Fragwürdige Neutralität: Ungarischer Minister eröffnet Ohne-Gentechnik-Konferenz

Die Organisatoren der Veranstaltung bestätigten Euractiv, dass der ungarische Landwirtschaftsminister Nagy (Bild), die EU-Ratspräsidentschaft bei der Veranstaltung vertritt. [EPA-EFE/OLIVIER HOSLET]

István Nagy, der derzeitige EU-Ratsvorsitzende für Landwirtschaft und Fischerei, wird die Eröffnungsrede auf der Konferenz zur Zukunft Ohne-Gentechnik halten. Damit stellt er seine Neutralität als „ehrlicher“ Vermittler infrage, denn die neue Gentechnik wird aktuell heiß auf EU-Ebene debattiert.

Am 7. und 8. Oktober findet in Frankfurt die internationale Konferenz zur Zukunft der Ohne-Gentechnik-Wirtschaft 2024 (Non-GMO) statt. Die Konferenz über genetisch veränderte Organismen hat am 27. August in einer veröffentlichten Pressemitteilung einige seiner Gastredner bekannt gegeben.

Der Gipfel ist die größte Zusammenkunft der Industrie, die sich gegen genetisch veränderten Organismen ausspricht und die Produktion von Lebens- und Futtermitteln ohne Gentechnik fördert. Dieser Sektor stellt sicher, dass die in den verschiedenen EU-Staaten verwendeten Kennzeichnungssysteme für frei von gentechnisch veränderte Produkte eine Reihe von Anforderungen erfüllen.

Die Organisatoren der Veranstaltung bestätigten Euractiv, dass der ungarische Landwirtschaftsminister Nagy, die EU-Ratspräsidentschaft bei der Veranstaltung vertritt. Dies ist eine provokante Wahl angesichts der deutlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedsstaaten über genmanipulierte Pflanzen. Sie ergänzten jedoch, dass er als „nationaler Minister“ sprechen werde, insbesondere aufgrund des fehlenden Konsenses im Rat über die neue Verordnung über genomische Techniken (NGT).

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hatte die ungarische EU-Ratspräsidentschaft noch nicht auf Euractivs Anfrage nach weiteren Erklärungen geantwortet.

Neben Nagy wird auch die deutsche Staatssekretärin Silvia Bender – in Vertretung des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir – eine Eröffnungsrede bei der Veranstaltung halten. Die Anwesenheit der beiden Beamten unterstreicht „die Bedeutung der gentechnikfreien Industrie in Europa“, heißt es in der Pressemitteilung.

Besonders stark ist der Ohne-Gentechnik-Sektor in Deutschland, wo der Umsatz mit „Ohne GenTechnik“-Lebensmitteln im Jahr 2023 einen Rekordwert von 17,4 Milliarden Euro erreicht hat. In Österreich, wo die gesamte Milch- und Eierproduktion gentechnikfrei ist, wurde ein Umsatz von 2,5 Milliarden Euro erzielt.

Derzeit ist in der EU nur eine einzige gentechnisch veränderte Kulturpflanze zum Anbau zugelassen – eine insektenresistente Maissorte, die in Spanien angebaut wird. Die EU importiert jedoch jährlich Millionen von Tonnen gentechnisch veränderter Pflanzen, vor allem als Tierfutter.

Ungarns Haltung

Nagys Ablehnung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ist bekannt. Sie ist ebenfalls in der ungarischen Verfassung von 2012 verankert, die den Grundsatz einer „gentechnikfreien“ Landwirtschaft festschreibt.

Budapest lehnt auch den Vorschlag der Europäischen Kommission ab, der seit Monaten im Rat blockiert wird. Darin soll die Verwendung von neuen genomischen Techniken in der EU erleichtert werden.

EU findet keine Einigung über neue Genomtechniken

Diskussionen über den belgischen Vorschlag, um einen Stillstand bei einer Gesetzgebung für neue Genomtechniken zu überwinden, wurde von der Agenda des EU-Botschaftertreffens am 26. Juni gestrichen. Einige Mitgliedsstaaten, insbesondere Polen, konnten nicht überzeugt wurden.

Die Teilnahme an der Konferenz wird wahrscheinlich zu Reibereien innerhalb des Rates führen. Die EU-Präsidentschaft gilt normalerweise als „ehrlicher“ und „neutraler“ Vermittler. Nun soll sie jedoch die Verhandlungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten über die neuen Regeln für neue Techniken in der Biotechnologie leiten.

Ungarns Neutralität wurde diesbezüglich bereits infrage gestellt.

Im Juli schlug Ungarn vor, die Verhandlungen über das Gentechnik-Gesetz von Grund auf neu zu beginnen. Dabei geht es auch um Fragen, für die die spanische und die belgische Ratspräsidentschaft bereits einen Kompromiss gefunden hatten, wie etwa die Gleichwertigkeit von genetisch veränderte Organismen und konventionellen Kulturen.

EU-Diplomaten kritisierten den ungarischen Ansatz, da er wenig Raum für Fortschritte lasse.

[Bearbeitet von Angelo Di Mambro und Rajnish Singh]

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