Obwohl die EU und die Mercosur-Länder sich weiterhin für ein gemeinsames Handelsabkommen aussprechen, will die Europäische Kommission das Ziel des südamerikanischen Blocks, bis September eine Einigung zu erzielen, nicht unterstützen. Zwischen den beiden Seiten gäbe es noch erhebliche Diskrepanzen, heißt es aus Brüssel.
Vergangene Woche hatte Argentiniens Außenminister Jorge Faurie in Brüssel angekündigt, bis September könnte eine politische Vereinbarung unterzeichnet werden. „Wir werden bis Ende Juli verhandeln, bevor wir Ende August nach Brüssel zurückkehren, um ein politisches Abkommen zu unterzeichnen,“ sagte Faurie nach zweitägigen Gesprächen zwischen EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und den Mercosur-Ministern.
Ein Sprecher der Europäischen Kommission erklärte hingegen gestern: „Es ist noch zu früh, um zu sagen, wann eine politische Einigung erzielt werden kann.“ Der Sprecher fügte hinzu, in Bereichen wie Autos und Autoteile, geografische Angaben, maritime Dienstleistungen und Milchprodukte bleibe „noch viel zu tun“.
Darüber hinaus hatte der französische Finanzminister Bruno Le Maire am Rande des G20-Ministertreffens am Wochenende in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires daran erinnert, dass es auch in Fragen der Landwirtschaft und Viehzucht nach wie vor Differenzen gebe.
Rindfleisch, Käse, Wein…
Insbesondere die Rindfleischimporte aus den Mercosur-Ländern Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay waren (und sind weiterhin) einer der Hauptstreitpunkte. Dieses Thema ist gerade in den EU-Mitgliedstaaten Frankreich und Irland besonders heikel.
Ein EU-Beamter unterstrich allerdings, es gehe bei den Verhandlungen nicht ausschließlich um Rindfleisch. Es gebe auch andere Fragen, bei denen inhaltliche Diskrepanzen bestehen.
Ein weiteres umstrittenes Thema ist die Liste der Produkte mit geschützten geografischen Angaben (ggA), die aus Sicht der EU als Teil des Abkommens anerkannt werden müssten. Die Liste der Union umfasst insgesamt 357 Erzeugnisse, von denen jedoch etwa 50 als umstritten gelten, darunter Manchego-Käse, Cognac und Rioja-Wein.
„Wir machen gute Fortschritte, wir haben es mit einigen sehr schwierigen Themen zu tun, es gibt immer noch eine lange Liste,“ fasste Handelskommissarin Malmström vergangene Woche gegenüber Reportern zusammen.
Mehr Handelsabkommen „dank“ Trump
Die EU-Mercosur-Verhandlungen waren 2016 nach einem gescheiterten Versuch im Jahr 2010 wieder aufgenommen worden. Der erneute Anlauf war vor allem Teil eines europäischen Vorstoßes als Reaktion auf die protektionistische Haltung von US-Präsident Donald Trump.
Seit Trumps Amtsantritt drängt Europa auf die Unterzeichnung diverser Handelsabkommen.
So wurden Handelsabkommen mit Kanada und Japan unterzeichnet. Außerdem hat die EU ihr Partnerschaftsabkommen mit Mexiko modernisiert und nimmt demnächst Gespräche mit Neuseeland und Australien auf.
Nach Angaben der EU und der Mercosur-Länder war in den letzten Monaten eine politische Einigung in Reichweite gewesen. Bereits im vergangenen Jahr hatte Brüssel angesichts der Bedeutung der Partnerschaft und des politischen Zeitplans – in Brasilien stehen Anfang 2019 Wahlen an, in der EU im Mai – den Abschluss einer Vereinbarung bis Ende 2017 ins Auge gefasst.
Das Abkommen mit Mercosur sei mit Blick auf den potenziellen Handelswert „das wichtigste Handelsabkommen“, betonte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im vergangenen Oktober.
Tatsächlich hätte ein solcher Handelsvertrag einen Wert, der das Achtfache des mit Kanada geschlossenen Handelsabkommens (CETA) und das Vierfache des Volumens des jüngsten Abkommens mit Japan – dem derzeit größten der EU – betragen würde.