Der Einfluss der Technologie wird schon bald auch den Finanzsektor ändern, verkünden führende Banker auf dem Weltwirtschaftsforum. Neue Finanzinstrumente wie virtuelle Währungen könnten innerhalb von zehn Jahren das Bargeld ersetzen. EURACTIV Brüssel berichtet.
Das übergeordnete Thema des diesjährigen Weltwirtschaftsforums in Davos ist von besonderer Bedeutung für die Zukunft: der Einfluss der Technologie. Der technologische Fortschritt könnte laut John Cryan, Co-Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bank AG, so weit gehen, dass es in zehn Jahren „wahrscheinlich“ kein Bargeld mehr geben wird. Letzteres sei ohnehin „schrecklich ineffizient“.
„Bargeld sollte entmaterialisiert werden“, fordert er in einer Podiumsdiskussion zur Zukunft der Finanzen. Auch Regierungen sollten ihm zufolge Interesse an diesem Prozess zeigen, da er die Rückverfolgbarkeit der Transaktionen verbessert und den Kampf gegen illegale Finanzierung oder Geldwäsche erleichtert. Dan Schulman, Vorstandsvorsitzender von Paypal, stimmt mit ihm überein. „Das Geld digitalisiert sich vor unseren Augen.“ Obwohl die Menschen für 85 Prozent der Transaktionen (Anzahl, nicht Volumen) noch immer Bargeld nutzen, sei diese Entwicklung unaufhaltsam. Aber: „Es liegt noch ein langer Weg vor uns“, betont Schulman.
Durch Blockchain-Technologie vorangetriebene virtuelle Währungen halten Banker und sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) für die vielversprechendste Innovation. Am gestrigen Mittwoch veröffentlichte der IWF einen Bericht über virtuelle Währungen. Die Geschäftsführerin des Fonds, Christine Lagarde, fasst die Schlussfolgerungen des Berichts mit dem ersten Satz des Romans Eine Geschichte aus zwei Städten von Charles Dickens zusammen: „Es war die beste und die schlimmste Zeit.“ Auf der positiven Seite, so Lagarde, könnten virtuelle Währungen beispielsweise enorm dabei helfen, Menschen in abgelegenen Gegenden mit einzubinden. Leider bestehe jedoch auch die Möglichkeit, dass sie zu einem wichtigen Instrument für Verbrechen werden, da es noch immer keinerlei Regulierung gebe. Sollte sich diese Technologie darüber hinaus sehr schnell weiterentwickeln, könne sie die finanzielle Stabilität bedrohen oder sogar die Währungspolitik zerrütten.
Dieser neue Sektor ist ihr zufolge noch immer sehr klein. Der gesamte Marktwert virtueller Währungen liegt bei nur sieben Milliarden Euro. Auch wenn bisher nur wenig über virtuelle Währungen bekannt sei, könnten sie zu starken Verwerfungen in der gesamten Branche führen. Die Behörden hätten daher, so Lagarde, noch einige Regulierungshausaufgaben zu erledigen.
Big Data
Virtuelle Währungen sind jedoch nicht die einzige Neuerung am Horizont. Der andere große Entwicklungsmotor wird die geschicktere Nutzung von Daten sein. „Big Data“ stellen eine grundlegende Chance für die Versicherungsbranche dar, betont Tom de Swaan, Vorstandsvorsitzender der Zurich Insurance Group. Von Fahrzeugversicherungen bis hin zur Bewertung der im Leben anfallenden Risiken könnten Big Data den Versicherungen „auf granuläre Weise“ bei der Ausübung ihrer Geschäftstätigkeiten helfen, so Swaan.
Schulman schätzt, die hohe Geschwindigkeit des Wandels werde den Finanzsektor in den nächsten fünf Jahren stärker erschüttern als in den letzten drei Jahrzehnten. Diese Revolution werde auf gemeinsamen Anstrengungen beruhen – angeführt nicht nur von Innovatoren wie Paypal, sondern auch von den bestehenden Größen des Finanzsektors und sogar den Gesetzgebern.
„Das Leben an der Spitze einer Finanzinstitution war noch nie einfach und wird es auch nicht sein“, gesteht de Swaan, „Es ist schwierig, den technologischen Wandel vorherzusagen.“ Um der Veränderungen Herr zu werden, fordert er Allianzen mit den Innovatoren, da sowohl Marktneulinge als auch traditionelle Firmen von einem Schulterschluss profitieren könnten. „Wir sollten sie [die Innovatoren] nutzen, um neue Produkte und Verteilungssysteme zu schaffen“, erklärt er.
Gesetzgebung noch unklar
Die Hauptaufgabe der nächsten Jahre wird darin bestehen, diese neuen Finanzinstrumente zu regulieren. James Gorman, Vorstandsvorsitzender von Morgan Stanley, verweist darauf, dass Gesetzgeber sich mit den Themen Cyber-Sicherheit auseinandersetzen sollten. So könne man die übermäßige Konzentration und somit systematische Risiken angehen, um das Vertrauen der Kunden zu gewährleisten. „Vertrauen steht beim Banking im Mittelpunkt“, betont er.