Öko-Landbau und Gentechnik: Ist ein Nebeneinander möglich?

Die Methode des Gene Editing - auch als neue genomische Techniken (NGTs) bezeichnet - beschreibt eine Reihe neuer wissenschaftlicher Methoden zur Veränderung von Genomen mit dem Ziel, bestimmte Eigenschaften von Pflanzen gentechnisch zu verändern. [SHUTTERSTOCK]

Dieser Artikel ist Teil des special reports Neue Gentechniken: Die nächsten Schritte

Die Co-Existenz von Gentechnik und ökologischem Landbau ist nach wie vor ein Streitpunkt innerhalb der EU-Kommission. Während aus Sicht von Befürwortern beides Hand in Hand gehen kann, pocht die Ökobranche auf eine klare Rückverfolgbarkeit.

Die Genom-Editierung – auch als neue oder grüne Gentechniken bekannt – beschreibt eine Reihe neuer wissenschaftlicher Methoden zur Veränderung von Genomen mit dem Ziel, bestimmte Eigenschaften von Pflanzen gentechnisch zu verändern, wie zum Beispiel die Dürretoleranz oder die Resistenz gegenüber Schädlingen.

Ein Vorschlag der Kommission über eine Lockerung der EU-Vorschriften für neue Gentechniken wird für das zweite Quartal dieses Jahres erwartet. Dieser wird von der Abteilung Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Kommission, der DG SANTE, angeführt.

Doch während DG SANTE seit langem angedeutet hat, dass die Abteilung eine Deregulierung befürwortet, gibt es für die landwirtschaftliche Seite der EU-Kommission noch eine Reihe von Fragezeichen, darunter die Co-Existenz zwischen konventionellen und Bio-Landwirten.

„Ein wirklich wichtiger Punkt für uns ist […] zu sehen, wie wir die Co-Existenz sicherstellen können, ohne dabei so viel Bürokratie zu schaffen“, sagte Joanna Stawowy, Mitglied des Kabinetts von EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski. Sie merkte an, dass die Landwirte „bereits mit administrativem Aufwand überhäuft“ seien.

Die Grenze zwischen konventionellem und gentechnisch verändertem Saatgut müsse daher klar gezogen werden, so Stawowy. Dies würde Bio-Landwirten helfen, tatsächlich von den guten Lösungen zu profitieren“, anstatt sich um die Vermeidung von Kontaminationen zu sorgen.

„Was wir wirklich brauchen, ist, dass der Gesetzesentwurf eine Diskussion darüber eröffnet“, sagte sie.

Die Frage der Koexistenz ist besonders wichtig im Hinblick auf das Ziel der EU, bis zum Jahr 2030 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in der EU ökologisch zu bewirtschaften.

EU-Kommission stellt Gentechnik im Tausch für Pestizidabbau in Aussicht

Die Europäische Kommission setzt offenbar darauf, Kritiker:innen ihrer Pläne zum Abbau von Pestiziden zu beschwichtigen, indem sie eine mögliche Liberalisierung neuer Gentechniken in Aussicht stellt.

 

Nutzen auch für den Ökolanbau?

Euroseeds, der Verband des EU-Pflanzenzuchtsektors, sieht in der Technologie eine Chance für den Ökosektor.

„Wir möchten, dass diese Technologien und die daraus resultierenden Produkte allen Landwirten zur Verfügung stehen, egal ob sie klein, groß, Bio oder konventionell wirtschaften“, so der Generalsekretär des Verbandes, Garlich von Essen.

Von Essen erläuterte, dass neue Gentechniken als ein Werkzeug betrachtet werden sollten, um „Zuchtziele schneller und präziser zu erreichen“ und verglich die Innovation mit dem Wechsel von einem klassischen Schraubenzieher zu einem Akkuschrauber.

Derweil hat Plant ETP, eine Multi-Stakeholder-Organisation, die den europäischen Saatgut- und Züchtungssektor vertritt, vor kurzem einen offenen Brief veröffentlicht, der empfiehlt, die Trennung zwischen konventionellen und biologischen Produktionssystemen aufzugeben und „sich auf Synergieeffekte zu konzentrieren, um das Beste aus beiden Welten zu erreichen.“

„Es gibt eine wachsende Zahl von Interessenvertretern im Ökosektor, die diese Ansicht teilen und die Möglichkeit haben möchten, mit neuen Gentechniken gezüchtete Pflanzen mit konventionellem Charakter zu verwenden und gleichzeitig ihre Bio-Zertifizierung aufrechtzuerhalten,“ schrieb Plant ETP.

Die Organisation verwies darauf, dass ein erheblicher Teil der Landwirte, die den Ökosektor beliefern, sowohl biologisch als auch konventionell produzierten.

Keine Co-Existenz ohne Herkunftsnachweis

Jan Plagge, Präsident des EU-Bioverbandes IFOAM, stellte zwar fest, dass es „Minderheitenmeinungen“ gebe, jedoch „klare Mehrheit unter den Bio-Betreibern,“ neue Gentechniken als „Ablenkung von den systematischen agrarökologischen Innovationen betrachten, die wir brauchen, um die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft wirklich zu verbessern.“

Daher vertritt der Verband die Auffassung, dass die Co-Existenz eine solide Herkunftsnachweise und Kennzeichnung für gentechnisch veränderte Pflanzen in der EU-Gesetzgebung erfordert, um „allen Landwirten die Freiheit zu garantieren, keine neuen Gentechniken zu verwenden, indem die Herkunftsnachweise verbindlich vorgeschrieben werden.“

„Wenn der Vorschlag der Kommission den Herkunftsnachweis und damit die Transparenz aufhebt, indem er neue Gentechniken mit konventionellen Anbaumethoden gleichsetzt, dann ist keine Co-Existenz möglich und es würde darauf hinauslaufen, allen Landwirten, ob sie biologisch wirtschaften oder nicht, die Verwendung neuer Gentechniken aufzuzwingen,“ erklärte der stellvertretende IFOAM Direktor Eric Gall.

Dies sollte mit einer strengen Haftungsregelung kombiniert werden, die Landwirte im Falle des versehentlichen Vorhandenseins gentechnischer Veränderungen entschädigt, fügte er hinzu.

Nach dem derzeitigen Stand der Dinge stellen der Erfassungsprozess und der Herkunftsnachweis jedoch eine technische Herausforderung dar.

Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die EU vor kurzem im Rahmen ihres Förderprogramms Horizon Europe eine Anfrage zur Erforschung von Nachweismethoden für gentechnisch veränderte Produkte in Höhe von 10 Millionen Euro veröffentlicht.

Die Anfrage soll dazu beitragen, die Rückverfolgbarkeit und die Echtheit zu gewährleisten, die Transparenz zu erhöhen und die Innovation im Bereich der neuen Gentechnologie zu fördern.

Der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling begrüßte den Schritt als willkommene Abweichung von der bisherigen EU-Forschungspolitik, bemängelte aber, dass für die beiden Projekte nur ein geringer Betrag zur Verfügung stehe.

Er forderte daher die Finanzierung weiterer Projekte sowie die Bereitstellung von Mitteln für die EU-Forschung zu den potenziellen Risiken neuer Gentechniken.

Protest in Brüssel gegen mögliche Gentechnik-Deregulierung

Eine Koalition von Organisationen, die von grünen und sozialdemokratischen Europaabgeordneten unterstützt wird, hat der Europäischen Kommission eine Petition überreicht, die fordert, das EU-Gentechnikrecht nicht zu lockern.

[Bearbeitet von Gerardo Fortuna/Zoran Radosavljevic]

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