ESM-Vertrag unterzeichnet

EU-Botschafter Peter Tempel hat am 2. Februar 2012 den ESM-Vertrag für Deutschland unterschrieben. Foto: Rat

Die Euro-Länder haben den Vertrag über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM unterzeichnet. Welche rechtlichen Hürden gibt es noch, bevor der ESM notleidende Euro-Länder retten soll? Ein Überblick mit Erläuterungen und Details zum ESM-Vertrag.

Die Euro-Länder haben den "Vertrag zur Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus", kurz ESM-Vertrag, unterschrieben. Die Diplomaten vollzogen am Donnerstag (2. Februar) den formalen Akt, den die EU-Chefs wenige Tage zuvor beim EU-Sondergipfel beschlossen hatten.

Der permanente Euro-Rettungsfonds ESM soll am 1. Juli 2012 aktiviert werden, also ein Jahr früher als ursprünglich geplant. Der bisherige Euro-Rettungsschirm EFSF ist noch bis Juni 2013 aktiv. Bisher ist geplant, den ESM mit einem Stammkapital von 700 Milliarden Euro auszustatten, damit er bis zu 500 Milliarden Euro an Krediten an notleidende Euro-Staaten weiterreichen kann.

Aufstockung des ESM

Dass diese Summe noch deutlich aufgestockt wird, ist absehbar. "Das anfängliche maximale Darlehensvolumen des ESM wird auf 500 Milliarden Euro einschließlich der ausstehenden EFSF-Stabilitätshilfe festgesetzt. Die Angemessenheit des konsolidierten maximalen Darlehensvolumens des ESM und der EFSF wird jedoch vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Vertrags neu bewertet werden. Falls dies angebracht ist, wird es ab Inkrafttreten des vorliegenden Vertrags angepasst", heißt es im Vertragstext.

Die EU-Chefs entscheiden über die ESM-Aufstockung bei ihrem nächsten regulären Treffen am 1. März, kündigte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy an.

ESM – Änderung der EU-Verträge

Da die bisherigen Euro-Rettungsmaßnahmen in einer rechtlichen Grauzone vollzogen wurden (Verstoß gegen das in den EU-Verträgen festgeschriebene Bail-out Verbot), sollen die EU-Verträge geändert werden. Der Europäische Rat hatte dazu am 25. März 2011 beschlossen (2011/199/EU), den Artikel 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um den folgenden Absatz zu ergänzen:

"Die Mitgliedsstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen."

Die Bundesregierung hatte mit Blick auf die Beschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht auf die Änderung der EU-Verträge gedrängt, um die Euro-Hilfen auf eine rechtlich saubere Grundlage zu stellen. Der Artikel 136, Absatz 3 AEUV soll als Rechtsgrundlage für die Einrichtung des dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM dienen. Alle 27 EU-Länder müssen diese Änderung ratifizieren.

Zeitplan für Ratifizierung

Wie EURACTIV.de aus Regierungskreisen erfuhr, beabsichtigen alle Mitgliedsstaaten außer Großbritannien, den geänderten Artikel 136, Absatz 3, bis Ende Juni 2012 zu ratifizieren. Der britische Premier David Cameron hat angekündigt, dass die Ratifizierung in seinem Land erst für den Herbst angedacht ist. In deutschen Regierungskreisen wurde eingeräumt, dass damit weitere Verfassungsklagen in Karlsruhe gegen den ESM wahrscheinlich seien.

Die Bundesregierung will den eigenen Zeitplan aber nicht ändern, sondern setzt auf eine Paketlösung. Die drei Ratifizierungsverfahren – Änderung der EU-Verträge, ESM-Vertrag, Fiskalpakt – sollen unmittelbar nach dem nächsten regulären Europäischen Rat am 1. und 2. März 2012 initiiert werden.

Die parlamentarischen Verfahren für die drei Ratifizierungen sind allerdings unterschiedlich, so dass die drei Ratifizierungsprozesse voraussichtlich unterschiedlich schnell abgeschlossen werden. Für die Bundesregierung sei entscheidend, dass der ESM-Vertrag rechtzeitig vor dem 1. Juli ratifiziert werde, hieß es aus Regierungskreisen.

Verknüpfung von ESM und Fiskalpakt

Auf deutsche Initiative hin soll der Fiskalpakt mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verknüpft werden. Der deutsche Grundgedanke: Wer Geld aus dem dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM haben will, muss sich zunächst im Fiskalpakt verbindlich zu Schuldenbremse und Haushaltsdisziplin verpflichten. Im ESM-Vertrag heißt es dazu: "Es ist anerkannt und vereinbart, dass die Gewährung von Finanzhilfe im Rahmen neuer Programme durch den ESM ab dem 1. März 2013 von der Ratifizierung des [Fiskalpakts] VSKS durch das betreffende ESM-Mitglied abhängt."

VSKS steht dabei für "Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion", kurz: Fiskalpakt. Der angestrebte Fiskalpakt ist eine Notlösung, weil Großbritannien und Tschechien die entsprechende Änderung der EU-Verträge nicht mittragen wollen. Der zwischenstaatlich ausgehandelte Fiskalpakt soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Dazu muss der Vertrag in mindestens 12 EU-Ländern ratifiziert worden sein.

Michael Kaczmarek

Links


ESM:
Vertrag zur Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus (Februar 2012)

Rat: European Stability Mechanism treaty signed (2. Februar 2012)

Rat: Der finanzpolitische Pakt ist unterschriftsreif (31. Januar 2012)

Ratspräsident: Statement on the signature of the European Stability Mechanism Treaty (2. Februar 2012)

Zum Thema auf EURACTIV.de

Ergebnisse des deutschen EU-Gipfels (31. Januar 2012)

Merkel noch gegen höheren Euro-Rettungsfonds ESM
(24. Januar 2012)

FDP-Mitgliederentscheid gegen ESM gescheitert (16. Dezember 2011)

EU-Gipfel: Vertragsänderung oder "typisch Brüsseler Trickkiste" (8. Dezember 2011)

Euro-Urteil: Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen (7. September 2011)

Euro-Rettung: Konstruktionsfehler beim EFSF (25. August 2011)

Abonnieren Sie unsere Newsletter

Abonnieren