Justizminister will EU-Regeln zu Nachhaltigkeitsberichten nachverhandeln

Buschmann sagte auf der Berliner Konferenz: „Ich fühle mich da mitunter ein bisschen wie der Sisyphos, der den Stein hochrollt. Wenn ich dann oben ankomme, lächelt mich [EU-Kommissionspräsidentin] Ursula von der Leyen an und rollt den Stein wieder zurück.“ [Michael Kappeler/picture alliance via Getty Images]

Bundesjustizminister Marco Buschmann will die Verhandlungen über die europäischen Regeln für Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen (CSRD) wieder aufnehmen. Kurz zuvor wurde Deutschland und 16 weitere EU-Staaten von der Kommission für die Nichteinhaltung von Umsetzungsfristen verwarnt.

Buschmann (FDP) schloss sich am Freitag (27. September) der jüngsten Kritik an, dass die zunehmenden EU-Nachhaltigkeitsregeln die globale wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Europas beeinträchtigten.

Am Freitag sagte er auf einer von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) organisierten Konferenz: „Meiner Meinung nach müssen wir den Zeitraum bis zur vollständigen CSRD-Umsetzung nutzen, um nochmal nachzuverhandeln.“

Die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen wurde 2022 verabschiedet und trat im Januar 2024 in Kraft. Es änderte den bisherigen Rahmen der EU für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen durch Unternehmen, die nicht im Finanzsektor tätig sind. Damit wurde ein breiteres Spektrum von Unternehmen in den Geltungsbereich der Vorschriften aufgenommen.

Die Umsetzung der Vorschriften soll über einen Zeitraum von zwei Jahren erfolgen. Kleinere Unternehmen sollen 2027 erstmals über ihre Aktivitäten von 2026 berichten.

Am Donnerstag (26. September) hat die Europäische Kommission jedoch eine formelle Mahnung an die Regierungen von 17 EU-Staaten geschickt, darunter Deutschland, Spanien, die Niederlande und Österreich. Grund dafür ist die versäumte Umsetzung der Berichterstattungsrichtlinie bis zum Ablauf der offiziellen Frist am 6. Juli.

Sisyphos-Arbeit oder „vorgezogenes Wahlkampfthema“?

Unterdessen hat die Kommission die Richtlinie in ihre Pläne zum Bürokratieabbau, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, aufgenommen. Dies soll durch eine Reduzierung der Berichtspflichten um 25 Prozent geschehen.

Im Fall der Regeln zu Nachhaltigkeitsberichten führte dies zu Vorschlägen, die Fristen für bestimmte Sektoren sowie für nicht in der EU ansässige Unternehmen um zwei Jahre, von 2024 auf 2026, zu verschieben. Diese Fristverlängerung wurde im August vom Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten angenommen.

Dennoch sagte Buschmann auf der Berliner Konferenz: „Ich fühle mich da mitunter ein bisschen wie der Sisyphos, der den Stein hochrollt. Wenn ich dann oben ankomme, lächelt mich [EU-Kommissionspräsidentin] Ursula von der Leyen an und rollt den Stein wieder zurück.“

Er wies auf das am Donnerstag vom Bundestag beschlossene Bürokratieentlastungsgesetz IV hin, von dem er erwarte, dass es die Erfüllungskosten von Unternehmen für die Einhaltung von nationalen Regeln um rund eine Milliarde Euro senken werde. Dieser Erfolg werde durch die Auswirkungen der zunehmenden EU-Gesetzgebung jedoch zunichte gemacht.

Die Folgenabschätzung der CSRD habe gezeigt, dass die nationale Umsetzung neue Erfüllungskosten in Höhe von 1,6 Milliarden Euro für deutsche Unternehmen verursachen würde, sagte er.

Der SPD-Abgeordnete Christian Petry bezeichnete dies gegenüber Euractiv jedoch als reine „FDP-Initiative“, die nicht von der Bundesregierung stamme. Sie sei als „vorgezogenes Wahlkampfthema“ für die Bundestagswahl im kommenden Jahr zu werten.

Ein „technokratischer Gang“

Buschmann kritisierte den Gesetzgebungsprozess der Richtlinie zu Nachhaltigkeitsberichterstattung, da es keine breite öffentliche Diskussion über die Regeln gegeben habe. Er sprach von einem sehr „technokratischen Gang“.

