Laut einem Arbeitspapier vom Montag (16. September) sind die EU-Staaten nicht von den Vorschlägen von Enrico Letta und Mario Draghi zur Deregulierung des Telekommunikationssektors überzeugt. Ein Kompromissdokument musste im Rat der EU nach verschiedenen Aufforderungen angepasst werden.
Ein Kompromissdokument der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft vom 18. September versucht, die zögerliche Haltung der Mitgliedstaaten mit dem Bestreben der beiden ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten, in Einklang zu bringen. Während die Mitgliedstaaten Bedenken haben, fordern Letta und Draghi den Markt zu deregulieren. Beide Dokumente wurden 2024 veröffentlicht.
Das Arbeitspapier zeigt jedoch, dass das ungarische Versöhnungsangebot nicht auf eine Anfrage der Mitgliedstaaten zurückgeht. Im Gegenteil, in den schriftlichen Antworten der Mitgliedstaaten auf den am 21. August veröffentlichten ungarischen Entwurf der Schlussfolgerungen werden die drei Berichte von Letta, Draghi und der Kommission, die die Deregulierung des Sektors unterstützen, offen kritisiert.
„Das [Weißbuch der Kommission] suggeriert fälschlicherweise, dass das derzeitige Wettbewerbsniveau ein Hindernis für das Wachstum der Telekommunikationsbetreiber und für die Erreichung der digitalen Ziele der EU für 2030 darstellt“, schrieben die Niederlande.
Tschechien, Dänemark, Estland, Italien, Malta, Slowenien und Schweden schlugen in ähnlicher Weise vor, dass Ungarn den Absatz, in dem die Deregulierung kritisiert wird, verstärken sollten.
„Der Letta-Bericht ist keine erschöpfende Marktanalyse“, schrieb Schweden. Luxemburg, Polen und die Niederlande vorschlugen währenddessen vor, Draghis Bericht zu prüfen. Das entspricht dem früheren ungarischen Vorschlag, Lettas Bericht zu überprüfen.
Bemerkenswert ist, dass Draghis Bericht noch nicht veröffentlicht worden war, als der erste Entwurf der Schlussfolgerungen des Rates an die Mitgliedstaaten verteilt wurde.
Tschechien, Finnland, Deutschland, Irland und die Niederlande forderten Ungarn sogar auf, ihre Forderung an die Kommission zu bekräftigen, um eine solide Folgenabschätzung des EU-Telekommunikationsmarktes durchzuführen, bevor sie Änderungen der Regulierung vorschlägt.
Frankreich bat um eine Erklärung, welche Unternehmen im Telekommunikationssektor zu sogenannten „europäischen Champions“ werden könnten.
Deutschland erklärte den Ungarn, dass der Abbau von bürokratischen Hürden Investitionen in Telekommunikationsnetze fördern könne.
Im Gegensatz zu diesen Kommentaren heißt es im ungarischen Kompromisstext, dass die Konsolidierung „Investitionen fördern und damit weitere Möglichkeiten für Wachstum und Innovation“ im Telekommunikationssektor eröffnen könnte.
Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die Ungarn bei der nächsten Sitzung der Arbeitsgruppe des Telekommunikationsrats am 24. September Kritik gegenüberstehen werden.
Unterseekabel, Sicherheit
Tschechien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Malta und Polen schlugen vor, die Erwähnung der Kommission, einen Legislativvorschlag zu Unterseekabeln zu erarbeiten, zu streichen. Schweden hingegen schlug ebenfalls vor, die Formulierung abzuschwächen. Die Ungarn strichen daher diese Erwähnung aus dem Kompromisstext.
In den Beiträgen von Belgien, Frankreich, Deutschland, Polen und Schweden wird ausdrücklich erwähnt, dass die Frequenzverwaltung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Das hat Ungarn in ihrem Kompromisstext aufgenommen. Luxemburg ergänzte, dass bei der Frequenzverwaltung die Grundsätze der Netzneutralität zu beachten sind.
Ungarn fügte eine weitere Zeile hinzu, in der auf „grenzüberschreitende Störungen durch Drittstaaten“ verwiesen wird, was offenbar auf der schriftlichen Antwort Polens basiert.
Berichte aus dem Funkfrequenzprogramm der Kommission zeigen, dass in den an Russland angrenzenden osteuropäischen Staaten regelmäßig Störungen bei den Bandbreiten 700 MHz und 3,6 GHz auftreten.
Polen, die baltischen Staaten und Schweden waren im Dezember 2023 und Januar 2024 ebenfalls von schweren GPS-Signalstörungen betroffen. Diese lassen sich auf mutmaßliche Tests russischer elektronischer Kriegssysteme in Kaliningrad zurückzuführen.
Umweltaspekte
Dänemark, Frankreich, Deutschland, Irland und Luxemburg schlugen Verbesserungen am ungarischen Entwurf in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit von Telekommunikationsinfrastrukturen vor.
Das ungarische Kompromissdokument enthält Sätze, die besagen, dass „der Glasfaserausbau nicht das einzige Instrument zur Dekarbonisierung des digitalen Sektors bleiben sollte“. Diese Formulierung geht auf eine französische Forderung zurück.
Der hinzugefügte Satz, in dem die Kommission aufgefordert wird, „ein Ziel für die grüne Digitalisierung“ für die Überprüfung des Programms für das digitale Jahrzehnt 2030 in Betracht zu ziehen, stammt aus dem dänischen Beitrag.
Eine lange Liste von EU-Staaten forderte, die Formulierung „Kupferabschaltung“ abzumildern. Denn diese würde eine Modernisierung der alten Netzinfrastruktur vorsehen. Zu den Staaten gehörten Österreich, Belgien, Bulgarien, Tschechien, Estland, Deutschland, Lettland und Slowenien, woraufhin Ungarn der Aufforderung nachkam.
Investitionen und Verbraucherwohl
Laut dem Arbeitspapier haben mehrere Mitgliedstaaten während der Arbeitsgruppe des Telekom-Rates am 5. September erwähnt, dass die Formulierung zu öffentlichen Investitionen „nicht vor den [EU-Haushalts-]Verhandlungen erfolgen sollte“. Diese soll jedoch erst Mitte 2025 beginnen.
Dänemark, Finnland, Deutschland, Malta, die Niederlande, Portugal und Schweden haben noch schriftliche Kommentare an die Ungarn geschickt, in denen sie dies nachdrücklich fordern.
Deutschland und Slowenien schlugen vor, dass Ungarn einen Verweis auf die Bereitstellung von Universaldiensten hinzufügt, der nun im Kompromissdokument enthalten ist.
Enthaltungen
Laut dem Dokument, das Euractiv vorliegt, haben Zypern, Griechenland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Spanien keine schriftlichen Antworten an die Ungarn geschickt. Die schriftliche Antwort Kroatiens wird nicht erwähnt, da sie nur einen Kommentar enthält.
Das Dokument enthält keine mündlichen Beiträge der letzten Arbeitsgruppe des Telekommunikationsrats vom 5. September. Diese hätte Ungarn möglicherweise während ihrer Redaktionssitzung berücksichtigt.
Die Position Ungarns wird nicht erwähnt, da das Land als Ratspräsident davon absieht, seine eigenen Ansichten mitzuteilen.
[Bearbeitet von Eliza Gkritsi/Alice Taylor-Braçe]