EU-Datenstrategie: Geopolitik ist eines der Stolpersteine

"Das Papier unterstreicht, wie Europa hinter den USA zurückbleibt, aber auch zunehmend von China herausgefordert wird, was die Auswirkungen der Datenwirtschaft auf das Bruttoinlandsprodukt sowie die Beschäftigung und Qualifikation angeht. Was Europa betrifft, so sind die südeuropäischen Länder im Vergleich zu den nordischen Ländern zweitklassig", sagte Stefano da Empoli, Präsident des Instituts für Wettbewerbsfähigkeit. [Anton Balazh/Shutterstock]

Die wirtschaftliche Bereitschaft und die geopolitische Dimension von Daten sind potenzielle Stolpersteine der EU-Datenstrategie, erklärte ein Wirtschaftsexperte gegenüber EURACTIV im Vorfeld der Veröffentlichung einer neuen Studie nächste Woche.

„Das Papier unterstreicht, wie Europa hinter den USA zurückbleibt, aber auch zunehmend von China herausgefordert wird, was die Auswirkungen der Datenwirtschaft auf das Bruttoinlandsprodukt sowie die Beschäftigung und Qualifikation angeht. Was Europa betrifft, so sind die südeuropäischen Länder im Vergleich zu den nordischen Ländern zweitklassig“, sagte Stefano da Empoli, Präsident des Instituts für Wettbewerbsfähigkeit.

Das Institut für Wettbewerbsfähigkeit ist ein italienischer Think-Tank, der Partnerschaften mit dem spanischen Königlichen Institut Elcano, dem in Lissabon ansässigen Institute of Public Policy und der Stiftung für Wirtschafts- und Industrieforschung von Geece eingegangen ist.

Das Netzwerk südeuropäischer Think-Tanks, das sich unter dem Dach von PromethEUs zusammengeschlossen hat, wird einen neuen Index für die Datenwirtschaft veröffentlichen, der Teil einer Studie ist, die EURACTIV vorliegt und die nächste Woche auf einer Veranstaltung in Brüssel vorgestellt wird.

Entwicklung der Datenwirtschaft

Der Index umfasst sechs Indikatoren, insbesondere die Anzahl der Unternehmen, die Cloud-Dienste nutzen, die Verarbeitung von Big Data, den Anteil der Datenexperten und den Wert des Datenmarktes.

Der Index zeigt, dass nordische Länder wie Dänemark, Schweden und die Niederlande bei der wirtschaftlichen Vorbereitung führend sind, während Mittelosteuropa – Länder wie Rumänien, Bulgarien und Ungarn – hinterherhinken. Die südlichen Länder liegen dazwischen, wobei Spanien mit dem viertletzten Platz Spanien besonders schlecht abschneidet.

„Die größten Herausforderungen für die südeuropäischen Länder sind der Zugang zu Daten für kleine und mittlere Unternehmen, ihre Fähigkeit, die Vorteile der Datenwirtschaft zu nutzen, und die Tatsache, dass es nicht nur an Grundkenntnissen, sondern auch an spezialisierten Fachkräften mangelt“, fügte da Empoli hinzu.

Für die südlichen Länder Europas sei ein weiteres Problem, dass leistungsfähige Dateninfrastuktur zurückzugreifen, da beispielsweise Hochleistungscomputer nur für große Unternehmen zugänglich sind. Gleichzeitig haben mittelständische Unternehmen nur selten Zugang zu Supercomputern.

Geopolitik der Daten

Die Studie rückt die Datenwirtschaft auch in die internationale Perspektive. So wird geschätzt, dass der Wert des US-Datenmarktes im Jahr 2022 satte 289,5 Milliarden Euro betrug, knapp das Vierfache des EU-Gesamtwertes von 73 Milliarden Euro und das Siebenfache des Wertes von China, der bei 40 Milliarden Euro geschätzt wird.

Gleichzeitig wird der zweite Platz Europas zunehmend von Peking herausgefordert, dessen Marktwachstum in den letzten zwei Jahren mehr als doppelt so hoch war wie jener des europäischen Marktes.

In diesem Zusammenhang sollte sich die EU bemühen, „eine Datendiplomatie zu entwickeln, um Vereinbarungen mit gleichgesinnten Ländern zu treffen, die zu einem koordinierten Ansatz in Bezug auf Regulierungssysteme führen könnten“, sagte da Empoli. Er verwies insbesondere auf die Bedeutung der Entwicklung einer gemeinsamen Vision für neu entstehende Technologien wie dem Metaverse.

Die EU wäre hierzu laut der Studie gut positioniert. Denn die EU-Datenstrategie hat das Potenzial, den Rest der Welt in der Art und Weise, wie Daten geteilt und genutzt werden, zu beeinflussen. Somit schlägt die Studie auch vor, dass die EU seine Ansichten in internationalen Foren wie der G7 und dem Partnerschaftsabkommen für die digitale Wirtschaft durchsetzt.

Gleichzeitig weist die Studie auf die mögliche „Bewaffnung“ des Datengesetzes durch bestimmte Unternehmen aus Drittländern hin, die die Verordnung nutzen könnten, um auf geistiges Eigentum zuzugreifen und Daten aus sensiblen Bereichen wie der Verteidigung zu erhalten.

„Es müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, um die Freigabe von kommerziell sensiblen Daten zu verhindern, die nicht leicht zu unterscheiden sind. Wenn diese Datenweitergabe nicht richtig gehandhabt wird, könnte sie genau die europäische Wettbewerbsfähigkeit unterwandern, die sie stärken soll“, fügte da Empoli hinzu.

Regulatorische Umgebung

Die europäische Datenstrategie umfasst einen komplexen Rechtsrahmen, der das Daten-Governance-Rechtsakt, das Datengesetz, die PSI-Richtlinie und neun sektorale Datenräume umfasst.

Für den Experten steht noch nicht fest, welche Anreize Unternehmen haben werden, ihre Daten mit anderen Wirtschaftsakteuren, einschließlich Konkurrenten, zu teilen. Die EU-Vorschriften sollen zwar das Vertrauen in die gemeinsame Nutzung von Daten zwischen Unternehmen fördern, ändern aber nichts an dem zugrunde liegenden Geschäftsmodell.

„Sie haben zwei Möglichkeiten. Entweder Sie schaffen einen positiven Anreiz in Form einer Entschädigung, oder Sie verpflichten die Unternehmen, Daten zur Verfügung zu stellen. Natürlich wäre der erste Weg besser. Wenn wir über nicht-personenbezogene Daten sprechen, könnte das eine Lösung sein“, fügte da Empoli hinzu.

Das Papier befasst sich insbesondere mit dem Europäischen Gesundheitsdatenraum, dem ersten sektoralen Datenraum, der es den Bürgern ermöglichen soll, besser auf ihre privaten Gesundheitsdaten zuzugreifen, während gleichzeitig nicht identifizierbare Gesundheitsdaten für Wissenschaft, Forschung und Politik verfügbar gemacht werden.

Der Experte stellt fest, dass die Situation in einigen Ländern wie Italien und Spanien besonders komplex ist, da es keine nationale Gesundheitsdatenbank gibt. Hier wird die Gesundheitsversorgung auf regionaler Ebene verwaltet. Der italienische Fall, fügte er hinzu, wird durch den Mangel an digitalen Fähigkeiten und das besonders hohe Alter der Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung noch erschwert.

[Bearbeitet von Nathalie Weatherald]

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