Erneut hat der Bundesrat heute, Freitag (5. Juni), eine kontroverse Abstimmung über die Kastenhaltung von Schweinen verschoben. Tierschützer und Grüne fordern strengere Auflagen, Landwirte fürchten hohe Kosten – das Problem hängt seit Monaten in der Schwebe.
Bei der gestrichenen Abstimmung handelt es sich um die Frage, wie lange Säue in einem Metallkäfigen fixiert werden dürfen, in denen sie nach derzeitiger Praxis über ein Drittel ihres Lebens verbringen. Momentan werden Säue einige Wochen nach der künstlichen Besamung sowie um den Zeitpunkt der Geburt zwischen Gittern fixiert, in denen sie sich nur minimal nach vorne oder hinten, nicht aber seitlich bewegen können.
Ein Vorschlag des Landwirtschaftsministerium zur Änderungen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sah vor, die Kastenhaltung künftig statt wie bisher 35 Tage auf 5 Tage um die Geburt zu beschränken, die Fixierung im Deckzentrum soll von vier Wochen auf acht Tage reduziert werden. Landwirte sollten bis zu 17 Jahre Zeit haben, ihre Ställe entsprechend umzubauen. Bereits 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt festgestellt, dass die derzeitige Haltung rechtswidrig sei, da die Schweine ihre Beine im Kasten ihre Beine nicht ausstrecken können, zu einer rechtlichen Änderung war es seitdem aber nicht gekommen. Der Vorschlag von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner sieht daher auch eine Vergrößerung der Kästen vor, wonach die Kästen mindestens 220 Zentimeter lang und zwischen 65 und 85 Zentimeter breit sein müssen.
Landwirte müssten Ställe für viel Geld umbauen
Die Fixierung der Säue soll sicherstellen, dass die Chancen einer Befruchtung maximal ist und die Ferkel später nicht von ihren Müttern totgetrampelt werden. Doch Tierschützer fordern seit Jahren die Abschaffung der Schweinekästen. Die Organisation „Land schafft Verbindung“ hatte heute eine Demonstration vor dem Bundesrat organisiert, gleichzeitig versammelten sich Mitglieder der Bauernverbände in Berlin. Sie warnen vor erheblichen wirtschaftlichen Schäden für deutsche Landwirte.
Enno Garbade, Vorsitzender des Ausschusses Sauenhalter im Niedersächsischen Landvolk, war unter den Demonstranten. Vor vier Jahren hat er die Ställe seiner 380 Schweine im Kreis Cuxhaven umgebaut. Sollten die neuen Regelungen in Kraft treten, müsste er erneut umbauen und rund 300.000-400.000 Euro investieren, erzählt er EURACTIV Deutschland. „Neben dem teuren Umbau müsste ich meinen Bestand um 100 Sauen reduzieren. Da kann man sich ja ausrechnen, wie unrentabel das ist“, sagt er.
Das Landwirtschaftsministerium schätzt die Kosten für den Umbau der deutschen Schweineställe auf rund 1,1 Milliarden Euro, wobei immerhin 300 Millionen Euro aus dem diese Woche präsentierten Konjunkturpaket investiert werden könnten.
Grüne stellen sich quer
Bauer Garbade fordert vor allem Rechtssicherheit. „Die Landwirte müssen wissen, unter welchen Bedingungen sie bauen können, oder ob sie die Schweinemast ganz sein lassen, wenn sich das bald nicht mehr lohnt. Unser Hauptproblem ist die politische Hängepartie.“ Bereits im Februar war die Abstimmung von der Tagesordnung des Bundesrates gestrichen worden.
Vor allem die neun grün regierten Bundesländer wollten den Vorschlag Klöckners deutlich verschärfen. Ende Mai legten dann die Länder Nordrhein-Westfalen (CDU und FDP) und Schleswig-Holstein (CDU, Grüne, FDP) einen Kompromissvorschlag vor, der unter anderem vorsieht, die Umbaufrist für Landwirte auf acht Jahre zu verkürzen. Doch auch dieser Vorschlag fand bislang keine Mehrheit.
Die Verbraucherorganisation foodwatch hatte die Grünen Bundesländer dazu aufgerufen, den derzeitigen Vorschlag nicht mitzutragen. „Wer den Schutz von Umwelt, Menschen und Tieren programmatisch so hoch hängt wie die Grünen, kann und darf Regelungen nicht zustimmen, die es erlauben, wehrlose Tiere für viele weitere Jahre in enge Zwangskorsetts aus Eisenstangen zu sperren“, so Matthias Wolfschmidt, Tierarzt und internationaler Strategiedirektor von foodwatch.
Deutschland importiert Ferkel aus dem Ausland
Der deutsche Bauernverband warnt, mit den strengeren Regeln werde die Ferkelerzeugung von Deutschland in die Nachbarländer Niederlande und Dänemark abwandern. Wurden im Jahr 2000 noch 2,5 Mio. Ferkel aus diesen Ländern nach Deutschland eingeführt, seien es inzwischen rund 11 Millionen Ferkel pro Jahr. Im gleichen Zeitraum habe sich die Zahl der Sauenhalter von 47.000 auf heute knapp 7.000 verringert. Das sieht auch Schweinehalter Garbade so: „Was mich am meisten ärgert, ist dass wir das Problem nur in andere EU-Staaten verlagern. Ich finde das scheinheilig“.
Tatsächlich ist die Kastenhaltung nicht einheitlich in der EU geregelt. In Dänemark, den Niederlanden und Österreich gelten rechtliche Regelungen, die die Kastenstandhaltung im Deckzentrum auf nur wenige Tage begrenzen, in Schweden ist die Haltungsform seit 1988 ganz verboten, in Großbritannien seit 1991. Deutschland ist der größte Schweinefleichproduzent der EU mit knapp einem Viertel des erzeugten Fleisches, gefolgt von Spanien, Frankreich und Polen.
Sollte es rechtzeitig zu einer Einigung kommen, wird am 26. Juni im Bundesrat über die Kastenhaltung abgestimmt.