Michel Barnier wurde am Donnerstag (5. September) vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron zum Premierminister ernannt. Nun steht er unter Zeitdruck, bis zum 1. Oktober den Haushalt 2025 unter Dach und Fach zu bringen.
Drei Monate nach der Auflösung der französischen Nationalversammlung am 9. Juni und nur wenige Stunden nach seiner Ernennung läuft Barnier bereits die Zeit davon.
Kurz nach seiner Ernennung hat der neue Regierungschef Konsultationen eingeleitet, um sein Team zusammenzustellen und den wichtigsten Termin einzuhalten: die Vorlage des Haushaltsentwurfs für 2025 im Parlament am 1. Oktober.
„Was erwartet man von einem Premierminister? Ich sage es in aller Bescheidenheit: Ich denke, wir erwarten, dass er die Wahrheit sagt. Auch wenn diese Wahrheit schwierig ist“, erklärte Barnier am Donnerstag bei der offiziellen Amtsübergabe von seinem Vorgänger Gabriel Attal.
„Die Wahrheit, vor allem über die finanziellen Schulden […], die bereits schwer auf den Schultern unserer Kinder lasten“, fügte der neue französische Premierminister hinzu.
Laut einer Mitteilung des französischen Finanzministeriums, die von Les Echos zitiert wird, ist das geschätzte Defizit für 2024 in den letzten Monaten von 5,1 Prozent auf 5,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Bis 2025 soll es weiter auf 6,2 Prozent steigen, wenn bis dahin keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Das ist weit entfernt von den Schwellenwerten des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP), der von den EU-Mitgliedstaaten verlangt, ihr Defizit unter drei Prozent zu halten.
„Die Untätigkeit der Regierung seit den ersten Anzeichen einer Verschlechterung in 2023 bedeutet, dass die Prognosen für einen ausgeglichenen Staatshaushalt für 2024, 2025 und die folgenden Jahre erneut und in noch größerem Umfang nach unten korrigiert werden müssen“, warnte Claude Raynal, der sozialistische Vorsitzende des Finanzausschusses im Senat, bei einem Treffen mit der Presse am 4. September 2024.
„Es ist höchste Zeit, dass sich eine seriöse Regierung an die Arbeit macht, um die Situation wieder in Ordnung zu bringen“, fuhr er fort. Er betonte, dass es für die Verabschiedung eines Haushalts „unter Einhaltung der verfassungsrechtlichen Bedingungen“ „zwingend erforderlich“ sei, dass die Frist für die Vorlage des Entwurfs am 1. Oktober eingehalten wird.
Die Abgeordneten haben dann 70 Tage Zeit, den Text zu prüfen und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen.
110 Milliarden Euro Einsparungen in drei Jahren
Um diese Frist einhalten zu können, kann sich Michel Barnier auf die Vorarbeit stützen, die das französische Wirtschaftsministerium im Sommer geleistet hat.
Am 20. August wurden bereits Schreiben mit den vorläufigen Haushaltsplänen der einzelnen Ministerien verschickt. Die Ausgaben für 2025 sind mit 492 Milliarden Euro auf ähnlichem Niveau wie 2024 liegen, was bei einer Inflation von zwei Prozent einer realen Kürzung von zehn bis 15 Milliarden Euro entspricht.
Diese Maßnahmen werden jedoch nicht ausreichen, um das Defizit bis 2027 auf drei Prozent zu senken, wie es die EU-Haushaltsregeln vorsehen und zu dem sich Frankreich fur 2027 verpflichtet hat. Laut Mitteilung des Finanzministeriums müssen innerhalb von drei Jahren 110 Milliarden Euro eingespart werden, davon allein 30 Milliarden Euro bis 2025.
In der Nationalversammlung, in der Barniers Regierung mit zahlreichen Misstrauensanträgen sowohl von linker als auch von rechtspopulistischer Seite rechnen werden muss, dürfte die Verabschiedung solcher Kürzungen schwierig werden. Steuererhöhungen wurden sowohl von den liberalen als auch von den konservativen Parteien wiederholt abgelehnt.
Theoretisch muss Frankreich bis zum 20. September in Brüssel einen mehrjährigen Haushaltsplan vorlegen. Dies ist eine Folge des Defizitverfahrens, das die EU-Kommission am 26. Juli eingeleitet hat. Sollte Frankreich die Vorgaben über einen längeren Zeitraum nicht einhalten, drohen Paris finanzielle Sanktionen in Höhe von bis zu 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das entspricht etwa 2,6 Milliarden Euro pro Jahr.
„Michel Barnier ist mit der EU vertraut und ein konservativer Mann, der die europäischen Haushaltsregeln respektiert, was die Diskussionen mit der Kommission sicherlich erleichtern wird“, erklärte Catherine Mathieu, Präsidentin der Association of European Economic Studies Institutes (AIECE), gegenüber Euractiv.
„Aber das bedeutet nicht, dass Frankreich von einer größeren Flexibilität bei der Anwendung der Regeln profitieren wird.“
[Bearbeitet von Anna Brunetti/Owen Morgan/Daniel Eck]