Die politischen Entscheidungsträger der EU müssen sich bald der Herausforderung stellen, die landwirtschaftlichen Beihilfen des Blocks im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik in die ehrgeizige neue Umweltpolitik der Europäischen Kommission zu integrieren.
Die neue Kommission unter Ursula von der Leyen versucht, mit ihrem „Green Deal“ den Weg für das Ziel Klimaneutralität bis 2050 zu ebnen. Die ersten konkreten Initiativen im Rahmen des Green Deal sollen in diesem Frühjahr vorgelegt werden.
Es ist zu erwarten, dass der europäische Landwirtschaftssektor eine wichtige Rolle bei diesem umfangreichen Projekt spielen wird. So dürfte beispielsweise die angekündigte-Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ (engl. „Farm to Fork“, F2F) nicht nur darauf ausgerichtet sein, die landwirtschaftlichen Praktiken nachhaltiger zu gestalten, sondern auch eine neue Form der integrierten Lebensmittelpolitik zu entwerfen, die alle Teile der Lieferkette einbezieht.
Aus Sicht des italienischen MEP Herbert Dorfmann, Koordinator der konservativen Europäischen Volkspartei im Landwirtschaftsausschuss des EU-Parlaments, ist das Konzept der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft inzwischen absolut notwendig geworden: „Wenn ein noch so hochwertiges Produkt heutzutage nicht wenigstens einige nachhaltige Aspekte aufzuweisen hat, kann es kaum als [wirklich hochwertiges Produkt] betrachtet werden,“ sagte er gegenüber EURACTIV.com.
Dorfmann fügte hinzu, dass die Landwirtschaft aber ein Interesse daran hat, hochwertige Produkte zu produzieren. Die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit sei somit auch im Landwirtschaftssektor deutlich vernehmbar.
Im vergangenen November nahm das Plenum des Europäischen Parlaments darüber hinaus eine unverbindliche Entschließung an, in der der Klimanotstand erklärt wurde. Damit wurden die Kommission und auch die EU-Mitgliedsstaaten unter Druck gesetzt, einen möglichst ambitionierten Green Deal vorzulegen.
„Ich teile voll und ganz die Bedenken der EU-Parlamentsabgeordneten. Die Landwirtschaft muss zu den EU-Klimazielen für 2050 beitragen und sollte Teil der Lösung sei,“ betonte die kroatische Landwirtschaftsministerin Marija Vučković kürzlich in einem Interview mit EURACTIV.com.
Sie mahnte jedoch: „Gleichzeitig sollten wir die Schlüsselrolle der europäischen Landwirte bei der Gewährleistung der Ernährungssicherheit nicht vergessen. Wir brauchen daher einen ausgewogenen Ansatz.“
Die GAP und der Green Deal
Vertreterinnen und Vertreter der EU-Landwirtschaftsministerien haben wiederholt die Ansicht geäußert, dass die künftigen GAP-Subventionen durchaus dazu genutzt werden könnten, Maßnahmen in Richtung Kohlenstoffneutralität zu fördern. Beispielsweise könnten den Bäuerinnen und Bauern Anreize für die Einführung sogenannter „grüner“ Produktionsmethoden geboten werden.
Das Thema wurde beim EU-Ministerratstreffen am 27. Januar diskutiert, bei dem die EU-Exekutive ihre Analyse startete, ob ihr GAP-Reformvorschlag (der in seiner bisherigen Form aus dem Jahr 2018 stammt) mit den im Green Deal formulierten Zielen noch übereinstimmt.
„Lassen Sie es mich klar sagen, es geht hier nicht um eine Änderung unseres Vorschlags“, machte Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski den Ministerinnen und Ministern damals deutlich. Für die Kommission sei aber wichtig, „zu verstehen, wie wir uns in den Verhandlungen positionieren müssen, um sicherzustellen, dass unsere [Klima- und Umweltziele] auch erreicht werden.“
Der EU-Agrarchef wies außerdem darauf hin, dass die GAP-Reform das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich angehen und somit auch die wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen berücksichtigen müsse.
