EU-Budget: Kommission will mehr Geld und EU-Steuer

Die EU-Kommission will den EU-Haushalt 2014 bis 2020 aufstocken und eigene EU-Steuern einführen. Nicht nur aus Berlin und London gab es dazu bisher ein deutliches "Nein" an den EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski. Foto: EC

Die EU-Kommission hat gestern den Entwurf für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 vorgelegt. Die Behörde verlangt fünf Prozent mehr Geld für den EU-Haushalt und will eigene EU-Steuern einführen. Das EU-Parlament ist begeistert, manche Mitgliedsstaaten sind wenig erfreut. Die Briten meinen: Das ist völlig unrealistisch. EURACTIV.de zeigt die Reaktionen aus Deutschland und Europa.

Trotz des absehbaren Widerstands der Mitgliedsstaaten hat die EU-Kommission Steuern zur Finanzierung des EU-Haushaltes in den kommenden Jahren vorgeschlagen.

Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer sowie einer EU-Mehrwertsteuer sollen direkt in den Haushalt fließen. Das gesamte Budget der Europäischen Union solle damit nicht erhöht werden, denn die Beiträge der Mitgliedstaaten würden sinken, erklärte EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski am Mittwoch in Brüssel.

Vorbehalte in den Mitgliedsstaaten

Deutschland und viele andere EU-Staaten sind gegen spezielle Steuern zur Finanzierung der Gemeinschaft. "Ich erwarte ziemlich harte Diskussionen in den kommenden Monaten", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Der neue Finanzrahmen soll Ende 2012 verabschiedet werden.

Die britische Regierung hat den vorgeschlagenen Anstieg im EU-Haushalt postwendend als "völlig unrealistisch" zurückgewiesen. "Großbritannien und die anderen größten Nettozahler der EU haben deutlich gemacht, dass das EU-Budget eingefroren werden muss. Wir bleiben dabei. Die EU muss die gleichen harten Maßnahmen ergreifen, da die nationalen Regierungen in ganz Europa mit Haushaltsdefiziten zu kämpfen haben", zitiert der Guardian einen Sprecher der britischen Regierung.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat erklärt, dass "das Gesamtvolumen des Finanzrahmens deutlich über dem liegt, was die Bundesregierung für vertretbar hält". Die Steuer-Pläne der Kommission wies er ebenfalls zurück. "Es gibt keinen Bedarf für eine solche Steuer, so Westerwelle.

Fünf EU-Staaten – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Finnland und die Niederlande – hatten bereits Ende 2010 in einem gemeinsamen Brief gefordert, dass das Budget der EU ab 2014 nicht stärker als die Inflation steigen solle (EURACTIV.de vom 20. Dezember 2010).

Schwerpunkte im EU-Haushalt

Der Vorschlag zum Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 sieht insgesamt 971,5 Milliarden Euro an Zahlungsermächtigungen vor. Absolut gesehen ist das eine Erhöhung um knapp fünf Prozent gegenüber der Finanzperiode von 2007 bis 2013, in der 925,5 Milliarden Euro ausgegeben werden können. Dies entspricht der Forderung des Europäischen Parlaments. Die EU könnte nach dem Entwurf erstmals Verpflichtungen von mehr als einer Billion Euro – insgesamt 1.025 Milliarden Euro – eingehen.

Das EU-Budget würde demnach um 4,8 Prozent ansteigen, was deutlich über der Inflationsrate im vergangenen Jahrzehnt (2 Prozent) liegt. Die Kommission lässt die zwei größten Ausgabeposten – Landwirtschaft und Regionalpolitik – weitestgehend unverändert.

Zwei neue Bereiche werden dagegen mit erheblichen EU-Geldern ausgesattet. Das betrifft den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und den Bereich Inneres mit den Teilbereichen Grenzkontrollen, Sicherheit und Immigration.

Einige Programme, die bisher im EU-Budget eingestellt waren – z.B. der Europäische Globalisierungsfonds oder die Entwicklung des Kernfusionsreaktor ITER – werden aus dem Budget herausgerechnet. Somit sind zusätzlich geplante Ausgaben in Höhe von 58 Milliarden Euro im EU-Budget nicht enthalten.

Aufregung in Brüssel

Die geplanten Mehrausgaben sollen teilweise durch Kürzungen bei den Verwaltungskosten ausgeglichen werden. Bei den Beamten und Angestellten in den EU-Institutionen herrscht aufgrund der geplanten Änderung des bestehenden EU-Beamtenstatut seit Wochen Unruhe, hieß es heute aus EU-Kreisen gegenüber EURACTIV.de. Die Kommission hatte gestern vorgeschlagen, die Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 40 Stunden zu erhöhen und das Rentenalter von 63 auf 65 Jahren zu erhöhen. Außerdem soll das EU-Personal bis 2018 um 5 Prozent sinken.

Kommission stärkt Parlamentsposition

Die Europaparlamentarierer hatten am 8. Juni in einer gemeinsamen Postionen gefordert, den EU-Hauhalt 2014 bis 2020 um mindestens fünf Prozent aufzustocken. Das EU-Parlament will zudem die nationalen Sonderrabatte abschaffen und das EU-Eigenmittelsystem reformieren (EURACTIV.de vom 8. Juni 2011).

Die EU-Kommission hat in ihrem Vorschlag viele Forderungen des EU-Parlaments aufgegriffen. Entsprechend positiv waren die ersten Reaktionen. Alain Lamassoure (UMP), Vorsitzender im Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments, sagte, er sei froh, dass der Kommissionsvorschlag die wesentlichen Prioritäten des Europäischen Parlaments widerspiegele. "Gib das Geld besser dort aus, wo Europa notwendig ist, um anderswo Geld einzusparen. Und vor allem geht es darum, neue, moderne und europäische Einnahmen zu finden, um die nationalen Beitragszahlungen zu senken", sagte der französische EU-Abgeordnete. Lamassoure hatte gemeinsam mit Jutta Haug (S&D) und Guy Verhofstadt (ALDE) ein "Plädoyer für eine Zäsur in der Finanzierung der EU" veröffentlicht.

Reaktionen im EU-Parlament

Während sich deutsche Europaabgeordnete von SPD und Grüne enttäuscht zeigen, weil das EU-Budget nicht stärker erhöht werden soll, kritisierten deutsche Europaabgeordnete der Union die geplanten Mehrausgaben und die angedachte EU-Steuer.

Die SPD-Haushaltsexpertin Jutta Haug sagte, dass die EU mehr Geld erhalten müsse. "Wenn man genauer hinschaut, dann werden für das gemeinsam verabredete ‚Mehr‘ an Aufgaben, die in den nächsten Jahren auf Europa zukommen, nicht die entsprechend notwendigen Mittel gegenüber gestellt", so Haug. Sie verwies dabei auf das von der EU-Kommission vorgeschlagene und neu zusammen­geführte Rahmenprogramm für Forschung, Innovation und technische Entwicklung an"Wenn man alles zusammenrechnet, was darunter gefasst wurde, bleiben wir lediglich bei der gleichen Finanzausstattung wie zurzeit. Das ist kein ambitionierter Ansatz und bei Weitem nicht ausreichend", so Haug.

Die Grünen bedauerten ebenfalls, dass die EU-Kommission zu wenig Geld veranschlagt. "Wir sagen Nein zu dem Vorschlag der Kommission, den EU-Haushalt auf einem Niveau einzufrieren, das ungenügend ist. Auf dem Niveau, das die Kommission vorgeschlagen hat, wird die EU nicht in der Lage sein, die gemeinsamen Ziele, wie zum Beispiel in der EU-2020-Strategie festgelegt, zu erreichen", so Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament.

Dem deutschen Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU) gehen die geplanten EU-Mehrausgaben dagegen bereits jetzt zu weit. "Eine Forderung nach mehr Geld in Zeiten leerer Haushaltskassen in den Mitgliedsstaaten ist für mich unangemessen. Die Kommission muss sich nicht wundern, wenn nach Vorlage des Vorschlags, mit dem voraussichtlichen Rekordvolumen von 1.000 Milliarden Euro, erhebliche Kritik auf sie zukommen wird. Nicht mehr Forderungen nach noch mehr Geld, sondern den künftigen EU-Haushalt auf dem Niveau von 2013 einzufrieren, sollte eine gangbare Lösung sein", sagte Ferber, der damit die Haltung der Bundesregierung unterstützte.

Agrarhaushalt unverändert

Der Agrarhaushalt soll unverändert bei 371,7 Milliarden Euro über den gesamten Zeitraum bleiben. Neben den Kohäsionsfonds mit insgesamt 376 Milliarden Euro machen die Subventionen für die Landwirtschaft die größten Haushaltsposten aus. Zur Finanzierung wichtiger grenzüberschreitender Infrastrukturprojekte in den Sektoren Verkehr, Energie und Informationstechnologie will die Kommission 50 Milliarden Euro ausgeben. Die Ausgaben für Forschung und Innovation sollen auf 80 Milliarden Euro steigen.

Finanztransaktionssteuer

Die EU-Kommission rechnet mit jährlichen Einnahmen von bis zu 50 Milliarden Euro durch eine europaweite Finanztransaktionssteuer. Je nach Szenario lägen die Einnahmen bei 30, 50 oder sogar 70 Milliarden Euro. "Das Szenario mit 70 Milliarden Euro ist wohl zu ehrgeizig, aber wir können davon ausgehen, jährlich 30 bis 50 Milliarden Euro zu erheben", hieß es in Kreisen der EU-Kommission. Der Gesetzentwurf dazu soll im Herbst vorgelegt werden. Dagegen ist mit Widerstand der 27 EU-Mitgliedsstaaten zu rechnen, die alle zustimmen müssten.

Deutschland, Frankreich, Österreich und Luxemburg fordern schon länger eine Finanztransaktionssteuer. Das Geld soll allerdings in die nationalen Haushalte fließen. Zu den prinzipiellen Gegnern einer solchen Steuer gehören Großbritannien und Schweden mit dem Argument, ohne weltweite Steuer drohten Finanzmarktgeschäfte aus Europa abzuwandern. Auf Ebene der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) war ein Vorstoß der Europäer für eine solche globale Steuer im vergangenen Jahr gescheitert.

Deutsche Positionen zu EU-Steuer

Die deutschen Europaabgeordneten Werner Langen (CDU) und Markus Ferber (CSU) sagten, dass eine künftige Steuer auf Finanzmarkttransaktionen den Mitgliedstaaten zufließen müsse und nicht dem EU-Haushalt. "Es ist durchaus sinnvoll, eine solche Steuer einzuführen, die auch im Europaparlament eine breite Unterstützung genießt. Das kann aber nur auf nationaler Ebene geschehen, wo nicht unerhebliche Summen für die Rettung von Banken aufgebracht werden mussten", so Langen und Ferber. "Die Kommission vergisst, dass sie keine eigene Steuerhoheit hat und ohne Vertragsänderung auch nicht bekommen könnte. Und die Beiträge aus der Mehrwertsteuer gibt es ja heute schon", so die beiden Unionsabgeordneten.

"Die Systematik, derzufolge die Beiträge aus den Mitgliedstaaten kommen, wird nicht geändert werden. Für Alternativen gibt es keine Legitimation und Akzeptanz. Da darf sich die Kommission keinen Illusionen hingeben. Schließlich müssen die Staats- und Regierungschefs einstimmig die neue Finanzplanung beschließen", so Langen und Ferber.

Der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, lehnt den Vorstoß der EU-Kommission ebenfalls ab. "Eine EU-Steuer bedeutet nichts anderes als eine Erhöhung der Gesamtsteuerlast für Bürger und Unternehmen. Der in der Bevölkerung ohnehin schon angeschlagenen EU-Akzeptanz würde damit ein neuer Schlag versetzt. Die EU-Kommission sollte aufpassen, dass mit solchen Vorstößen nicht zum Totengräber der europäischen Idee wird", sagte Michelbach am Donnerstag.

Ein eigenständiges Steuerheberecht wäre nach Ansicht von Michelbach nicht nur ein massiver Eingriff in die Hoheitsrechte der Mitgliedstaaten und ein Verstoß gegen die Verträge. Es würde den Machthunger der Kommission und die finanziellen Begehrlichkeiten völlig enthemmen.

Die Grünen stehen derweil hinter dem Vorschlag der EU-Kommission zu EU-Eigenmitteln. Sie wollen die Kommission daher in den kommenden Auseinandersetzungen mit den Mitgliedstaaten unterstützen. "Das gilt besonders für die Finanztransaktionsteuer. Sie hat den Vorteil, dass sie Banken als Mitverursacher der Krise an den Kosten beteiligt und die Eigenmittel der EU stärkt. Das gewährleistet die Stabilität der Europäischen Union und beendet die immer wiederkehrenden Dispute um die EU-Beitragszahlungen der Mitgliedsstaaten", sagte Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms.

Geplante Einnahmen durch EU-Steuer

Barroso argumentierte, es sei nicht fair, dass Finanzmarktgeschäfte bisher keiner Mehrwertsteuer unterlägen. Die "völlig merkwürdigen" Bonuszahlungen in manchen Banken so kurz nach der Finanzkrise zeigten, dass es schon wieder üppige Gewinne gebe und eine Besteuerung damit nicht schade. Es sei ungerecht gegenüber der Gesellschaft, die mit öffentlichen Geldern in den vergangenen Jahren Banken retten musste.

Die Umsatzsteuer soll ein Prozent betragten. Nach Worten Lewandowskis wären daraus Einnahmen von jährlich 30 Milliarden Euro zu erwarten.

EURACTIV/rtr/mka

Ein englischsprachiger Beitrag zu diesem Thema erschien auf EURACTIV.com.

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Website zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020

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