Weniger als zwei Wochen, nachdem die Europäische Kommission die Fusion von Siemens und Alstom verhindert hat, haben Frankreich und Deutschland am gestrigen Dienstag ein gemeinsames „Manifest“ zur Industriepolitik veröffentlicht, in dem Änderungen der EU-Fusionsregelungen gefordert werden.
„Heute sind unter den 40 größten Unternehmen der Welt nur noch fünf europäische Firmen,“ heißt es im Papier.
Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier betonten am Dienstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin den „massiven Nachteil“ der europäischen Unternehmen gegenüber ihren chinesischen und amerikanischen Konkurrenten.
„Um neue „European Champions“ zu schaffen, ist es notwendig, den europäischen Rechtsrahmen zu verändern,“ machte Le Maire klar. Er erinnerte gleichzeitig daran, dass Länder wie China ihre heimischen Unternehmen stark subventionieren.
Die beiden Regierungen fordern, die Fusionsrichtlinien müssten „aktualisiert“ werden, um dem Wettbewerb auf globaler statt lediglich auf europäischer Ebene besser Rechnung zu tragen.
In ihrem fünfseitigen Strategiepapier schlagen Frankreich und Deutschland außerdem vor, den Mitgliedstaaten im Europäischen Rat das Recht einzuräumen, einige Kartellentscheidungen der Europäischen Kommission aufzuheben. Dies solle allerdings nur für „genau definierte Fälle“ gelten.
„Manchmal gibt es nichts Dümmeres als europäische Regeln“
„Es ist das erste Mal, dass Frankreich und Deutschland gemeinsame Vorschläge zur Änderung der EU-Wettbewerbsregeln vorlegen,“ sagte Le Maire. „Wir haben leistungsfähige, moderne Technologien und wir wollen nicht, dass sie anderen Kontinenten besser diesen als unserem.“
Bei einer Veranstaltung am Dienstagabend bezeichnete Le Maire das Fusionsverbot für Siemens und Alstom von Seiten der Europäischen Kommission als einen wirtschaftlichen und politischen Fehler.
„Manchmal gibt es nichts Dümmeres als europäische Regeln,“ so der Minister wörtlich.
Neben einer Änderung der Fusionsvorschriften fordert das deutsch-französische Industriemanifest auch „massive Investitionen in Innovationen“ sowie Maßnahmen zum Schutz europäischer Technologien, Unternehmen und Märkte.
Beide Minister betonten darüber hinaus, die Vollendung der Kapitalmarktunion würde es den europäischen Finanzmärkten ermöglichen, weitere Innovationen in der Industrie zu fördern.
„Es geht darum, die Wertschöpfung in Europa zu erhalten,“ betonte Le Maire. „Wir wollen schließlich nicht, dass ein Unternehmen, das seit vielen Jahren mitfinanziert wird, in die Hände von [ausländischen] Investoren gelangt,“ fügte er mit Verweis auf den ehemals deutschen Roboterhersteller Kuka hinzu. Dieser war 2016 von der chinesischen Midea aufgekauft worden.
Mit dem veröffentlichten Manifest scheint Altmaier nun die Industriepolitik gemeinsam mit Frankreich aktiv gestalten zu wollen. Das soll vor allem den deutschen Mittelstand schützen, bedeutet gleichzeitig aber auch einen Rückzug vom bisherigen deutschen „Laissez-faire“-Ansatz bei Wirtschafts- und Marktentscheidungen.
Zusammenarbeit bei Batterietechnologie
Die beiden Minister stellten darüber hinaus eine neue gemeinsame Initiative vor, bei der Deutschland und Frankreich zusammen 1,7 Milliarden Euro zur Unterstützung der heimischen Produktion von Batteriezellen für Elektrofahrzeuge bereitstellen.
Altmaier erklärte, man hoffe, die entsprechenden Genehmigungen über staatliche Beihilfen von der Europäischen Kommission noch vor dem 1. April zu erhalten.
Beide Minister wollten sich nicht dazu äußern, wo ein erstes gemeinsames Batterienwerk entstehen könnte. Stattdessen betonten sie, das Projekt stehe allen Mitgliedsstaaten offen: „Bisher haben Polen, Spanien und Italien ihr Interesse an dem Projekt bekundet,“ sagte Le Maire.
Mit der Initiative sollen die Abhängigkeit der europäischen Automobilhersteller von asiatischen Anbietern von Elektrofahrzeugbatterien verringert und europäische Arbeitsplätze geschützt werden.
„Es ist gefährlich, sich auf ausländische Lieferanten, insbesondere aus Asien, zu verlassen,“ glaubt Le Maire. „Was wir wollen: Die gesamte Wertschöpfungskette europäisch halten.“
In seiner Rede nannte der französische Minister Chinas „Neue Seidenstraße“ das wichtigste strategische Wirtschaftsprojekt weltweit. Mit der Seidenstraße arbeite China daran, auf wirtschaftlicher Ebene „alles zu übernehmen“, warnte er abschließend.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic]