Mehlwürmer sind laut einem neuen Gutachten der EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ohne Bedenken für den menschlichen Verzehr geeignet. Das ebnet den Weg für eine erste EU-weite Marktzulassung.
Das Gutachten, das am gestrigen Mittwoch veröffentlicht wurde, ist die erste Risikobewertung der EFSA zu einer „Lebensmittelanwendung auf Insektenbasis“. Es betrifft speziell die Sicherheit des gelben Mehlwurms als sogenanntes neuartiges Lebensmittel. Dieser wurde sowohl als ganzes getrocknetes Insekt als auch in Form von Pulver als sicher eingestuft.
Der entsprechende Antrag war von der französischen Firma EAP Group Agronutris im Jahr 2018 eingereicht worden.
Zwar sind insektenbasierte Lebensmittel nach wie vor ein Nischenprodukt, werden jedoch als vielversprechende Lösung für die Nachhaltigkeitsherausforderungen in der Lebensmittelindustrie angesehen. Schließlich bieten sie eine nachhaltige Proteinquelle, die mit minimalen Ressourcen kultiviert werden kann.
Die EFSA kam zu dem Schluss, dass das Insekt unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen sicher sei, wies jedoch auf einige kleinere Bedenken hin, insbesondere in Bezug auf Personen mit Allergien gegen Krustentiere oder Hausstaubmilben. Daher empfiehlt sie „weitere Untersuchungen über die Allergenität des gelben Mehlwurms“.
„Diese Risiken sind den Insektenproduzenten in der Tat bekannt,“ erklärt derweil Antoine Hubert, Präsident der Internationalen Plattform für Insekten als Lebens- und Futtermittel (IPIFF). Hubert sieht die EFSA-Stellungnahme als „einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer breiteren Kommerzialisierung von essbaren Insekten in der EU“.
Weiter betont er: „Wissenschaftliche Studien haben solche [Allergie-Effekte] bereits beschrieben, und mehrere insektenproduzierende Unternehmen haben eingehende Nachweise und Methoden entwickelt, die bei der Abschwächung solcher Risiken helfen.“
Zeit für Regulierung
Des Weiteren fordert Hubert die EU-Institutionen auf, nun passende Kennzeichnungsvorschriften zu entwickeln, um die (zukünftigen) Verbraucherinnen und Verbraucher angemessen über insektenbasierte Nahrung zu informieren.
Ermolaos Ververis, wissenschaftlicher Referent im EFSA-Referat NUTRI, erklärte ebenfalls, diese erste Risikobewertung eines Insekts als „neuartiges Lebensmittel“ durch die EFSA sei ein „entscheidender und notwendiger“ Schritt bei der Regulierung derartiger Lebensmittel. Dieser werde die politischen Entscheidungsträger in der EU dabei unterstützen, wissenschaftsbasierte Entscheidungen zu treffen und die Sicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewährleisten.
„Die Sicherheitsbewertungen von Insekten und [insektenbasierten] Produkten als neuartige Lebensmittel“ durch die EFSA seien in jedem Fall „ein wichtiger Beitrag zur Innovation in diesem Sektor.“
Die Kommission soll nun innerhalb von sieben Monaten einen Entwurf für einen Rechtsakt zur Genehmigung der Markteinführung an den Ständigen Ausschuss übermitteln.
„Wir hoffen, dass diese letzten Schritte dazu führen werden, dass die Vermarktung dieses Produkts ab Mitte 2021 zugelassen wird,“ kommentierte IPIFF-Generalsekretär Christophe Derrien.
„Neuartige Lebensmittel“
Neuartige Lebensmittel werden in der EU definiert als Nahrungsmittel, die vor dem 15. Mai 1997 (als die ersten Rechtsvorschriften für derartige Lebensmittel in Kraft traten) nicht in nennenswertem Umfang in Europa konsumiert wurden. Dabei muss es sich entweder um neu hergestellte oder zusammengesetzte Verbindungen handeln, die aus neuen Nahrungsmittelquellen stammen oder mit neuen Technologien hergestellt wurden, oder um Lebensmittel, die außerhalb der EU bereits zuvor traditionell verzehrt wurden.
In dem Bestreben, es Lebensmittelunternehmen zu erleichtern, neue und innovative Produkte einfacher und schneller auf den EU-Markt zu bringen und gleichzeitig ein hohes Maß an Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten, trat im Januar 2018 eine aktualisierte EU-Verordnung über neuartige Lebensmittel in Kraft.
Seitdem sind bei der EFSA 15 Anträge für diese sogenannten neuartigen Lebensmittel im Zusammenhang mit Insekten eingegangen. Für elf davon wurde die Risikobewertung eingeleitet, die restlichen vier befinden sich in der grundsätzlichen Eignungsprüfung.
[Bearbeitet von Benjamin Fox und Tim Steins]