Das Bundesumweltministerium pocht auf ein vollständiges Verbot grüner Gentechnik in Deutschland. Doch ein Grünen-Gutachten warnt: Mit den transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA könnten gentechnisch veränderte Pflanzen trotzdem auf den europäischen Markt gelangen.
Das Bundesumweltministerium unter SPD-Politikerin Barbara Hendricks pocht auf ein vollständiges Verbot grüner Gentechnik in Deutschland. Wichtig sei eine politische Vereinbarung, wonach die sogenannte Ausschlussklausel generell in Deutschland gelte, betonte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth am Dienstag in Berlin.
Das EU-Parlament hat am Dienstag eine neue Richtlinie zu Gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in Europa verabschiedet. Künftig können die Mitgliedstaaten per „Opt-out“ selbst entscheiden, den GVO-Anbau auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder ganz zu verbieten. Federführend zuständig für ein solches gesetzliches Verbot in Deutschland ist das CSU-geführte Agrarministerium, es befürwortet ebenfalls ein nationales Anbauverbot.
In einem Positionspapier des Bundesumweltministeriums will Ministerin Hendricks keine Hintertür für die Gentechnik offen lassen. Das Gentechnik-Gesetz müsse so geändert werden, dass die umstrittene grüne Gentechnik in Deutschland unter keinen Umständen genutzt werden kann, heißt es in dem Dokument, das der „Süddeutschen Zeitung“ vorliegt.
„Die grüne Gentechnik hat sich als Holzweg erwiesen“, sagte Hendricks. Diese sei für Umwelt und Natur riskant und werde von Verbrauchern nicht gewünscht. „Deshalb möchte ich, dass wir zukünftig immer von den neuen EU-Regeln Gebrauch machen, die die Gentechnikfreiheit in Deutschland garantieren können.“
Ein Gutachten der Grünen Bundestagsfraktionen sieht das Gentechnik-Verbot jedoch bedroht durch die Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP). Unter dem Titel „Freihandel – Einfallstor für die Agro-Gentechnik“ hat der Experte Christoph Then die möglichen Konsequenzen von TTIP auf Grundlage des CETA-Textes analysiert. Auf dieser Grundlage kommt Then zu dem Schluss, dass mit TTIP „die EU Standards zum Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft wie Maßnahmen gegen Kontaminationen und zur Reinhaltung von Saatgut mittelfristig abgesenkt werden“. Zu erwarten seien auch A?nderungen bei den Zulassungsverfahren.
Die Kernaussagen der Studie:
- Die Anwendung des Vorsorgeprinzips ist in CETA und voraussichtlich auch in TTIP nicht vorgesehen: In der EU entscheidet die Politik über die Zulassung von Genpflanzen, bevor sie überhaupt auf den Markt kommen. In Nordamerika hingegen gelten sie bis zum Beweis des Gegenteils als sicher.
- In den USA und Kanada gibt es auch keine gesetzlichen Regelungen zum Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft. Die von Kritikern beschworene Wahlfreiheit, Landwirtschaft ohne gentechnisch veränderte Pflanzen zu betreiben, wie sie jetzt von der EU beschlossen wurden, wäre mit TTIP in Gefahr.
- Die Bundesregierung beraubt sich zudem mit CETA der Möglichkeit, eigene Vorhaben umzusetzen: Eine Ausweitung der Kennzeichnungspflicht auf Produkte von mit Gentechnik gefütterten Tieren, wie es sich die große Koalition laut Koalitionsvertrag vorgenommen hat, wird durch CETA quasi unmöglich.
- In der EU gibt es eine strikte Trennung zwischen Risikoanalyse und Zulassung: In Europa befindet die Lebensmittelbehörde EFSA über die Risiken, während die politischen Gremien über die Zulassung urteilen. In Nordamerika sind für die zwei Schritte allein die Behörden zuständig
Staatssekretär Flachsbarth weist die Bedenken um den Verbraucherschutz entschieden zurück: Man werde keine Absenkung von Standards, also etwa eine Aufweichung der Gentechnik-Regulierung, durch TTIP akzeptieren.
Auch die SPD-Europaabgeordnete Susanne Melior gibt Entwarnung: „Die bestehenden Regeln für den Anbau von GVO werden durch die TTIP-Verhandlungen nicht beeinflusst: Ein Abkommen muss sich EU-Recht beugen – nicht umgekehrt! Alles andere würde im Europäischen Parlament keine Zustimmung finden.“