This article is part of our special report Der Green Deal und die Landwirtschaft: Von Worten und Taten.
Die neue Lebensmittelpolitik der EU muss sich nun einer – vermutlich sehr harten – Prüfung durch die EU-Parlamentsabgeordneten stellen. Diese fühlen sich von der EU-Kommission übergangen.
Seit Anfang 2021 bemüht sich das EU-Parlament sehr aktiv, einen Beitrag zur Farm to Fork-Strategie (F2F), dem Agrar- und Lebensmittelteil des europäischen Green Deal, zu leisten.
Obwohl sie in letzter Zeit durch den Fokus auf die laufenden Verhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) etwas in den Schatten gestellt wurde, bleibt die F2F-Strategie eine wohl entscheidende Politik dafür, die europäischen Nahrungsmittelsysteme nachhaltiger zu gestalten.
Die in der Strategie enthaltenen Maßnahmen sowie die – aus Sicht einiger begrüßenswerten; aus Sicht anderer kontroversen – Ziele dürften die EU-Landwirtschaft in den kommenden Jahrzehnten prägen.
Die Abstimmung in den beiden zuständigen Parlamentsausschüssen ist aktuell für Anfang Mai geplant; laut einer EU-Quelle planen die Abgeordneten, die endgültige Zustimmung beim Juni-Plenum zu geben.
Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (ENVI) hat sich darauf geeinigt, die Zuständigkeit für das Dossier mit den Kolleginnen und Kollegen des Landwirtschaftsausschusses (COMAGRI) zu teilen – ein Zeichen des Entgegenkommens nach den jüngsten Querelen um die Reform der EU-Agrarsubventionen.
Schlechte Stimmung
Zwei gemeinsame Debatten wurden bereits den zahlreichen offenen Fragen gewidmet. Die Hauptthemen – und fragen der F2F tauchen allerdings auch in anderen Anhörungen immer wieder auf.
Die jüngste war eine Debatte über die Revision der EU-Agrarförderungspolitik, in der sich der COMAGRI-Vorsitzende Norbert Lins darüber beschwerte, dass das Parlament nicht ordnungsgemäß zum Vorstoß für ökologischen Landbau konsultiert wurde. Dieser ist Teil der F2F-Strategie.
„Sie haben uns immer gesagt, dass die F2F-Strategie eine offene Debatte sein soll; dass Sie sich unsere Argumente anhören würden, und dennoch hat sich das Parlament bis jetzt nicht wirklich zu diesem Dossier geäußert,“ monierte seinerseits der Generaldirektor der GD AGRI der Kommission, Wolfgang Burtscher.
Die Mehrheit im Europäischen Parlament stimmte gegen die Aufnahme der F2F-Ziele und -Vorgaben in das Mandat zur Verhandlung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die derzeit in den sogenannten Trilog-Gesprächen stattfindet.
Abgeordnete der drei größten Fraktionen – Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale – haben wiederholt die Gesetzgebungskompetenz des Parlaments bekräftigt und betont, dass die F2F eine Strategie der Kommission ist und als solche eine politische Verpflichtung für die kommenden Jahre darstellt, aber eben kein verbindlicher Text ist.
Die „Antragsschlacht“
Die erste und möglicherweise größte Herausforderung für die Abgeordneten ist die beeindruckende Anzahl von Änderungsanträgen – insgesamt 2.297 -, die bisher eingereicht wurden.
„Ich vermute, dass viele von ihnen identisch sein werden, so dass sich die Anzahl reduzieren wird,“ zeigte sich Herbert Dorfmann, einer der beiden Berichterstatter des Parlaments zu diesem sensiblen Dossier, gegenüber EURACTIV.com eher gelassen.
Laut einer EU-Quelle zeigte das erste Screening tatsächlich, dass über 200 Änderungsanträge Verweise auf andere Dokumente sind. Dies könne als Versuch angesehen werden, den Prozess zu verlangsamen. Mehr Klarheit soll es in den kommenden Wochen nach einem Urteil des juristischen Dienstes des Parlaments geben.
„Mehr als 2.000 Anträge sind eine Menge. Wir werden versuchen, damit umzugehen“, sagte Dorfmann und führte die große Anzahl von Änderungsanträgen darauf zurück, dass die F2F-Strategie viele Einzelinteressen abdecke – von den Landwirten über die verarbeitende Industrie und den Einzelhandel bis hin zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Das wird die Hauptaufgabe der beiden Berichterstatter zu diesem Dossier sein: Dorfmann und die Europaabgeordnete Anja Hazekamp als Berichterstatterin für den Umweltausschuss.
Die beiden haben recht unterschiedliche Persönlichkeiten und Weltanschauungen: Hazekamp ist Mitglied der niederländischen Partei für die Tiere und engagiert sich für Themen wie Umwelt und Tierschutz, während Dorfmann Agrarwissenschaftlerin ist und als „näher“ an den Interessen der Landwirte wahrgenommen wird.
Wie weiter?
Diese Diversität der BerichterstatterInnen wird jedoch als der Schlüssel angesehen, um sicherzustellen, dass alle Seiten gehört werden. In den vergangenen Monaten standen mehrere Streitpunkte im Mittelpunkt der „F2F-Schlacht“: die Zielvorgaben für Pestizide, die mögliche Umstellung auf eine pflanzlichere Ernährung oder der nicht enden wollende Streit um die verpflichtende Kennzeichnung auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen.
Doch auch die Rolle der Landwirte in diesem Übergang zu nachhaltigeren Lebensmittelsystemen wird in den Debatten der Abgeordneten bisher sehr stark berücksichtigt.
Das EU-Parlament zeigt sich also überaus gewillt, seinen konstruktiven Beitrag zu leisten. Es gibt jedoch einen Vorbehalt: Die Abgeordneten werden die Strategie selbst nicht komplett ändern. „Wir haben diese Möglichkeit nicht, also wird die Strategie im Großen und Ganzen so bleiben, wie sie ist“, erklärte Dorfmann. Laut dem Abgeordneten aus Südtirol sollte der Abschlussbericht der Kommission deutlich machen, für welche Ideen es eine Mehrheit im Europäischen Parlament gibt.
Das Hauptaugenmerk liege somit nicht darauf, die Strategie zu beeinflussen, sondern auf den insgesamt 37 Gesetzestexten, die in den kommenden Jahren zur Umsetzung der Strategie folgen werden.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic]