Die EU sieht Smart-City-Projekte als Möglichkeit, sowohl Digitalisierung als auch Klimaschutz voranzutreiben. Doch der Ansatz bietet nicht nur Chancen, sondern auch Risiken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
„Smart Cities“ (intelligente Städte) gelten als Möglichkeit, ein nachhaltiges und effizientes städtisches Umfeld zu entwickeln, zu umfassenderen nationalen und internationalen politischen Zielen beizutragen und das Wohlergehen der einzelnen Bürger:innen zu stärken.
Der zunehmende Einsatz digitaler Technologien in diesen Bereichen bringt jedoch sowohl alte als auch neue Herausforderungen mit sich. Smart Cities können zwar die Eingliederung in die Gesellschaft und Zugänglichkeit von Angeboten fördern, bergen aber auch die Gefahr, bestehende Klüfte zu zementieren, insbesondere im Hinblick auf die Verfügbarkeit digitaler Technologien und Kompetenzen.
„Eine der größten Herausforderungen für Smart Cities ist es, sicherzustellen, dass die Vorteile der Digitalisierung alle erreichen und niemanden zurücklassen“, erklärte Camille Viros, Ökonomin und Analystin für Stadtpolitik bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegenüber EURACTIV.
„Selbst gut gemeinte Smart-City-Initiativen können dazu beitragen, die digitale Kluft zwischen den technikaffinen Menschen auf der einen Seite und den Menschen, die nicht mit den Technologien ausgestattet sind oder nicht wissen, wie sie sie nutzen können, auf der anderen Seite zu vergrößern.“
Die OECD definiert „Smart Cities“ als „Städte, die die Digitalisierung nutzen und Akteur:innen einbinden, um das Wohlbefinden der Menschen zu verbessern und integrativere, nachhaltigere und widerstandsfähigere Gesellschaften aufzubauen.“
Behörden auf der ganzen Welt, die deren Einführung unterstützen, darunter auch in Brüssel, haben deren Bedeutung für die Verwirklichung von Digitalisierungs- und Klimazielen hervorgehoben.
„Unter den verschiedenen politischen Maßnahmen, die Städte umsetzen können, kann die digitale Innovation durch Smart-City-Lösungen ein leistungsfähiges Instrument sein, um den Fortschritt bei der Verwirklichung der SDGs [Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen] zu beschleunigen“, so Viros. „Tatsächlich integrieren viele Smart Cities die SDGs als Ziele in ihre Strategie.“
In Europa, wo bis 2050 voraussichtlich fast 85 Prozent der Bevölkerung in städtischen Gebieten leben werden, wurde besonders darauf geachtet, wie diese Entwicklungen zur Erreichung der EU-Umweltziele beitragen können, von der Umsetzung von Strategien zur Kreislaufwirtschaft bis zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Mobilität. Intelligente Technologien in Verbindung mit Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge oder Echtzeitdaten über Verkehrsströme werden als Möglichkeiten zur Verbesserung der Mobilität in den Städten angesehen.
Diese Ansätze hängen von großen Datenmengen ab, insbesondere wenn es um Anwendungen geht, die in Echtzeit ablaufen. Angesichts des sensiblen Charakters dieser Ressource wird jedoch auch den Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz derjenigen, die sie bereitstellen, große Aufmerksamkeit gewidmet.
„Da Smart Cities immer mehr Informationen über die Bürger:innen erfassen und sammeln, stellt sich die Frage, wer auf die Daten zugreift und wem sie gehören, wie lange und zu welchem Zweck“, so Viros.
„Dies kann die Effizienz von Smart Cities und das Vertrauen in die öffentlichen Behörden untergraben“, fügte sie hinzu und forderte robuste Datenverwaltungssysteme, einen starken Datenschutz und Transparenz.
Trotz der starken Abhängigkeit von Daten bleibt die menschliche Beteiligung eine Schlüsselkomponente für das Funktionieren von Smart Cities.
In einer Rede auf dem 5G Techritory Forum in Riga Anfang des Monats wies Larissa Suzuki, technische Direktorin bei Google, darauf hin, dass selbst bei stark automatisierten Systemen, die zum Beispiel Verkehrsstörungen überwachen und vorhersagen, einige Dinge nicht zuverlässig vorhergesagt werden können, wie etwa Verkehrsunfälle.
„Wir können einige Teile automatisieren“, sagte sie, „aber wir müssen uns immer noch auf unsere Nutzer:innen verlassen. Es gibt einige Dinge, bei denen wir uns auf die Weisheit der Massen verlassen müssen.“
Ein entscheidender Vorteil der Anwendung von Konnektivität in Bereichen wie Kartierung und Navigation sei der Beitrag, den die einzelnen Bürger:innen in diesen Bereichen zum allgemeinen Funktionieren der intelligenten Stadt leisten können.
Die Beteiligung der Bürger:innen mag zwar ein Schlüsselaspekt von Smart Cities sein, ist aber nicht gleichermaßen garantiert. Die sogenannte digitale Kluft in vielen Gesellschaften hat zwar große Aufmerksamkeit erregt, weil sie bestehende Ungleichheiten nicht nur widerspiegelt, sondern oft noch verschärft, doch die Fortschritte bei ihrer Überwindung sind bisher nur langsam.
Angesichts des Ausmaßes der Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen, die im Rahmen der Entwicklung intelligenter Städte erforderlich ist, besteht die Gefahr, dass bestehende Klüfte vergrößert oder neue geschaffen werden.
„Wenn die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen nicht berücksichtigt werden, können Smart-City-Initiativen ungewollt die digitale Kluft vertiefen“, so Viros. „Es ist daher von entscheidender Bedeutung, die Leistung von Smart Cities zu messen, um sicherzustellen, dass sie ihre Ziele in Bezug auf Wohlbefinden, Nachhaltigkeit und Integration erreichen.“
Trotz des Risikos, dass diese Entwicklungen den digital besser Ausgestatteten oder den Bewohner:innen einkommensstärkerer Gebiete größere Vorteile bringen, böten Smart-City-Initiativen auch die Möglichkeit, Bedürftigen zu helfen, indem sie zentrale Dienstleistungen besser zugänglich machen, so Viros.
[Bearbeitet von Luca Bertuzzi/Alice Taylor]