This article is part of our special report Landwirtschaftsbeziehungen EU-Afrika: Wie geht es weiter?.
Kritiker, die die Auswirkungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU auf Entwicklungsländer in Afrika monieren, haben nach Ansicht eines GAP-Experten eine „übertriebene Sicht“ auf die Bedeutung der GAP außerhalb Europas. Einige spezifische Bereiche und bestimmte Produkte geben dennoch weiterhin Anlass zur Sorge, räumt auch er ein.
Auf globaler Ebene macht die EU etwa 15 Prozent des Welthandels aus; sie sei also „keineswegs ein dominanter Akteur“, so Alan Matthews, ehemaliger Professor für europäische Agrarpolitik am Trinity College in Dublin.
Im Gespräch mit EURACTIV.com betont er, das Export-Wachstum lasse sich hauptsächlich auf Asien und nicht auf Afrika zurückführen. Er weist jedoch auch darauf hin, dass die EU eine engere Beziehung zu Westafrika pflege, wo EU-Produkte etwa 50 Prozent der Importe ausmachen.
Seine Kommentare kommen vor dem Hintergrund einer intensiven Auseinandersetzung mit der GAP in den vergangenen Jahren, wobei Kritiker bemängeln, die EU-Agrarpolitik „bestrafe“ insbesondere Kleinbauern in Entwicklungsländern, die sich einem unfairen Wettbewerb mit europäischen Erzeugern und Konzernen gegenüber sehen.
Diese unzweifelhaft bestehenden Probleme würden jedoch oft überschätzt oder missverstanden, meint Matthews: „Wenn man es aus einer globalen Perspektive betrachtet, konzentriert sich die Kritik an der GAP vor allem auf eine Handvoll Produkte“, sagt er und hebt dabei Milchpulver, gefrorenes Geflügel, Zwiebeln und Tomatenmark hervor.
Mit diesen Produkten hatte er sich auch in einem Bericht für das Jahr 2019 eingehend beschäftigt. Dabei ging es um die „sehr spezifischen Probleme bei diesen Produkten und in dieser Region, und nicht um die allgemeine Kritik, dass die GAP die EU-Exporte generell subventioniert,“ fügt Matthews hinzu.
Negative Sicht auf die GAP „veraltet“?
Ein Großteil der Missverständnisse und Kritik im Zusammenhang mit der GAP sei veraltet und stamme aus der Zeit, als die EU noch aktiv Exportsubventionen einsetzte, so Matthews. Obwohl die Kritik zu dieser Zeit „völlig berechtigt“ gewesen sei, ist sie heute nicht mehr das Hauptthema, betont Matthews, der sich selbst als „ausgesprochenen Kritiker“ der GAP sieht.
Er fügt jedoch hinzu, dass es immer noch einige spezifische Bereiche gibt, die in der EU-Agrarpolitik Anlass zur Sorge geben. Insbesondere weist er darauf hin, dass die sogenannte gekoppelte Stütze im EU-Milchsektor weiterhin Anwendung findet. Wirtschaftlich mache dies zwar nicht viel aus, sei aber dennoch eine „legitime Quelle der Kritik“.
Eine Reduzierung oder Abschaffung der gekoppelten Stütze wäre demnach ein Schritt in die richtige Richtung. Es sei aber nicht davon auszugehen, dass dies in absehbarer Zeit auf der Tagesordnung der EU stehe, so der Forscher.
In anderen Bereichen, wie beispielsweise bei der internen Konvergenz, zeigt sich Matthews optimistischer, obwohl vieles vom Ergebnis der laufenden Verhandlungen über die Zukunft der GAP zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission abhängen dürfte.
Werbung für die Privatwirtschaft
Aus Matthews Sicht ist es dennoch wichtig, die Auswirkungen der EU-Politik in anderen Ländern weiterhin im Auge zu behalten – vor allem angesichts der Tatsache, dass mit der COVID-19-Pandemie die Zahl der Hungernden wahrscheinlich deutlich ansteigen wird und dass Länder mit weniger Reaktionsmöglichkeiten am heftigsten betroffen sein dürften.
„Es besteht kein Zweifel, dass diese Länder stärker betroffen sind. Ich bin nur nicht wirklich davon überzeugt, dass die GAP ein derart relevantes Instrument diesbezüglich ist,“ fasst er zusammen und erinnert, dass afrikanische Länder bereits komplett zollfreien Zugang zum EU-Markt haben.
Matthews ist daher sicher: „Was benötigt wird, ist Entwicklungsunterstützung, und weniger etwas, das wir im Rahmen der GAP tun können.“
Matthews fügt hinzu, dass die Entwicklung von öffentlich-privaten Partnerschaften ebenfalls ein effektiverer Weg für positive Veränderungen sein könnte als die GAP.
Er warnt jedoch, dass dies mit Vorsicht angegangen werden müsse, da bei Investoren in Afrika nicht unbedingt die Armut der Menschen vor Ort im Fokus stehe. Dennoch: „Wenn man das betriebswirtschaftliche Know-how privater Unternehmen nutzen kann und dazu noch etwas öffentliches Geld, könnte sich tatsächlich ein gutes Programm entwickeln.“
Als Beispiel verweist er auf Molkereiriesen wie den irischen Milchverarbeiter Arla und den Nahrungsmittelkonzern Glanbia. Beide betreiben Fabriken in Nigeria.
[Bearbeitet von Gerardo Fortuna/Zoran Radosavljevic/Tim Steins]