Die EU-Kommission hat am Mittwoch einen Vorschlag vorgelegt, mit dem das Vertrauen der Öffentlichkeit in wissenschaftliche Studien zur Lebensmittelsicherheit wiederhergestellt werden soll.
Auch in Reaktion auf eine Europäische Bürgerinitiative gegen die Wiederzulassung des umstrittenen Herbizids Glyphosat hat die EU-Exekutive einen neuen Vorschlag vorgelegt, der nun mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten diskutiert und bis Mitte 2019 verabschiedet werden soll.
Sowohl Gesundheitsaktivisten als auch politische Entscheidungsträger hatten den fehlenden Zugang zu wissenschaftlichen Studien, die für die Zulassung von Produkten verwendet werden, kritisiert. Diese Beschränkung wird oftmals mit Verweis auf Geschäftsgeheimnisse begründet. Für die Kritiker ist sie aber vor allem ein Zeichen der mangelnden Transparenz der chemischen Industrie.
Mit dem neuen Vorschlag würden EU-Bürger besseren Zugang zu Informationen erhalten, die der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) für Lebensmittel-Zulassungen vorgelegt werden.
Unter dem Eindruck der Monsanto-Papers und um zu vermeiden, dass Unternehmen für sie ungünstige Studien „verstecken“, beabsichtigt die Exekutive, ein gemeinsames europäisches Register der in Auftrag gegebenen Studien zu schaffen, in dem alle Informationen abgelegt werden.
Die Kommission wies jedoch darauf hin, dass vertrauliche Geschäftsinformationen weiterhin nicht weitergegeben werden dürften, „solange dies nicht hinreichend gerechtfertigt ist“. Die Antragsteller von Lebensmittelzulassungen sollten daher sowohl eine nicht-vertrauliche/öffentliche als auch eine vertrauliche Version der Studien vorlegen.
In zwei Fällen würden vertrauliche Informationen jedoch veröffentlicht werden: Erstens, wenn eine dringende Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, der Tiergesundheit oder der Umwelt unerlässlich ist. Und zweitens, wenn die Informationen ohnehin bereits Teil der Schlussfolgerungen einer EFSA-Stellungnahme sind und sich auf erwartbare gesundheitliche Auswirkungen beziehen.
Darüber hinaus sieht der Vorschlag der Kommission eine verbesserte Präsenz der Experten der einzelnen Mitgliedstaaten im Verwaltungsrat der EFSA vor.
„Die Mitgliedstaaten werden unabhängige und hochqualifizierte Experten für die Mitgliedschaft in den wissenschaftlichen Gremien der EFSA vorschlagen, um einen großen Pool von Experten zusammenzustellen, aus dem die besten Experten ausgewählt werden, die die strengen Kriterien der EFSA für Unabhängigkeit und Exzellenz erfüllen,“ erklärte die EU-Exekutive.
Von EU-Steuerzahlern geförderte Studien?
Ein weiterer Vorschlag bezieht sich auf die Möglichkeit, dass die Kommission von der EFSA bei heftigen Kontroversen zusätzliche Studien anfordern kann. Diese zusätzlichen Studien, so die Kommission, sollten aus dem EU-Haushalt finanziert werden.
„Dies gilt jedoch unabhängig von der Verantwortung der Antragsteller, die wissenschaftlichen Nachweise bereitzustellen, die von der EFSA für das Risikobewertungsverfahren benötigt werden,“ stellte die Exekutive klar.
Dennoch löste der Vorschlag Empörung bei der Umwelt-NGO Greenpeace aus, die in einer Erklärung deutlich sagte, die chemische Industrie sei weiterhin für die Prüfung ihrer eigenen Produkte verantwortlich.
„Die Veröffentlichung von Testergebnissen, um Anträge auf Zulassung von Pestiziden zu untermauern, ist das absolute Minimum. Die Kommission übertüncht hier nur ein größeres Problem. Den Herstellern von Pestiziden sollte es schlicht nicht erlaubt sein, die Prüfung ihrer eigenen Produkte zu kontrollieren,“ sagte Greenpeace-Sprecher Mark Breddy.
Breddy weiter: „Dies sollte in der Regel Aufgabe der EU sein – nicht nur in kontroversen Fällen. Und die Studien sollten nicht von den Steuerzahlern, sondern von den Unternehmen, die ihre Produkte zulassen wollen, finanziert werden.“
Auf der Gegenseite begrüßte die Pestizidindustrie den Vorschlag der Kommission und erklärte, es sei wichtig, das Vertrauen der Öffentlichkeit in das bestehende System zu stärken.
„Als Beweis [für unsere Unterstützung] haben wir kürzlich ein globales Engagement der Industrie in Bezug auf Daten-Transparenz in Studien, die im Rahmen von Zulassungsverfahrens für Pestizide verwendet werden, angekündigt,“ erinnert Graeme Taylor, ein Sprecher des europäischen Pestizid-Industrieverbands ECPA.
Im Dezember 2017 hatte Bayer als erster Akteur der Agrar- und Ernährungsindustrie eine Transparenz-Website gestartet, die den Zugang zu wissenschaftlichen Daten ermöglicht, die für die Bewertung von Pflanzenschutzmitteln benutzt werden.
„Mit diesem Schritt übernimmt Bayer eine führende Rolle bei der Transparenz-Förderung und sichert gleichzeitig vertrauliche Informationen über Produktzusammensetzung und Herstellungsprozesse,“ so Utz Klages von Bayer gegenüber EURACTIV.com.
Klages wies außerdem darauf hin, dass im März 2018 die Transparenz-Initiative von Bayer in die nächste Phase eingetreten sei. „Vollständige, detaillierte und sicherheitsrelevante Studienberichte können jetzt angefordert werden – sofern sie nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden.“
Aus Klages Sicht ist diese Bayer-Initiative daher „ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz“. Man habe das Ziel, „die Öffentlichkeit mit unserer wissenschaftlichen Gemeinschaft auf eine Art und Weise verbinden, die Vertrauen schafft und unseren Willen zeigt, bessere Transparenz zu schaffen.“