TTIP-Abstimmung im EU-Parlament steht auf der Kippe

Im EU-Parlament wird sich ab März ein Sonderausschuss mit Glyphosat befassen. [Foto: European Parliament]

Die Abstimmung im Europaparlament zum Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) in der kommenden Woche steht in Frage: Die Sozialdemokraten (S&D) wollen von einer Absprache über das Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren (ISDS) mit der Europäischen Volkspartei (EVP) nichts mehr wissen. EURACTIV Brüssel berichtet.

Bei einem Treffen am Mittwoch bekräftigte die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament (S&D) ihre ursprüngliche Position zum Schlichtungsverfahren im Freihandelsabkommen vom März. Diese sieht vor, keine Schlichtungsklausel in das Abkommen aufzunehmen.

Noch in der vergangenen Woche verabschiedete der Ausschuss für Internationalen Handel nach langwierigen Verhandlungen und einem Kuhhandel der Parteien eine nichtverbindliche Resolution. Diese gab der Kommission grünes Licht zum Freihandelsabkommen. Denn das umstrittene Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren (ISDS) sollte demnach –wenn auch reformiert – Teil des Abkommens bleiben.

„Die S&D-Fraktion wird keine private Schlichtung akzeptieren. ISDS ist definitiv nicht der Weg vorwärts. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch die Europäische Union haben verlässliche nationale Gerichte, was das reguläre Verfahren zur Lösung jeglicher Streitigkeiten sein sollte“, sagt David Martin, S&D-Handelssprecher.

Das Recht der Regierungen im öffentlichen Interesse zu regulieren müsse „unmissverständlich“ sein, so Martin. „Und das Prinzip gleicher Rechte zwischen nationalen und ausländischen Investoren muss gesichert sein“.

Die S&D ist mit dieser Auffassung auf einer Linie mit den Grünen. Diese kritisierten die sozialdemokratischen Parlamentarier, den Konservativen in der vergangen Woche das Feld überlassen zu haben. Damit hätten sie für ein steriles Ergebnis gesorgt, anstatt die wachsenden Sorgen in der europäischen Öffentlichkeit über ISDS zum Ausdruck zu bringen.

Noch gibt es keine Reaktion der EU-Kommission dazu. Doch die kommenden Tage werden wahrscheinlich ein Wettlauf gegen die Zeit. Dabei soll ein Kompromiss gefunden werden. Sollte dieser Fall nicht eintreten, könnten die Abgeordneten gegen die Fraktionsvorgaben und entlang der nationalen Linien abstimmen.

Die Debatte wird voraussichtlich innerhalb der nationalen Delegationen der S&D geführt.

Eine ISDS ablehnende Resolution könnte die Büchse der Pandora auch für das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) wieder öffnen, befürchten Analysten. Im Abkommen mit Kanada gibt es eine ‚reformierte‘ ISDS-Klausel.

Doch in ihrer Position vom März unterstrich S&D die unterschiedlichen Voraussetzungen der beiden Freihandelsabkommen. Denn die Verhandlungen mit Kanada sind bereits abgeschlossen.

„Dennoch betonen wir, dass diese Reformen für die Schließung von Schlupflöchern unzureichend sind“, so das S&D-Papier.

Insgesamt 13 parlamentarische Ausschüsse gaben eine Stellungnahme zum Freihandelsabkommen mit den USA ab. Alle nahmen den ISDS-Mechanismus darin auf. Und das trotz der wachsenden öffentlichen Ablehnung. Denn – so fürchten Kritiker – könnten Unternehmen außergerichtliche Tribunale zur Herausforderung von staatlichen Behörden und nationalen Gesetzen nutzen.

Die Kommission schlug Schritte für eine Umwandlung des ISDS-Verfahrens in ein System vor, das eher wie ein traditionelles Gericht funktioniert. Darunter fällt die Ernennung ständiger Schlichter. Sie sollen ähnliche Einschränkungen wie nationale Richter haben. Die Kommissionsvorschläge sehen auch die Einführung eines bilateralen Berufungssystems vor.

Die EU forderte gleichzeitig auch den Aufbau eines ständigen multilateralen Investitionsgerichts mit Richtern mit einer Amtszeit. Dieses Gericht soll einen bilateralen Mechanismus mit der Zeit ersetzen.

Die Abgeordneten schienen vom Kommissionsvorschlag nicht beeindruckt zu sein. Doch letztendlich unterstützten sie ihn. Im Juni wird die Resolution dem Plenum im Europaparlament zur Abstimmung vorgelegt.

„Diese Resolution ist der Anfang vom Ende für ISDS, eine längst überfällige Entwicklung“, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Internationalen Handel, S&D-Mann Bernd Lange, noch in der vergangenen Woche nach der Abstimmung des Ausschusses.

Es könnte das Ende des ISDS sein – zumindest ein ISDS, wie man es aus bisherigen Freihandelsabkommen kennt. Doch abzuwarten sind, ob sich nicht auch Vorschläge aus den Mitgliedsstaaten in der Debatte durchsetzen können. Frankreich machte dazu einen ersten Schritt.

Bisher gab es neun Verhandlungsrunden zum Freihandelsabkommen mit den USA. Die letzte Runde fand vom 20. – 24. April in New York statt.

Im Juni 2013 beauftragten die Staats- und Regierungschefs die Kommission mit den Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit den USA. Sie gaben Leitlinien zu den Verhandlungsinhalten vor.

Die Verhandlungen zwischen den USA und der EU über das Freihandelsabkommen begannen im Juli 2013. In den Leitlinien steht, dass die EU die Aufnahme von Bestimmungen zum Investitionsschutz und dem Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren (ISDS) in das vorgeschlagene Abkommen anstreben sollte.

Die Mitgliedsstaaten haben bereits 1.400 Abkommen mit ISDS-Mechanismus abgeschlossen. Einige gibt es bereits seit den fünfziger Jahren. Alle sind sich einig, dass es einen dringenden Reformbedarf gibt.

Die Kommission leitete eine Konsultation der Öffentlichkeit zu ihrer möglichen Vorgehensweise zum Investitionsschutz und ISDS im Freihandelsabkommen ein. Dabei fragte sie, ob der vorgeschlagene EU-Ansatz die richtige Balance zwischen dem Investorenschutz auf der einen Seite und der Sicherung des Rechts und der Möglichkeiten der EU, im öffentlichen Interesse zu regulieren auf der anderen Seite, findet.

Die Verhandlungen zum Investitionsschutz im Freihandelsabkommen wurden im Januar 2014 ausgesetzt. Sie sollen erst dann wieder aufgenommen werden, wenn die Kommission glaubt, dass ihre neuen Vorschläge neben anderen Dingen garantieren, dass die Rechtsprechung der nationalen Gerichte durch Sonderregelungen für Konflikte zwischen Investoren und Staaten beschränkt wird.

Die endgültige Entscheidung, die von Rat und Parlament in einer Abstimmung ratifiziert werden muss, wird, wie Präsident Juncker am 22. Oktober 2014 vor dem Europäischen Parlament erklärte, im Einvernehmen mit dem ersten Vizepräsidenten Timmermans getroffen, welcher sicherstellen wird, dass die ISDS den Prinzipien des Vorrangs des Rechts, der Gleichheit vor dem Gesetz sowie der Transparenz vollständig entspricht.

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