Die USA werden kein Handelsabkommen mit der EU abschließen, wenn die Landwirtschaft nicht einbezogen wird, warnte der US-Botschafter bei der EU, Gordon Sondland, während einer Konferenz auf dem European Business Summit am Dienstag in Brüssel.
Die EU-Mitgliedstaaten hatten der Kommission Anfang April trotz des Widerstands Frankreichs die Berechtigung zur Aufnahme von Gesprächen mit den USA erteilt. Ziel ist es, auf die Abschaffung der Zölle auf Industriegüter hinzuarbeiten.
Das Mandat erlaubt es der Europäischen Kommission jedoch nicht, das Thema Landwirtschaft zu verhandeln, sondern ausschließlich Industriegüter. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump drängt hingegen weiterhin darauf, landwirtschaftliche Produkte in einen Deal einzubeziehen.
„Bevor ein endgültiges Abkommen vom Kongress ratifiziert wird, muss es etwas über die Landwirtschaft geben. Ich weiß nicht, wie weit gefasst dieses Abkommen sein wird; vielleicht ist es symbolisch, vielleicht ist es substantiell, vielleicht ist es etwas dazwischen… Aber die Landwirtschaft wird definitiv, so oder so, in diesem Abkommen vorkommen,“ sagte Sondland dem Publikum in Brüssel.
Grundlage für die Handelsgespräche zwischen der EU und den USA ist die im Juli 2018 unterzeichnete gemeinsame Erklärung von Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Von der Landwirtschaft war beim damaligen Treffen keine Rede gewesen.
Aber: „Sie werden irgendwann auf die Landwirtschaft zu sprechen kommen,“ betonte Sondland. „Auch wenn man den kleinen französischen Familienbauernhof romantisieren kann: Wir haben ebenfalls viele kleine romantische Höfe in Iowa,“ so der US-Botschafter.
„Ich glaube zwar nicht, dass die Landwirtschaft an sich ausreicht, um das gesamte Handelsdefizit [der USA gegenüber Europa] zu beheben, aber es muss dennoch eine ernsthafte Einbeziehung der Landwirtschaft geben,“ betonte Sondland.
Angst vor TTIP 2.0
Frankreich hatte die Aufnahme von Handelsgesprächen mit den USA vor allem mit der Begründung abgelehnt, man befürchtete, dass dadurch die sogenannte Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) quasi „durch die Hintertür“ wiederbelebt werden könnte. Die Landwirtschaft war einer der Hauptstreitpunkte in den gescheiterten TTIP-Gesprächen gewesen. Beispielsweise konnte keine Einigung beim Schutz der geografischen Ursprungsbezeichnungen erzielt werden.
Der französische Präsident Emmanuel Macron lehnte die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der EU und den USA außerdem mit Verweis auf Trumps Entscheidung, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, ab.
Junckers Besuch in Washington im Juli 2018 sollte die Spannungen zwischen den beiden Seiten abbauen, nachdem Trump beschlossen hatte, Maßnahmen gegen Stahl- und Aluminiumimporte zu verhängen und mit weiteren Zöllen für europäische Autos drohte. Die EU beschloss in Reaktion darauf Vergeltungszölle auf amerikanische Produkte.
Nachdem die EU-Mitgliedstaaten nun also das Verhandlungsmandat erteilt haben, können die EU und die USA die eigentlichen Verhandlungen aufnehmen. Ende des Monats werden der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer und die europäische Handelskommissarin Cecilia Mälmstrom voraussichtlich eine Bestandsaufnahme der bisherigen Verhandlungsfortschritte vornehmen.
„Keine andere Wahl“ für Trump
Auf Nachfrage, ob die EU die Verhandlungen bisher „verschleppt“ habe, antwortete Sondland kategorisch: „Ja. Die EU hat aufgrund ihrer eigenen egoistischen Absichten kein Interesse an der Aushandlung dieses Handelsabkommens.“
Er verwies auf die weiterhin bestehenden nichttarifären Handelshemmnisse und den Handelsüberschuss der EU gegenüber den USA, über den sich die Trump-Regierung bereits seit Monaten beschwert.
„Jeden Tag, der vergeht und an dem die EU im eigenen Interesse kein Handelsabkommen mit den USA aushandelt, ist es ein guter Tag für Europa,“ behauptete Sondland. Gleichzeitig sei aber jeder Tag ein schlechter Tag für die USA, „weil solche Ungleichgewichte auf Dauer nicht nachhaltig sein können“.
Der US-Botschafter argumentierte daher weiter: „Der Präsident hat keine Wahl.“ Trump müsse sich dringend mit dem Thema auseinandersetzen und die europäische Seite damit konfrontieren.
Sondland zeigte sich jedoch zuversichtlich für die Zukunft. Angesichts eines möglichen Scheiterns der Verhandlungen werde „die EU bald erkennen“, dass „diese Ungleichgewichte langfristig auch für sie nicht gut sind“, glaubt er.
Auf die Frage, ob die USA aktuell auch die Pläne der britischen Premierministerin Theresa May für die Zeit nach dem Brexit ausloten, antwortete Sondland lediglich: „Es liegt im Interesse der USA, dass wir, wenn der Brexit eintritt, frei sind, Handelsabkommen mit Großbritannien und mit der EU auszuhandeln“.
[Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins]