Bundesregierung schränkt Tiertransporte in Nicht-EU-Länder ein

Ziel ist es laut dem Ministerium, “den Tierschutz beim Transport weiter zu stärken.” Einem kompletten Transportverbot für lebende Tiere in Drittländer kommt der Schritt jedoch nicht gleich - dies wäre nur als europäische Regelung möglich. [SHUTTERSTOCK]

Lebendtiertransporte aus Deutschland in Länder außerhalb der EU sollen weiter eingeschränkt werden, wie das Bundeslandwirtschaftsministerium mitteilte. Doch ohne eine EU-weite Regelung könnte der deutsche Vorstoß wenig wirksam bleiben.

Der Transport lebender Tiere über lange Strecken steht wegen des Stresses und den häufig schlechten Bedingungen in der Kritik. Ein Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments hatte im vergangenen Jahr gravierende Mängel und Verstöße gegen Tierschutzregeln festgestellt.

“Wir können nicht länger zusehen, wie Tiere auf langen Transporten leiden oder qualvoll sterben”, erklärte Agrarminister Cem Özdemir in einer Mitteilung am Freitag (28. Oktober).

Der Minister will für sein Transport-Verbot den vollen Spielraum der EU-Regeln ausnutzen. Damit werden auch die anderen Mitgliedstaaten unter Zugzwang gesetzt.

So sollen ab Mitte 2023 von Deutschland ausgegebene sogenannte Veterinärbescheinigungen für Rinder, Schafe und Ziegen zur Zucht zurückgezogen werden. Für Schlacht- und Masttiere hat die Bundesrepublik die entsprechenden Bescheinigungen bereits zurückgezogen.

Ziel ist es laut dem Ministerium, “den Tierschutz beim Transport weiter zu stärken.” Einem kompletten Transport-Verbot für lebende Tiere in Drittländer kommt der Schritt jedoch nicht gleich – dies wäre nur als europäische Regelung möglich.

Özdemir forderte deshalb, rasch auch auf EU-Ebene den Rechtsrahmen für Lebendtiertransporte zu verschärfen.

“Es ist keinem Tier geholfen, wenn nationale Verbote umgangen werden, indem Tiere zunächst in einen anderen Mitgliedstaat gebracht werden, um sie von dort aus in Drittländer zu exportieren”, betonte er.

Die Europäische Kommission müsse nun schnell handeln.

Lebendtiertransporte weiter möglich

Doch auch Exporte in Drittländer direkt aus Deutschland werden mit dem Entzug der Veterinärbescheinigungen nicht verhindert.

Denn nicht nur die Bundesregierung selbst vergibt die Bescheinigungen, diese können auch direkt zwischen dem Exporteur und dem Zielland oder Handelspartner abgestimmt werden.

Lange Schlachttransporte, beispielsweise in Drittländer, als nationale Regierung grundsätzlich zu verbieten, sei jedoch im nationalen und europäischen Rechtsrahmen nicht möglich, erklärte das Ministerium.

Bereits im Juli hatte Özdemir gemeinsam mit seinen Amtskolleg:innen aus Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Schweden in einem Positionspapier ein EU-weites Verbot von Langstreckentransporten lebender Tiere gefordert.

Die Kommission arbeitet aktuell an einer Überarbeitung des europäischen Tierschutzrechts, mit der dieser an die Ziele aus der EU-Flaggschiffstrategie für den Lebensmittelsektor, der Farm-to-Fork-Strategie, angepasst werden soll.

Vor kurzem hatte auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in einem Gutachten empfohlen, die Dauer von Lebendtiertransporten zu verkürzen, um der Verbreitung antibiotikaresistenter Keime vorzubeugen.

Im Januar dieses Jahres hatte zudem das Europäische Parlament Empfehlungen für strengere und wirksamere Tierschutzvorschriften bei Lebendtiertransporten angenommen. Die Abgeordneten forderten unter anderem, in Zukunft immer stärker auf den Transport von Genmaterial oder bereits geschlachteter Tierkörper zu setzen.

Dies ist auch der Weg, den das deutsche Ministerium in Zukunft stärker gehen möchte: Man werde künftig den Fokus “noch mehr” darauf legen, genetisches Material auszutauschen beziehungsweise die Tierzucht bei Handelspartnern zu verbessern.

Dazu stimme man sich derzeit mit Drittstaaten Veterinärzertifikate, beispielsweise für den Export von Rindersamen, ab.

Antibiotikaresistenz: EU-Behörde wirbt für kürzere Tiertransporte

Die Transportzeiten für Tiere sollten verkürzt werden, um das Risiko antibiotikaresistenter Keime zu verringern. Dies geht aus einem neuen wissenschaftlichen Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hervor.

Europäische Lösung gefordert

Tierschützer:innen begrüßten den Vorstoß des Bundesministeriums, sehen aber ohne eine europäische Lösung weiterhin in der Praxis große Lücken.

So bezeichnete die Organisation VIER PFOTEN den Schritt als “wichtiges Zeichen Richtung Europa”. Allerdings habe das Ministerium nicht seinen vollen Handlungsspielraum innerhalb des EU-Rechts ausgenutzt, so die Tierschutzorganisation.

Aus ihrer Sicht kann es durchaus rechtlich möglich sein, den Transport von Lebendtieren in Drittländer im nationalen Alleingang einzuschränken, wenn dies “zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen” geschehe.

“Deutschland ist bei den politischen Bemühungen zum Schutz von Tieren während des Transports seit Längerem an vorderster Front”, erklärte Olga Kikou, Direktorin der Tierschutzorganisation „Compassion in World Farming EU“, in einer Mitteilung.

Wegen der Umgehungsmöglichkeiten über den EU-Binnenmarkt dürften die Maßnahmen auf deutscher Ebene allerdings “für die Nutztiere wenig ändern”, fügte sie hinzu.

Der jüngste Vorstoß des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist nicht das erste Mal, dass Deutschland in Sachen Tierschutz zunächst auf nationaler Ebene vorprescht, um dann die gesamte EU aufzufordern, nachzuziehen.

Erst vor wenigen Wochen hatte Deutschland gemeinsam mit Frankreich ein EU-weites Ende der Tötung männlicher Küken gefordert, nachdem die beiden Länder die Praxis auf nationaler Ebene verboten hatten.

Europäisches Parlament fordert besseren Tierschutz beim Transport

Das EU-Parlament hat Empfehlungen für strengere und wirksamere Tierschutzvorschriften bei Lebendtransporten angenommen. Einige Abgeordnete beklagen jedoch einen Mangel an Ehrgeiz und fordern eine harte Begrenzung der Transportdauer.

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