Angesichts der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden humanitären Katastrophe stand die internationale Berliner Agrarministerkonferenz im Zeichen der Lösungsfindung in Krisenzeiten. Der weltweite Hunger soll durch globale Bemühungen, mehr Klimaschutz und das künftige Verhindern von Tierkrankheiten bekämpft werden.
76 Agrarministerinnen und Agrarminister aus aller Welt sowie VertreterInnen von 13 internationalen Organisationen trafen sich virtuell bei der Berliner Agrarministerkonferenz im Rahmen des Global Forum for Food and Agriculture. Das Motto in diesem Jahr: „Pandemien und Klimawandel: Wie ernähren wir die Welt?“.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) verkündete als Gastgeberin die wichtigsten Gesprächspunkte der Konferenz und stellte die gemeinsame Abschlusserklärung vor. Dabei stand die Pandemie und dessen Auswirkung auf den Agrarsektor im Vordergrund. 130 Millionen zusätzliche, pandemiebedingte Hungerleidende bezifferte die Ministerin. „Gleichzeitig lehrt uns Corona, an welchen Hebeln wir ansetzen müssen, um Hunger zu bekämpfen.” Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Lebensmitteln müssen laut Klöckner garantiert werden, um die Zahl der Hungerleidenden weltweit zu reduzieren.
Corona-Pandemie und die Lebensmittelversorgung
“Die Impfung gegen den Hunger heißt Nahrungsmittel”, sagte Exekutivdirektor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, David Beasly, und schlug die Brücke zwischen der weltweiten Hungerkatastrophe durch regionale Lebensmittelknappheit und der Corona-Pandemie. Mit diesem Satz spielte er auf den fehlenden Zugang zu Nahrungsmitteln in Teilen des globalen Südens an.
Zu Beginn der Pandemie und der eingeschränkten Mobilität waren die Sorgen vor Lebensmittelknappheiten in einzelnen Regionen der Erde enorm. Insgesamt 40 Länder sind durch zu geringe Agrarflächen nicht in der Lage, Lebensmittel in ausreichender Menge selbst zu produzieren. Ein funktionierender Warenverkehr ist daher essentiell bei der weltweiten Hungerbekämpfung.
Tobias Reichert, Referent für Agrarpolitik und Welthandel beim Berliner Thinktank Germanwatch, schätzt die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den grenzübergreifenden Lieferketten als geringer ein als zunächst befürchtet. Die wirtschaftliche Krise einiger Länder und die Auswirkungen auf das Einkommen der Bevölkerung sei allerdings umso kritischer für die weltweite Lebensmittelversorgung. Im Gespräch mit EURACTIV Deutschland betonte er, dass der Getreidetransport per Schiff wie gewohnt weitergehen und somit schlimmeres verhindert werden konnte.
Künftige Pandemien verhindern
Bei der Berliner Agrarministerkonferenz ging es jedoch nicht nur um den Umgang mit der aktuellen Pandemie, sondern auch um die Prävention weiterer. Das Bundesumweltministerium gibt an, dass 70 Prozent der Infektionserreger, die in den letzten 30 Jahren bei Menschen neu aufgetreten sind, von Tieren stammen.
Die Konferenz-TeilnehmerInnen einigten sich in der Abschlusserklärung auf einen “One Health approach” – also ein ganzheitlicher Ansatz, um die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt zu verbessern. So sollen die Risiken von Zoonosen – Krankheiten, die vom Tier zum Mensch übertragen werden – künftig minimiert werden.
Die Klimakatastophe treibt den weltweiten Hunger an
Das wichtigste Thema war jedoch der menschengemachte Klimawandel und dessen Auswirkung auf die weltweite Lebensmittelproduktion. Darum benannte UN-Generalsekretär António Guterres den Klimawandel als eine der größten Herausforderungen bei der Bewältigung der weltweiten Hungersnöte. Er kündigte zudem einen UN-Lebensmittelgipfel noch in diesem Jahr an, um konkrete Maßnahmen zu beschließen.
EU-Kommissar für Landwirtschaft Janusz Wojciechowski forderte weltweite Bemühungen und mehr internationale agrarpolitische Zusammenarbeit. “Es sind globale Probleme, also brauchen wir globale Lösungen”, sagte der Pole während der Konferenz und forderte größere Anstrengungen für mehr Nachhaltigkeit. Transportdistanzen für Lebensmittel sollen verringert, Lebensmittel lokaler produziert und Nahrungsmittel diversifiziert werden, um Emissionen aus der Lebensmittelproduktion zu senken.
Neben der Digitalisierung der Landwirtschaft, Lösungen durch Innovation und der Bekämpfung von Waldsterben, wird auch die Agroforstwirtschaft in der Abschlusserklärung als effektive Methode zur Emissionsreduzierung in der Landwirtschaft genannt. Tobias Reichert von Germanwatch bestätigte gegenüber EURACTIV Deutschland das globale Potential dieser Landnutzungsform: “In vielen Ländern des globalen Südens ist Agroforstwirtschaft schon viel weiter als in Europa.”
Politische Empfehlungen führen nicht zu Maßnahmen
Die Zielsetzung der Konferenz und die Abschlusserklärung sieht Reichert demnach als vielversprechend an. Allerdings führen die Empfehlungen nach solchen Gipfeltreffen seiner Meinung nach zu selten zu agrarpolitischen Maßnahmen. In den Präambeln werden die Wichtigkeit von Klima und Nachhaltigkeit immer sehr stark betont, sagt der Germanwatch-Agrarreferent, aber wenn man sich die Instrumente angucke, sehe man, dass dahingehend alles wie zuvor bleibt: “Da kann man auch nicht erwarten, dass sich viel ändert.”
Hoffnung macht möglicherweise der von António Guterres angekündigte “2021 UN Food Systems Summit”. Dort könnten, ähnlich wie beim UN-Weltklimagipfel, globale Maßnahmen auf allerhöchster Entscheidungsebene beschlossen werden.