Die liberale Fraktion „Renew Europe“ im Europäischen Parlament will im Agrarsektor „Tabus brechen“, wie einer ihrer tschechischen Abgeordneten, Martin Hlaváček, mitteilte.
„Wir haben beschlossen, dass wir eine offene Debatte über Themen wie GVO, Pestizide und dergleichen ohne Grenzen und Tabus führen werden“, erklärte er gegenüber EURACTIV am Rande einer Veranstaltung der Europäischen Grundbesitzerorganisation in der vergangenen Woche.
Der tschechische Europaabgeordnete, der auch Mitglied des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI) ist, fügte hinzu: „Wir respektieren die Ansichten verschiedener Mitglieder des Europäischen Parlaments, aber wir wollen dieser Diskussion nicht aus dem Weg gehen.“
Die Diskussionen über die Zukunft der EU-Landwirtschaft und insbesondere ihre Rolle bei der Erreichung der Klimaziele ist in den Mittelpunkt gerückt, nachdem die Europäische Kommission im Dezember ihren Europäischen Green Deal vorgestellt hatte, der unter anderem die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ (Farm to Fork, F2F) umfasst.
Es wird erwartet, dass der europäische Landwirtschaftssektor eine wichtige Rolle in diesem umfassenderen Projekt spielen wird. Die angekündigte F2F dürfte speziell nicht nur dazu dienen, landwirtschaftliche Praktiken nachhaltiger zu gestalten, sondern auch eine neue integrierte Lebensmittelpolitik zu entwickeln, die die anderen Teile der Lieferkette mit einbezieht.
Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, den Anteil der Ausgaben für den Klimaschutz in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 auf 40 Prozent anzuheben.
Aus Sicht des polnischen Landwirtschaftskommissars Janusz Wojciechowski besteht keine Notwendigkeit, den aktuellen GAP-Vorschlag zu ändern, da er bereits viele Elemente enthält, die es dem Sektor ermöglichen können, die Ziele des Green Deal zu erfüllen.
Es bleibt jedoch unklar, ob das neue Umsetzungsmodell der GAP, das den Mitgliedsstaaten mehr Flexibilität bei der Entwicklung eigener Strategien zur Erreichung der Klimaziele einräumt, in der Praxis tatsächlich ausreichend wirksam sein wird.
Mögliche innovative Lösungen, einschließlich der Digitalisierung im Agrarsektor, müssen von den EU-Regierungen in einem ganzheitlichen Plan beschlossen werden. Kritiker bemängeln jedoch, dass dies ohne einen zentralisierten Ansatz aus Brüssel auf einige praktische Schwierigkeiten stoßen könnte.
Cioloș: Notwendigkeit einer langfristigen GAP-Vision
Dacian Cioloș, der Vorsitzende von Renew Europe, erklärte, dass es nicht nur die eine Innovation gibt, die die Nahrungsmittelkette revolutioniert, sondern eine Vielzahl von Innovationen und neuen Technologien, die den Übergang der europäischen Lebensmittelsysteme unterstützen könnten.
„Beispielsweise wird sich die Digitalisierung auch auf die Landwirtschaft auswirken, nicht nur auf die landwirtschaftlichen Praktiken (mit der Präzisionslandwirtschaft), sondern auch auf die Beziehungen innerhalb der Nahrungsmittelkette,“ betonte er gegenüber EURACTIV.
Die Digitalisierung könne dazu beitragen, die Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt und die natürlichen Ressourcen zu reduzieren, das Wassermanagement für die Bewässerung zu verbessern und die Landwirte besser an die verschiedenen Märkte anzubinden, wodurch Innovationen mobilisiert würden.
„Die Landwirte können Lösungen für viele Herausforderungen der EU-Gesellschaft, die Sicherung der Lebensmittelversorgung und den Kampf gegen den Klimawandel bieten“, führte er fort.
In Bezug auf die GAP müsse auch der Green Deal berücksichtigt werden. „Deshalb ist es wichtig, über den vorliegenden Vorschlag nachzudenken und ihn anzupassen und ihn in den breiteren Kontext der „F2F“-Strategie zu stellen.”
Renew Europe wird in den kommenden Wochen aktiv daran arbeiten, eine Vision zu entwickeln, die die Erwartungen der Fraktion an die GAP auf kurze, mittlere und lange Sicht integriert, versprach er.
„Die Landwirte brauchen Vorhersehbarkeit; sie brauchen auch eine langfristige Vision für die GAP, die auf nachhaltigen Praktiken, fairen Einkommen und einer starken Verbindung zu den Erwartungen der Verbraucher beruht“, erläuterte Cioloș abschließend.
[Bearbeitet von Frédéric Simon und Britta Weppner]