Europa muss anerkennen, dass seine Zukunft nicht mehr in den fossilen Brennstoffen liegt, betonte der Präsident der Europäischen Investitionsbank gestern bei der Präsentation der Geschäftsergebnisse für das Jahr 2020.
„Um es milde auszudrücken: Gas ist vorbei,“ sagte Werner Hoyer am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. „Das markiert eine eindeutige Abkehr von der Vergangenheit. Aber ohne den Ausstieg aus der ungebremsten Nutzung fossiler Brennstoffe werden wir die Klimaziele nicht erreichen können.“
Zur Erinnerung: Die EU will bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen und wird voraussichtlich ein neues CO2-Reduktionsziel von minus 55 Prozent bis 2030 beschließen. Die Nutzung von Erdgas bleibt dabei eine gewisse Grauzone: Die Europäische Kommission geht davon aus, dass Gas nach wie vor benötigt wird, um den stark von Kohle abhängigen EU-Mitgliedsstaaten die Energiewende zu erleichtern.
Im Rahmen ihrer 2020 veröffentlichten Klimabank-Roadmap plant die EIB ihrerseits, künftig 50 Prozent ihrer Finanzierungsaktivitäten für Projekte zur Förderung von Klima- und Umweltverträglichkeit einzusetzen. Bis 2030 soll so eine Billion Euro für grüne Finanzierungen bereitgestellt werden. Außerdem wolle man sicherstellen, dass in Zukunft alle Aktivitäten mit dem Pariser Abkommen in Einklang stehen.
Gas wird im Rahmen der Klima-Roadmap der EIB daher nur noch begrenzt unterstützt. Lediglich Kraftwerke, die weniger als 250 Gramm CO2 pro Kilowattstunde ausstoßen, sind derzeit nach den Regeln der Bank förderfähig. Die EIB will ihre „Dekarbonisierungspolitik“ fortsetzen, indem sie alle Finanzierungen für fossile Brennstoffe vor Ende dieses Jahres auslaufen lässt.
Stattdessen werden mehr Finanzmittel in Energieeffizienzprojekte, Projekte für erneuerbare Energien, grüne Innovationen und Forschung fließen, erklärte Hoyer.
Die Roadmap skizziert des Weiteren die Absicht der EU-Bank, sowohl „grünen Wasserstoff“ – erzeugt aus erneuerbarem Strom – als auch sogenannten „CO2-armen Wasserstoff“ zu unterstützen, der entweder aus Atomkraft oder Erdgas mit CO2-Abscheidungstechnologie hergestellt werden kann.
Noch mehr tun
Während die EIB ihre finanzielle Unterstützung für fossile Brennstoffe bis zum Ende des Jahres beenden will, müsse allerdings noch mehr getan werden, damit sie tatsächlich „die Klimabank der EU“ wird, so CEE Bankwatch, ein Netzwerk aus Umwelt-NGOs, die in Mittel- und Osteuropa tätig sind.
„Im Verkehrssektor könnte die EIB künftig beispielsweise immer noch Autobahnen und Schnellstraßen fördern – und das zu einer Zeit, in der Privatfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren dringend eingeschränkt und nicht mehr gefördert werden sollten,“ sagt Anna Roggenbuck, Policy Officer bei CEE Bankwatch.
Roggenbuck kritisiert außerdem, die EIB-Roadmap enthalte keinerlei Leitlinien für die Auswahl vertrauenswürdiger Kunden und Finanzvermittler. Eine frühere Bankwatch-Analyse habe gezeigt, dass die EIB zwischen 2013 und 2019 insgesamt 4,7 Milliarden Euro an öffentlichen EU-Geldern an Unternehmen mit hohem Kohleanteil in der Strom- und Wärmeerzeugung vergeben hatte.
„Dieses politische Schlupfloch muss geschlossen werden, um sicherzustellen, dass die EIB nicht länger die Klimakrise finanziert, und sei es auch nur indirekt,“ fordert Roggenbuck.
Klimafreundliche Finanzierungen
2020 war ein „schwieriges und entscheidendes“ Jahr, fasste Hoyer bei der gestrigen Präsentation zusammen. So war ursprünglich der Brexit als größtes Problem im Jahr 2020 erwartet worden. Stattdessen habe aber vor allem die Coronavirus-Pandemie die Bank in ihrem Bestreben, „Europas Klimabank“ zu werden, stark gefordert.
Trotzdem sei der Anteil der Klima- und Umweltfinanzierungen von 34 auf 40 Prozent des Gesamtvolumens der EIB gestiegen. Die Bank scheint somit auf gutem Weg, ihr Ziel von 50 Prozent zu erreichen.
„Wir haben eine beispiellose Wirkung auf das Klima erzielt und die Basis für einiges mehr bereitet. Aber das Risiko eines Aufschwungs, der das Klima und die Umwelt vernachlässigt, bleibt,“ warnte Hoyer. „Der Kampf gegen den Klimawandel kann nicht warten, bis die Pandemie vorbei ist. Die COVID-Krise ist kein Grund, um aufzuhören, die riesigen Klima- und Umweltherausforderungen anzugehen, vor denen die Menschheit steht.“
Die EIB warnt weiter, es gebe eine wachsende Investitionslücke, die die Ambitionen der EU für einen „grünen Wirtschaftsaufschwung“ bedrohe. Laut einem Bericht, der heute veröffentlicht werden soll, erwarten tatsächlich rund 45 Prozent der EU-Unternehmen, dass sie ihre Investitionen aufgrund der Pandemie reduzieren werden (müssen).
Hoyer dazu: „Die Europäische Union läuft Gefahr, im globalen Wettbewerb an Boden zu verlieren, wenn sie nicht mehr Geld für Innovationen mobilisiert.“
[Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins]