Manchmal geht es ganz schnell: Nach drei gemeinsamen Sitzungen und weniger als einem Monat Verhandlungszeit haben sich die EU-Institutionen auf neue Transparenzvorschriften für die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit geeinigt. Die EU-Gesetzgeber hatten sich offensichtlich vorgenommen, das Dossier noch vor Ablauf der aktuellen Legislaturperiode fertig zu stellen.
Minister und EU-Parlamentsabgeordnete haben in Straßburg gestern Nacht eine Vereinbarung zur Aktualisierung des Allgemeinen Lebensmittelgesetzes (General Food Law, GFL) getroffen.
Die neue Gesetzgebung folgt auf Kontroversen um die Sicherheitsbewertungen bei umstrittenen Produkten, wie beispielsweise Glyphosat.
Die Reform des GFL – mit dem 2002 die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ins Leben gerufen sowie das Prinzip der Risikoanalyse ins EU-Lebensmittelrecht eingeführt wurde – war das letzte umkämpfte Feld in Bezug auf Agrarprodukte und Lebensmittel in der laufenden Legislaturperiode.
Nachdem der sogenannte „Fitness-Check“ des GFL im Jahr 2014 gestartet und im Januar 2018 abgeschlossen wurde, präsentierte die EU-Kommission im April vergangenen Jahres neue Vorschläge, die den EU-Bürgern einen besseren Zugang zu den der EFSA vorgelegten Informationen ermöglichen und die Transparenz erhöhen sollen.
Das überarbeitete Gesetz wird jedoch nicht nur Auswirkungen auf Pflanzenschutzmittel, sondern auch auf alle anderen Genehmigungen und Zulassungen für die gesamte Lieferkette der Agrar- und Lebensmittelindustrie haben.
Langer und schwieriger Prozess
Das parlamentarische Verfahren zur Annahme der Reform hatte sich zuvor allerdings als langwierig und schwierig erwiesen. Dies gipfelte in einer unerwarteten Wendung, als die ursprüngliche parlamentarische Berichterstatterin, Renate Sommer (EVP), nach der Annahme des entsprechenden Berichts ankündigte, ihre Arbeit niederzulegen. Sommer kritisierte dabei den „populistischen Gesetzesvorschlag“ der Kommission und die Unterstützung des EU-Parlaments dafür.
Sommers Nachfolgerin wurde eine andere Abgeordnete der EVP, die Spanierin Pilar Ayuso.
Nach der gestrigen Abstimmung bestätigte auch der Schattenberichterstatter der EFDD, Piernicola Pedicini, gegenüber EURACTIV, dass der Reformvorschlag mehrfach Gefahr gelaufen sei, nicht angenommen zu werden.
„Wir mussten innerhalb des Parlaments Druck ausüben, um klarzustellen, dass die Lebensmittelsicherheit ein Thema ist, bei dem Verzögerungen oder Verschiebungen einfach nicht hingenommen werden können,“ sagte er.
Kommission und EFSA zufrieden
EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis begrüßte die schlussendliche Einigung und erinnerte daran, dass der Vorschlag auch eine Folge der Europäischen Bürgerinitiative zum Thema Glyphosat sei.
Mit der Annahme der Reformvorschläge hätten die EU-Institutionen gezeigt, „dass wir die Forderung nach mehr Transparenz in einer frühen Phase des Risikobewertungsprozesses […] gehört haben“, so der Kommissar in einer Mitteilung. Diese Forderung sei insbesondere über die Europäische Bürgerinitiative zu Pestiziden geäußert worden.
Andriukaitis fügte hinzu, die EFSA solle nun gestärkt werden, indem die Mitgliedstaaten stärker in ihren Verwaltungsrat einbezogen werden.
And we are done! First ever citizens’ initiative gets an agreed legislation! It shows that with a political will and determination we can do wonders addressing citizens’ concerns. #transparency #gfl #food
Big thanks to @ayuso_pilar & co-rapporteurs & @ro2019eu ?? pic.twitter.com/mzYKi8W5RN— Vytenis Andriukaitis (@V_Andriukaitis) February 11, 2019
„Die heutige Vereinbarung, zu der ich das Parlament, den Rat und die Kommission beglückwünsche, enthält wichtige Maßnahmen, die die EFSA stärken und unsere Wissenschaft noch offener und robuster machen werden,“ zeigte sich auch Bernhard Url, der geschäftsführende Direktor der EFSA, unmittelbar nach der Abstimmung gegenüber EURACTIV zufrieden.
Für die Zukunft sei es „wichtig, dass diese Maßnahmen – wie im Vorschlag vorgesehen – mit angemessenen Mitteln ausgestattet werden, damit die EFSA sie auch umsetzen kann,“ forderte er.
Der Verband der europäischen Pestizidindustrie (ECPA) begrüßte die Vereinbarung ebenfalls. Gegenüber EURACTIV hieß es: „Mehr Transparenz ist gut für uns alle: für die Industrie, für die Institutionen und für die Bürger gleichermaßen.“
Nie wieder Lebensmittelskandale?
„Sicherlich hätte noch mehr getan werden können, aber es ist trotzdem ein großer Schritt nach vorne,“ kommentierte EFDD-Schattenberichterstatter Pedicini abschließend.
Ihm zufolge fehlte dem Parlament in einigen Kernpunkten der Spielraum. Bei der Frage, ob die Transparenzregeln auch auf Sitzungen zwischen den Mitgliedstaaten in den zuständigen Fachausschüssen ausgedehnt werden sollten, hätten Rat und Kommission beispielsweise gemauert.
Zumindest gebe es nun aber „eine neue Verordnung, nach der die EFSA verpflichtet ist, die eingegangenen Anträge zusammen mit allen Daten und Studien, die zur Unterstützung dieser Anträge bereitgestellt wurden, zu veröffentlichen,“ fügte er hinzu.
Der Schattenberichterstatter der sozialdemokratischen S&D, Pavel Poc, lobte die Einigung und betonte, in Europa dürfe es „keine Glyphosat-mäßigen Vorfälle“ mehr geben.
In einer Pressemitteilung zeigte er sich zufrieden: „Der Rat hat die grundlegenden Standpunkte des Europäischen Parlaments – die von der S&D-Fraktion nachdrücklich befürwortet und geprägt wurden – gebilligt, einschließlich der frühzeitigen Offenlegung von Informationen während der Risikobewertung.“
[Bearbeitet von Sam Morgan & Tim Steins]