Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) lädt am heutigen Mittwoch (13. Januar) zum virtuellen Agrarkongress. Es geht um eine zukunftsfähige Landwirtschaft und die Vereinbarung zwischen Lebensmittelproduktion, Umwelt und Klima. Im Zentrum steht jedoch ein Gesellschaftsvertrag.
Was beim Blick auf das Programm des Agrarkongresses des Bundesumweltministerium (BMU) sofort auffällt, ist ein fehlender Name. Julia Klöckner (CDU), die Bundeslandwirtschaftsministerin, wird nicht anwesend sein. Lediglich ihre Staatssekretärin Beate Kasch wird gemeinsam mit Amtskollege aus dem BMU, Jochen Flasbarth, einen Input-Talk zum deutschen GAP-Strategieplan 2023-2027 geben. Zwar ist es der Agrarkongress des BMU, doch die Themen, die auf der Agenda stehen, fallen größtenteils in den Verantwortungsbereich des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL).
Oberste Priorität dieser Tage, wenn es um die Zukunft des Agrarsektors geht, hat die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU. Während Julia Klöckner und das BMEL kaum eine Möglichkeit auslassen, um die Fortschrittlichkeit der GAP-Einigung zu betonen, fehlt dem BMU um Svenja Schulze ein echter Durchbruch. Das BMU bemängelt die fehlenden Klimaschutz-Ambitionen der GAP und bekommt bei dieser Sichtweise die Rückendeckung des EU-Kommissions-Vizepräsidenten Frans Timmermanns.
Ein Gesellschaftsvertrag für zukunftsfähige Landwirtschaft
Im BMU glaubt man, dass die GAP-Reform, auf die sich die Agrarminister der EU im Oktober geeinigt hatten, nicht ausreicht, um Biodiversitätsstrategie und Farm-to-Fork-Strategie im Rahmen des Green Deals umzusetzen. Stattdessen möchte man nun bei der Umsetzung eines klimagerechten Agrarsektors auf die Mitgliedstaaten setzen. Beim Agrarkongress 2021 soll deshalb der Vorschlag des BMU für den GAP-Strategieplan mit ExpertInnen aus Wissenschaft, Politik und Praxis diskutiert werden.
Dieser Strategieplan hat keinen geringeren Anspruch, als den Agrarsektor zukunftsfähig zu machen. Dabei geht es laut Alexander Müller, Geschäftsführer des TMG Thinktank, um viel mehr als die Vereinbarung von Agrar- und Umweltpolitik. Er glaubt, ein Gesellschaftsvertrag könnte eine längst überfällige Debatte auslösen: “Gesellschaftsvertrag bedeutet, dass wir Umwelt, Landwirtschaft, Gesundheit, Wasserwirtschaft, Verbraucher und alle, die mit Lebensmitteln zu tun haben, so zusammenführen, dass wir uns einigen können in elementaren Fragen: Was wollen wir von der Landwirtschaft und was sind wir bereit, dafür zu bezahlen?”.
Brüssel benennt Probleme des deutschen Agrarsektors
Am Schluss dieses Gesellschaftsvertrages müsse eine Antwort auf die Frage stehen, wie man gemeinsam zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft beitragen kann, sagt Müller im Gespräch mit EURACTIV Deutschland. Dass es Handlungsbedarf gibt, steht für ihn fest, spätestens seit die EU-Kommission im Dezember ihre Empfehlung für die Umsetzung der GAP in Deutschland abgegeben hat.
Darin benennt die Kommission eklatante Strukturprobleme der deutschen Landwirtschaft, die weit über Fragen des Klimaschutzes im Agrarsektor hinausgehen. Zum Beispiel fordert die EU Deutschland auf, die Position der Landwirte in der Wertschöpfungskette bei der Lebensmittelproduktion zu stärken und den nationalen Agrarsektor attraktiver für junge Landwirte zu gestalten. Aber es werden auch Probleme bei der Klimaanpassung, der Biodiversität und beim Wasser- und Boden-Management beschrieben.
Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung mehr denn je gefordert, dafür zu sorgen, dass die neue GAP in Deutschland auch tatsächlich dafür sorgt, dass öffentliches Geld für öffentliche Güter ausgegeben wird – also Agrar-Subventionen für nachhaltige Landwirtschaft. Alexander Müller plädiert deshalb für einen Paradigmenwechsel: “Wer glaubt, dass Business as usual irgendeine Lösung beinhaltet, der irrt sich.” Deshalb werde man neue Ansätze brauchen. Die derzeitige GAP-Einigung reicht dem ehemaligen Staatssekretär (2001-2005) im BMEL nicht aus. Darum betrachtet er den heutigen Agrarkongress als wichtige Ressource, um die unterschiedlichen Interessen zusammenzubringen.