Daher solle ein „angemessenes“ Budget zur Unterstützung der Landwirte, die nachhaltigere Landwirtschaftssysteme entwickeln, sichergestellt werden.
Nicht alles neu
Verbindliche Maßnahmen zur Ökologisierung sind dabei nicht neu. Vielmehr wurden sie bereits mit der GAP-Reform 2013 eingeführt und machen seitdem 30 Prozent des Budgets für Direktzahlungen aus. Die Europäische Kommission hat nun vorgeschlagen, diesen Anteil für den Klima- und Umweltschutz innerhalb der kommenden GAP-Ausgaben auf 40 Prozent zu erhöhen.
Für Kommissar Wojciechowski enthält der bisherige GAP-Vorschlag der Kommission bereits viele Elemente, die den Sektor in die Lage versetzen können, die ambitionierten Ziele des Green Deal zu erreichen. Dazu zähle er etwa die Fokussierung auf die Ergebnisse der strategischen Klimapläne, die Öko-Regelungen in der ersten Säule sowie Verbesserungen des Konditionalitätssystems.
„Manchmal tun die Leute so, als ob wir bei Null anfangen würden. Aber dort, wo die GAP richtig umgesetzt wurde, haben wir bereits viel Engagement für den Umweltschutz, zum Beispiel durch die Öko-Programme,“ hielt auch der Europaabgeordnete Dorfmann fest.
Ähnlich sieht dies der Vorsitzende des Landwirtschaftsverbands Copa-Cogeca, Pekka Pesonen. Er beobachte in dieser Hinsicht oftmals einen „kleinsten gemeinsamen Nenner“ bei Kommentaren zu neuen GAP-Reformen: „Egal, was getan wird, die allgemeine Auffassung ist, dass vorher nichts getan wurde.“
Aus Sicht der Bäuerinnen und Bauern heiße dies aber vor allem: „Schon bei den ersten Ökologisierungsmaßnahmen sagten einige, dass wir jetzt etwas Dramatisches tun müssten. Vom Standpunkt der Landwirte aus heißt das meist, dass wir für weniger Geld ein weiteres Level an Anforderungen erfüllen sollen.“
Behutsam vorgehen & alle Partner einbinden
Seit der Veröffentlichung der Kommissionsmitteilung zum Green Deal im Dezember letzten Jahres verfolgen die Landwirtschaftsverbände einen eher zurückhaltenden Ansatz in Bezug auf die Kombination aus Green Deal, F2F und neuer GAP-Gesetzgebung.
Pesonen selbst erklärte, seine Organisation werde noch nichts Konkretes zur F2F-Strategie sagen, da es „immer noch große Fragezeichen“ in Bezug auf verfahrenstechnische Bedenken sowie ein Bedürfnis nach eindeutigeren Regelungen gebe.
Für ihn sei daher noch unklar, ob die Europäische Kommission einen Vorschlag vorlegen kann, der es den Landwirten und dem Rest der Wertschöpfungskette tatsächlich ermöglicht, das zu liefern, was Brüssel in Bezug auf Nachhaltigkeit und Mehrwert für die Verbraucherinnen und Verbraucher versprochen hat.
Die Zusammenarbeit mit diesen anderen Teilen der Lebensmittelversorgungskette sei jedoch nach wie vor von entscheidender Bedeutung für die Umsetzung der Klimaagenda, betonte auch er: „Wir arbeiten als Teil der Lebensmittel- und Wertschöpfungskette mit allen anderen Partnern zusammen. Und: Wir brauchen alle unsere Partner sowohl im vorgelagerten als auch im nachgelagerten Bereich – bis hin zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern.“
(Bearbeitet von Benjamin Fox und Tim Steins)