‚Kommission der Verwirrten‘: Von der Leyens Machtfestigung

Als Von der Leyen (Bild M.) ihr Team von 26 Kommissaren für die zweite Amtszeit vorstellte, war nicht für alle sofort ersichtlich, was von der neuen Zusammensetzung zu erwarten war. [EPA-EFE/OLIVIER HOSLET / POOL EPA-EFE/OLIVIER HOSLET / POOL]

Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihr Team für die zweite Amtszeit zusammengestellt. In den nächsten fünf Jahren soll ganz nach dem Prinzip „Teile und Herrsche“ regiert werden.

Als von der Leyen am Dienstag (17. September) in Straßburg ihr Team von 26 Kommissaren für die zweite Amtszeit vorstellte, war nicht für alle sofort ersichtlich, was von der neuen Zusammensetzung zu erwarten war.

„Es war ein komplizierter Prozess, [dieses neue Team] zusammenzustellen“, gab ein hochrangiger Kommissionsbeamter mit Kenntnis über die Angelegenheit zu.

„Auf dem Papier sieht es vielleicht komplex aus, aber es spiegelt die Realität wider, dass die Politik stärker als bisher koordiniert werden muss“, sagte er.

Die neue Struktur würde auch eine Abkehr vom festen vertikalen Strukturen, dem sogenannten „Stovepipe-Ansatz“, bedeuten, der im Bericht des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi implizit gefordert wurde. Darin hatte er die EU-Kommission aufgefordert, die Zuständigkeiten innerhalb der internen Struktur zu straffen.

„Jedes Mitglied des Kollegiums [der Kommissare] ist gleichgestellt – und jeder Kommissar hat die gleiche Verantwortung, unsere Prioritäten umzusetzen“, sagte Von der Leyen bei der Vorstellung ihres Teams.

„Das bedeutet, dass alle Kommissare zusammenarbeiten müssen“, machte sie deutlich.

Diejenigen, die eine klare Struktur suchen, die unnötige Überschneidungen und Doppelarbeit vermeidet – zwei häufige Kritikpunkte an der derzeitigen Kommission – wurden enttäuscht.

„Matrix des Untergangs“

Die „Matrix“, die auf der Website der Kommission veröffentlicht wurde, macht nicht deutlich, wer in welchen Politikbereichen wem unterstellt ist.

Um die Gesetzgebungsmaschinerie voranzutreiben, hat von der Leyen sechs Exekutiv-Vizepräsidenten (EVPs) vorgeschlagen, von denen jeder für eine Gruppe von Kommissaren zuständig ist.

Die Schlüsselpositionen gingen an zwei ihrer vertrauten Verbündeten aus der vorherigen Amtszeit: den Litauer Valdis Dombrovskis und den Slowaken Maroš Šefčovič.

Beide sollen jedoch reguläre Kommissare werden, obwohl sie derzeit das Amt des Vizepräsidenten innehaben. Dennoch wird erwartet, dass sie weiterhin eine Schlüsselrolle dabei spielen, um für Ordnung zu sorgen und direkt an die Präsidentin berichten, sagen Personen, die mit der Aufstellung vertraut sind.

Dombrovskis wird einen doppelten Posten innehaben und sowohl für die Wirtschaft als auch für Bürokratieabbau zuständig sein.

Šefčovič wird sich voraussichtlich um Handel und wirtschaftliche Sicherheit sowie um interinstitutionelle Beziehungen und Transparenz kümmern.

Unter den Kommissaren, die mit der Klima- und Energiepolitik der EU beauftragt sind, bleibt die Befehlskette bleibt vage. Der Däne Dan Jørgensen berichtet sowohl an die Spanierin Teresa Ribera, die als Exekutiv-Vizepräsidentin für die Klimaagenda der EU zuständig ist, als auch an den Niederländer Wopke Hoekstra, der seinen Titel als Klimakommissar behalten wird.

Insidern zufolge soll Hoekstra, der sich zu einem Anhänger von der Leyens entwickelt hat, auch ein Auge auf die Politikbereiche haben, die in der aktuellen Amtszeit unter den Green Deal gefallen wären.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Aufteilung der Zuständigkeiten für die EU-Technologiepolitik, die auf eine handvoll Kommissare verteilt wurde.

Während die Finnin Henna Virkunnen die Leitung für technische Souveränität, Sicherheit und Demokratie übernehmen wird, wurde Ribera zusätzlich zu ihren klimapolitischen Aufgaben die Aufsicht über die mächtige Wettbewerbspolitik der Union übertragen.

Auch auf der außenpolitischen Seite ist das Bild verschwommen.

Während die nächste EU-Chefdiplomatin, Kaja Kallas, mehr Kollegen beaufsichtigen wird als Josep Borrell derzeit, bleiben die Politikbereiche unscharf.

Auch die Struktur über dem neuen Verteidigungskommissar der Union, dem Litauer Andrius Kubilius, ist ein höchst merkwürdiger Fall.

Während er offiziell sowohl Kallas als auch dem für Wohlstand und Industriestrategie zuständigen Franzosen Stéphane Séjourné unterstellt sein wird, wird von ihm auch erwartet, dass er unter Virkunnen arbeitet.

Laut ihrem Mandatsschreiben wird die designierte Kommissarin für den Mittelmeerraum, die Kroatin Dubravka Šuica, Kallas Bericht erstatten. Zusätzlich wird sie gebeten, die EU-Migrationspolitik gemeinsam mit Drittstaaten mitzugestalten.

Der Pole Piotr Serafin, der für Haushalt, Betrugsbekämpfung und öffentliche Verwaltung zuständig sein soll, wird in den meisten anderen Missionsschreiben erwähnt. Denn er war an den Verhandlungen über den nächsten langfristigen Haushalt (MFR) der Union beteiligt, bleibt jedoch ohne EVP-Befugnisse. Der designierte Justizkommissar Michael McGrath soll bei der Gestaltung mit Serafin zusammenarbeiten.

Befugnisse des Präsidenten

Mehrere EU-Diplomaten und -Beamte, die mit Euractiv unter der Bedingung der Anonymität sprachen, machten kein Geheimnis aus ihrer Verärgerung über die Unklarheit.

„Es handelt sich um eine ’strategische Überschneidung‘, die [von der Leyen] am besten unerklärt lässt, denn genau das wird ihr den Spielraum geben, die Führung in der Politik zu übernehmen, wo sie will“, sagte ein EU-Diplomat.

„Das ist eine Strategie des ‚Teile und Herrsche‘, die nur eine ‚Kommission der Verwirrten‘ hervorbringen wird“, sagte ein zweiter EU-Diplomat.

Kritiker geben jedoch auch zu, dass von der Leyens Machtübernahme schon lange abzusehen war.

„Die neue Struktur der Europäischen Kommission, die die Ressorts der Mitglieder verwischt und den Status des Vizepräsidenten zu einer Führungsposition herabstuft, deutet auf eine Umwandlung von einem Kollegialorgan in ein Präsidialamt hin“, sagte Alberto Alemanno, Professor für EU-Recht an der HEC Paris, gegenüber Euractiv.

„Von der Leyen vollendet den Präsidialisierungsprozess, der mit Barroso begann und von Juncker fortgesetzt wurde“, fügte er hinzu.

[Bearbeitet von Owen Morgan]

Abonnieren Sie unsere Newsletter

Abonnieren