Nach über 40 Jahren Verhandlungen hat die EU ein neues einheitliches Patent beschlossen. 24 Mitgliedsstaaten haben das Abkommen unterzeichnet. Das EU-Patent ersetzt die bestehenden nationalen Patentregelungen und soll Anfang 2014 in Kraft treten.
"Die Unterzeichnung des Übereinkommens über ein einheitliches Patentgericht ist ein wahrhaft historischer Moment", freut sich der Vertreter der irischen EU-Ratspräsidentschaft und Minister für Arbeitsplätze, Unternehmen und Innovation Richard Bruton bei der Unterzeichnung am 19. Februar in Brüssel. "Sobald das gesamte Patentpaket umgesetzt ist, können europäische Unternehmen bei einer einzigen Anlaufstelle ein Patent beantragen, das in den meisten EU-Mitgliedsstaaten Gültigkeit besitzt, und haben Zugang zu einem einheitlichen Streitregelungssystem für Patentfragen im Falle einer Verletzung oder Löschung des Patents."
Heute müssen Patentanträge beim Europäischen Patentamt (EPA) eingereicht werden, welches zwar ein einheitliches Verfahren kennt – ein gewährtes Patent ist jedoch lediglich ein "Bündel" nationaler Patente. Bei Streitigkeiten gibt es keine einheitliche Gesetzgebung und den Betroffenen drohen Gerichtsverfahren unter mehreren europäischen Jurisdiktionen. Die Vereinbarung sei darum "ein entschiedener Schritt […] zur Einführung eines wirklich supranationalen Patentsystems in Europa", ist EPA-President Benoît Battistelli überzeugt.
Wachstumsimpulse für die Wirtschaft
Das bisherige Verfahren ist nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell sehr aufwendig. Die Kosten für eine Patentanmeldung und Validierung liegen in den 27 EU-Staaten derzeit bei durchschnittlich 36.000 Euro und sind damit bis zu 60 Mal höher als in China. Das neue EU-Patent soll laut Angaben der Kommission nur noch 4.725 Euro kosten, weil sich die Übersetzungskosten als bisher größter Kostenfaktor wesentlich verringern.
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier sprach am Abend der Unterzeichnung von einem großen Schub für die Wettbewerbsfähigkeit: "Die Kosten werden um 80 Prozent gesenkt. In der Geschichte der europäischen Integration gibt es nicht viele Schritte von solcher Tragweite, in einem solch wichtigem Bereich." Die EU-Kommission schätzt, dass innovative Unternehmen jährlich zwischen 150 und 290 Millionen Euro einsparen werden.
Günstige Auswirkungen auf die Wirtschaft erwartet auch der österreichische Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner: "Raschere und günstigere Patentanmeldungen fördern die Innovationsbereitschaft und bringen unseren Unternehmen Vorteile im internationalen Wettbewerb. […] Wir haben sehr exportstarke Unternehmen, die überproportional von einem günstigeren und unbürokratischeren EU-Patent profitieren. Das gilt besonders für die vielen innovativen Klein- und Mittelbetriebe."
Nationale Interessen und Vorbehalte
Noch vor einem Jahr stritten Deutschland, Frankreich und Großbritannien erbittert über den Sitz des neuen europäischen Patentgerichts. Im Juni 2012 einigten sich schließlich die Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident François Hollande und der britische Premierminister David Cameron auf einen Kompromiss: Der Gerichtshof soll dreigeteilt werden. Der Hauptsitz soll nach Paris kommen, Patentstreitigkeiten im Bereich der Biowissenschaften in London angehört und Fälle mit physikalischem oder technischem Bezug in München geklärt werden.
Nicht dabei sind Spanien, Italien, Bulgarien und Polen. Italien hat das Abkommen zwar unterzeichnet, will das EU-Patent jedoch nicht anwenden. Die Patentanträge müssen in Deutsch, Französisch oder Englisch eingereicht werden. Italien und Spanien sehen sich dadurch sprachlich benachteiligt. Bulgarien bleibt vorerst außen vor, da das Land vor einer Unterzeichnung erst noch nationale administrative Anpassungen vornehmen will. Polen sieht in dem einheitlichen Patent eine Bedrohung für seine Wirtschaft – schließt jedoch eine spätere Übernahme nicht aus.
Patrick Timmann
EURACTIV Brüssel: Single European patent officially signed (20. Februar 2013)
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