Die EU behält sich vor, gegebenenfalls rechtliche Schritte gegen diejenigen Pharmafirmen einzuleiten, bei denen sich die Lieferung der Anti-COVID-Impfstoffe unerwartet verzögert hat. Das teilte EU-Ratschef Charles Michel mit.
„Wir können dafür alle uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel nutzen,“ so Michel gegenüber Europe 1. „Die EU beabsichtigt, die von der Pharmaindustrie unterzeichneten Verträge durchzusetzen,“ fügte er hinzu.
Viele Staats- und Regierungschefs in der EU haben mit scharfer Kritik auf die Verzögerungen reagiert. Die Führung in Paris versucht bereits, Alternativen zu finden, bis die Produktion der Impfstoffe wieder normal läuft.
Pfizer/Biontech hatten vergangene Woche eine einmonatige Verzögerung der Lieferungen in Europa angekündigt. Von Seiten der Unternehmen hieß es, die Fabrik im belgischen Puurs müsse aufgerüstet werden, um die Produktionskapazität mittelfristig zu erhöhen.
Auch das britische Pharmaunternehmen AstraZeneca, dessen Impfstoff am 29. Januar in der EU zugelassen werden soll, teilte mit, man werde im Vergleich zum ursprünglichen Plan wohl weniger Dosen schicken können.
Michels Heimat Belgien wird nun voraussichtlich weniger als die Hälfte der erwarteten Impfstoffe von AstraZeneca erhalten. Zuvor hatte die Regierung in Brüssel die Impfungen des Krankenhauspersonals wegen eines Lieferengpasses des Impfstoffherstellers Pfizer bereits verschoben.
Belgien wird im ersten Quartal des Jahres wohl nur 650.000 Dosen des AstraZeneca-Impfstoffs erhalten, anstatt der vertraglich vereinbarten 1,5 Millionen Dosen, bestätigte Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke gegenüber RTBF. Er fügte hinzu, dies seien „sehr schlechte Nachrichten“.
Vandenbroucke weiter: „[AstraZaneca] hat auf dem Markt praktisch ein Monopol, und wir sind völlig abhängig […] Die Europäische Kommission hat eine wichtige Rolle zu spielen und muss gegenüber der Industrie eine deutliche Position einnehmen. Sie muss das Versprochene einfordern. Diese Ungewissheiten machen die Organisation der Impfaktion sehr schwierig.“
In Rom erklärte der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte, sein Land sei bereit, „Gegenmaßnahmen“ zu ergreifen, da diese „inakzeptablen“ Verzögerungen Italien und anderen Ländern enormen Schaden zufügten.
Pfizer kündigte am gestrigen Sonntag an, dass ab dieser Woche die Impfstofflieferungen nach Italien wieder das vereinbarte Niveau erreichen werden.
Unterdessen hat in Paris die Haute Autorite de Sante (HAS), Frankreichs oberstes Gesundheitsberatungsgremium, bereits nahegelegt, eine Lösung für die Verzögerung bei den Impfstofflieferungen könne es sein, die Wartezeit zwischen der ersten und zweiten Dosis zu verdoppeln.
Erst vergangene Woche hatte Gesundheitsminister Olivier Véran die Impfstrategie Frankreichs verteidigt und darauf verwiesen, dass bereits zwei Millionen Impftermine angesetzt seien.
[Bearbeitet von Tim Steins]