This article is part of our special report Nachhaltige Landwirtschaft: Zwischen GAP-Reform und Green Deal.
Die EU sollte ihren Einsatz in Sachen Innovation erhöhen, wenn sie hohe landwirtschaftliche Produktion mit der Vision einer nachhaltigeren Zukunft in Einklang bringen will. Das fordern jedenfalls diverse EU-Politikerinnen und -Politiker, die davor warnen, dass die Union bei den Agrar-Innovationen bereits „hinterherhinkt“.
Die Leiterin der Abteilung Forschung und Innovation der GD AGRI der EU-Kommission, Kerstin Rosenow, unterstrich kürzlich erneut die Bedeutung von Wissen und Innovation als „Schlüsselfaktoren und Wegbereiter für die Beschleunigung des Übergangs zu nachhaltigen, gesunden und integrativen Agrar- und Ernährungssystemen“.
Bei einer Debatte des AGRI-Ausschusses des EU-Parlaments über die Förderung von Innovationen und neuen Technologien für eine nachhaltige Landwirtschaft erklärte sie weiter, Forschung könne „dabei helfen, neue Lösungen zu entwickeln und zu testen – Lösungen, die wir wirklich brauchen, um die heutigen Nachhaltigkeitsherausforderungen, auch in Bezug auf den EU Green Deal, zu bewältigen oder noch viel stärker zu akzentuieren, um Hürden zu überwinden und um neue Marktchancen zu entdecken.“
Ähnlich äußerte sich Stefano Patuanelli kürzlich vor seinem ersten AGRIFISH-Ratstreffen als Italiens neuer Landwirtschaftsminister. Auch er hob die Bedeutung von Innovationen für einen grünen Wandel hervor: „Ich glaube, es gibt gute Gründe für die Annahme, dass die Landwirtschaft diesen Sprung zu mehr Produktivität und Einkommen machen kann. Diese [erhöhte Produktivität] kann dann durch weitere Innovation besser in der Lieferkette verteilt werden.“
Der Innovationsbedarf wird ebenso in der neuen EU-Lebensmittelpolitik, der „Farm to Fork“-Strategie (F2F), aufgegriffen. Dort heißt es, Forschung und Innovation seien wichtige Triebkräfte, um den Übergang zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen von der Primärproduktion bis zum Konsum zu beschleunigen. Als Teil dieser Bestrebungen wird in der F2F-Strategie vorgeschlagen, zehn Milliarden Euro für Forschung im Sektor auszugeben, ebenso wie für die Nutzung digitaler Technologien und „naturbasierter Lösungen“ in der Agrar- und Ernährungswirtschaft.
Die Förderung von Innovationen ist außerdem eine der Hauptprioritäten bei der Reform des EU-Subventionsprogramms für die Landwirtschaft, der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP): „Durch die zukünftige GAP werden Anreize für mehr Investitionen in Forschung und Innovation geschaffen und Landwirtinnen und Landwirte sowie ländliche Gemeinschaften in die Lage versetzt, auch davon zu profitieren,“ heißt es in einer Kommissionsmitteilung.
Die Kommission hat sich ferner dazu verpflichtet, mit den Mitgliedsstaaten zusammenzuarbeiten, um die Rolle der Innovation in den jeweiligen nationalen Strategieplänen für die neue GAP zu stärken. Ziel sei es, „die Strukturierung und Organisation nationaler innovativer Ökosysteme zu fördern“.
Während die Notwendigkeit von Innovationen zur Erreichung der ambitionierten Ziele also Konsens zu sein scheint, haben insbesondere Abgeordnete des Europäischen Parlaments Sorge, dass die EU in bestimmten Bereichen „hinterherhinkt“.
Während der Debatte im AGRI-Ausschuss äußerte die Abgeordnete Mazaly Aguilar von der erzkonservativen EKR-Fraktion die Befürchtung, dass die EU zu einem „Landwirtschaftsmuseum verkommen“ könnte, wenn sie dem Agrarsektor neue Beschränkungen auferlege, ohne gleichzeitig neue Chancen zu eröffnen. Aufgrund veralteter und restriktiver Ansätze gebe es einen „Engpass“ für bestimmte Arten von Innovationen. Sie verwies dabei unter anderem auf „innovative Ansätze“ in der Gentechnik.
Auch der sozialdemokratische MEP Juozas Olekas warnte, die EU bleibe bei derartigen Gen-Innovationen in der Pflanzenzüchtung „deutlich hinter dem Rest der Welt zurück“. Es brauche aber ebenso Innovationen in einer Reihe anderer Bereiche, darunter Tierhaltung und die notwendige Schonung natürlicher Ressourcen wie Wasser und Nährstoffen in den Böden.
Adrián Vaquez Lazara von der liberalen Fraktion Renew Europe hob seinerseits hervor, dass es eine „Lücke“ zwischen den Farm to Fork-Ambitionen und der Realität vor Ort gebe. Er stellte in Frage, ob die Strategie tatsächlich genügend Instrumente bereithält, um sicherzustellen, dass die europäische Landwirtschaft den notwendigen technologischen Wandel vollziehen kann.
Sollte dies nicht der Fall sein, hätte dies auch Auswirkungen auf die Umwelt- und Klimaziele der EU. Yvonne Colomer, Geschäftsführerin der spanischen Triptolemos-Stiftung, die sich für ein nachhaltiges globales Lebensmittelsystem einsetzt, betonte, dass die EU in dieser Hinsicht „den Anschluss nicht verpassen darf“.
Sie warnte, man könne es sich nicht leisten, jetzt in Rückstand zu geraten. Sollte dies dennoch geschehen, „werden wir es später bereuen. Und wir werden auch verstehen, dass dies enorme wirtschaftliche Konsequenzen hat.“ Ihre Stiftung fordere daher: „Um die Nachhaltigkeit unserer Landwirtschaft zu sichern, müssen die Landwirte die Freiheit haben, diejenigen Tools und Praktiken zu wählen, die am besten für ihre spezifischen Bedürfnisse und ihr landwirtschaftliches Umfeld geeignet sind.“
Colomers Ansicht zufolge dürfte es sich als „gefährlich“ erweisen, einzelne Ansätze von vornherein auszuschließen.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]