Im EU-Parlament, so der Minister weiter, würden Gesetze oft nur von einer kleinen Gruppe von Verhandlungsführern diskutiert. Es gebe „in den [politischen] Fraktionen keine Debatte darüber“.

Hildegard Bentele (CDU), die einzige Europaabgeordnete, die am Freitag bei der Veranstaltung in Berlin anwesend war, widersprach jedoch Buschmanns Aussagen. Diese beruhten auf einem „falschen Bild von Berichterstattern“, sagte sie Euractiv am Rande der Konferenz.

Die Berichterstatter „verhandeln im Namen ihrer Fraktionen“, erklärte sie, “[deshalb] müssen sie immer mit ihnen Rücksprache halten und die Fraktionen bilden sich immer noch ihre eigene Meinung über die Ergebnisse der Verhandlungen der Berichterstatter“.

Unterdessen kritisierte Richard Gardiner, Leiter für EU-Politik bei der World Benchmarking Alliance, einer privatwirtschaftlichen Initiative zur Erfassung des Fortschritts von Unternehmen bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen, Buschmanns Argumente als unhaltbar.

„Dass es an öffentlicher Debatte mangelte, ist Unsinn. Die Liberalen und die Konservativen haben sich aus diesen Diskussionen im Parlament zurückgezogen. Sie weigerten sich, dies offen zu debattieren – wie bei [anderen] wichtigen Dossiers – und jetzt jammern sie, dass ihnen das Ergebnis nicht gefällt“, erklärte Gardiner gegenüber Euractiv.

Er argumentierte, dass „der Mangel an konstruktivem Engagement“ bestimmter Fraktionen die Kommission dazu veranlasste, „obskure Zusagen“ zur Reduzierung der bürokratischen Belastung um 25 Prozent zu machen.

„Dies hat nur noch mehr Verwirrung gestiftet, da die Leute versuchen, herauszufinden, was 25 Prozent eigentlich bedeuten, anstatt zu versuchen zu verstehen, welche Berichterstattung erforderlich ist und wo es klare Überschneidungen gibt“, sagte er.

Zu wenig und zu spät beteiligt?

Auf der Konferenz am Freitag kritisierten mehrere deutsche Unternehmer und Politiker, dass sie zu spät in den EU-Gesetzgebungsprozess einbezogen würden, nämlich oft erst dann, wenn der nationale Umsetzungsprozess der EU-Gesetze in Gang komme.

„Wenn wir als DIHK unseren Kollegen sagen: ‚Achtung, da kommt etwas [von der europäischen Ebene], dann weiß jeder, ehe das bei uns in Deutschland in den Unternehmen ankommt, dauert das fünf Jahre“, erklärte Martin Wansleben, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer.

„Dann hat jeder in Deutschland anderes zu tun, als sich mit irgendeinem Gedöns zu beschäftigen, was in fünf Jahren kommt“, sagte er. „Und wenn es dann in fünf Jahren kommt, sagt jeder: ‚Oh, wo waren wir denn?‘“, fuhr er fort.

„Wir müssen früher an diesen Prozess ran“, sagte der CDU-Abgeordnete Martin Plum.

„Wir müssen schon bevor ein Vorschlag der Kommission in der Welt ist, versuchen, Einfluss zu nehmen und das Schlimmste zu verhindern“, fügte er hinzu.

Von der Leyens EVP will 70% der EU-Ausgaben auf Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren

Beim anstehenden Treffen der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) will die größte Fraktion im EU-Parlament ihre Prioritäten für die Kommissionspolitik der nächsten Jahre verabschieden. Man setzt vor allem auf Wettbewerbsfähigkeit und eine radikale Umschichtung der EU-Ausgaben.

Korrektur: In einer vorherigen Version des Beitrages wurde fälschlicherweise vom EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) gesprochen. Mit CSDR ist hingegen die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen gemeint – auch bekannt als Berichterstattungsrichtlinie oder auch Nachhaltigkeitsrichtlinie.

*Anna Brunetti und Nick Alipour haben zur Berichterstattung beigetragen

[Bearbeitet von Anna Brunetti/Alice Taylor/Kjeld Neubert]

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