Seit Jahren hängt ein Freihandelsabkommen mit Thailand in der Luft, das aber wegen menschenverachtender Verhältnisse in der Fischereiindustrie zurückgehalten wird. Nun möchte die EU den Dialog wieder eröffnen.
Shrimps, Thunfisch oder Meeresfrüchte spielen nicht nur in der thailändischen Küche eine prominente Rolle, sie sind auch ein treibender Wirtschaftsfaktor. Seit drei Jahren steht das Land allerdings unter Druck, denn die EU, Thailands drittwichtigster Handelspartern nach China und Japan, droht, den Einkauf von Fischereiprodukten einzustellen. 2015 stellte die EU im Rahmen ihrer Verordnung gegen unregulierte Fischerei zwei gelbe Karten gegen das Land aus. Das ist eine klare Warnung, denn sollte eine rote Karte folgen, würde die EU ihren Fischhandel mit Thailand komplett aufkündigen.
Geschehen ist das bisher nicht, auch wenn hat sich das Handelsvolumen für Fischexporte in die EU letztes Jahr im Vergleich zu 2014 um rund 240 Millionen Euro reduziert hat. Der Grund für die stockenden Geschäfte ist die teils unzertifizierte Fischerei in Thailand, die gegen EU-Importvorgaben verstößt. Aber es geht um mehr, nämlich um Berichte über Menschenhandel und schlimme Ausbeutung vieler der 3,8 Millionen ausländischen Arbeiter, die meist aus Burma, Laos und Kambodscha kommen. „Die Arbeitsbedingungen auf den Fischerbooten sind größtenteils katastrophal und grenzen an moderne Sklaverei“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese gegenüber EURACTIV, als die EU ihre gelben Karten ausstellte. „Es herrschen unhaltbare Zustände ohne jeden Schutz der Arbeiter.“
Eigentlich liegt seit 2013 ein fertig verfasstes Freihandelsabkommen mit Thailand in den Schreibtischen der Kommission bereit. Doch angesichts der Umstände in der Fischereiindustrie gilt es einstweilen als eingefroren. Nun ist wieder Bewegung in die Verhandungen gekommen – im letzten Dezember beschlossen die EU-Außenminister im Rat, die Gespräche mit Thailand wieder auf allen Ebenen aufzunehmen. Vorausgesetzt, dass die Misstände ausgeräumt werden, heißt es seitens der Kommission.
Kontrollen erreichen noch längst nicht alle
Die Drohungen der EU haben bereits Wirkung gezeigt. Die Regierung hat sich seit 2015 sichtlich bemüht, mit den geforderten Missständen aufzuräumen, meint die Europaabgeordnete Barbara Lochbihler (Grüne/EFA). Sie war mit dem Unterausschuss für Menschenrechte des Parlaments nach Thailand gereist, um sich ein Bild der Lage zu machen, bevor die EU neue Gespräche für das Handelsabkommen aufnimmt. Wichtige arbeitsrechtliche Bestimmungen über Löhne, Arbeitszeiten, Sicherheit und Versorgung sind durchgesetzt worden. Darüber hinaus inspizieren geschulte Sicherheitsbeamte die Fischeboote und ihre Besatzung bei jeder Ein- und Ausfahrt aus dem Hafen.
„Das Personal ist qualifiziert. Dort wo kontrolliert wird, geschieht das durchaus angemessen“ so Lochbihler. Doch das System bleibe ineffizient, 800.000 Menschen seien noch nicht erfasst. Außerdem sind die Maßnahmen zu oberflächlich, kritisiert sie: „Es gibt noch viel zu wenig Verurteilungen von Kapitänen und Bootseignern. Bei den Kontrollen wird nicht an die Hintermänner rangegangen, die in Situationen extremer Ausbeutung ihre Finger im Spiel haben“.
Zu dem Schluss kommt auch ein im Januar veröffentlichter Bericht von Human Rights Watch (HRW). Zwar hätten die Überwachungssysteme tatsächlich zu erheblichen Verbesserungen geführt. Aber vieles passiere nur auf dem Papier. Das neu eingeführte „pink card“ System, mit dem alle Fischereiarbeiter Dokumente zu ihrem Arbeitsstatus mitführen müssen, hat die Situation in Wirklichkeit verschlimmert, meint die Menschenrechtsorganisation. Denn Fischer sind so an eine Region oder einen Arbeitgeber gebunden und können ihn nicht verlassen. Die thailändische Regierung müsse unbedingt ihren Begriff von Zwangsarbeit überarbeiten und anekennen, dass diese auch formell registrierte Fischer betreffen kann, fordert HRW: „Auf diese Weise bleiben regelmäßige Menschenrechtsverletzungen ungeahndet, während selbstzufriedene Staatsbeamte sich damit begnügen, den Papieren zu vertrauen, welche die Fischereibetriebe als Beleg ihrer Regeltreue einreichen“.
Bleibt Thailand weiterhin in der Hand des Militärs?
Damit das Freihandelsabkommen abgeschlossen werden kann, wird Thailands Regierung weiterhin klare Beweise der Besserung vorlegen müssen. Für Brüssel liegt der Fokus der Verhandlungen weniger auf der Einhaltung von Fischereipraktiken als auf den Menschenrechten. Voraussetzung für den nächsten Schritt ist eine demokratische Wahl, die aufgrund des Todes des Königs seit 2016 immer wieder verschoben wird. Derzeit wird das Land von einer Militärregierung geführt, die nach monatelangen politischen Unruhen im Mai 2014 in einem Coup die Macht übernommen hatte. Inzwischen ist Wahl für das Frühjahr 2019 angesetzt.
Inwiefern die Wahl den Griff des derzeitigen Ministerpräsidenten und Heeresoffiziers Prayuth Chan-Ocha lockern wird, ist allerdings fraglich. Momentan gilt noch ein Versammlungsverbot für mehr als fünf Personen, außerdem hängt ein Gesetz gegen Beleidigung des Königshauses wie ein Damoklesschwert über jeder Art von Wahlkampf.
Mit der Aussicht, dass Thailand auch nach einer Wahl weiterhin keine freie Zivilregierung haben könnte, muss die EU umso mehr auf eine klare Linie setzen, meint Lochbihler: „Wir haben doch den Handlungsspielraum, denn der EU Markt ist sehr attraktiv für die thailändische Regierung. Aber vorher müssen Versammlungs- und Meinungsfreiheit garantiert werden. Außerdem muss Thailand wichtige Kernresolutionen der internationalen Arbeitsorganisation unterschreiben, damit die Fischer zum Beispiel Gewerkschaften beitreten können.“
Gleichzeitig weiß man in Brüssel, dass ein Verzicht auf ein Handelsabkommen mit Thailand auch einem Machtverlust in der Region gleichkäme, denn China und Japan beherrschen den thailändischen Markt. Es bleibt zu hoffen, dass die grüne Karte mit Blick darauf nicht voreilig ausgeteilt wird.