.
Es habe ein „anachronistisches Genossenschaftssytem” gegeben, jedoch seien die großen Genossenschaften nach und nach privatisiert worden und die Produktion konnte infolgedessen nicht mehr ausreichend koordiniert werden.
Heute macht genossenschaftliche Produktion ungefähr 11% der gesamten griechischen Landwirtschafsproduktion aus. Durch diesen niedrigen Wert wurde der Graben zwischen Erzeugern und Verbrauchern weiter vertieft, und Zwischenhändler übernahmen die Kontrolle über den Markt und einzelne Landwirtschaftsbereiche.
„Darunter leiden beide – die Erzeuger und die Konsumenten, die höhere Preise zahlen müssen”, unterstreicht Parolas.
Um hohe Investitionskosten in den Griff zu bekommen, werde derzeit an der Entwicklung einer landesweiten, genossenschaftlichen Firma gearbeitet. „Dadurch können wir unsere Verhandlungsposition in der Versorgungskette verbessern”, glaubt Parolas.
Er fügt hinzu, dass die Besteuerung im Vergleich zu den Produktionskosten nicht zu hoch sei: „für Düngemittel könnten 10% niedrigere Produktionskosten erreicht werden, für Pflanzenschutzmittel und Saatgut sogar mehr als 20%. Bei den derzeitigen Preisen gibt es keinen Wettbewerb und die Kosten werden lediglich auf den Verbraucher abgewälzt”.