Bei seiner Rede am Tag der Industrie zeigte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kritisch gegenüber seinen SPD-KollegInnen im Kabinett. Auch eine spitze Bemerkung gegen Kanzlerkandidat Olaf Scholz war dabei. Gleichzeitig warnte er vor verfrühtem Wahlkampf.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) schien ganz in seinem Element zu sein. Er sprach am Montagnachmittag am Tag der Industrie, organisiert vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). UnternehmerInnen, MittelständlerInnen, Industrielle: Das ist seit Jahren sein Publikum, er weiß, was sie hören wollen. Und das gab er ihnen.
„Es darf keinen zweiten Shutdown geben. Und soweit es nach mir geht, wird es auch keinen zweiten Shutdown für Industrie und Wirtschaft geben“, so Altmaier am Podest. Applaus. Als er die aktuell steigenden Infektionszahlen in Deutschland ansprach, nahm er die Anwesenden aus der Schuld: Das habe nichts mit Ansteckungsrisiken in Betrieben zu tun, die Ursache liege vielmehr im Privaten. Konkret nennt Altmaier Familienfeiern.
Tatsächlich gab es etwa Ende September in Nordrhein-Westfalen einen Corona-Ausbruch bei einer Feier, 900 Menschen mussten in Quarantäne. Allerdings gab es zumindest im Sommer auch größere Infektionsherde in Betrieben, etwa in Schlachthöfen wie Tönnies. Laut Aussagen einiger MitarbeiterInnen, wie Lukasz Kowalski, trugen die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen ihren Teil zur Clusterbildung bei. Auch Altmaier forderte damals Aufklärung und Verbesserungen, etwa bei der Unterbringung.
„Es sind immer die anderen“
Auch ein Hauch von verfrühtem Wahlkampf ging durch die Verti Music Hall, beziehungsweise Frustration über den verfrühten Wahlkampf anderer: Ein schmaler Grat. „Ich will Ihnen anbieten, dass wir uns weniger mit der Frage beschäftigen, wer in einigen Monaten Kanzlerkandidat oder Minister ist, sondern dass wir die großen politischen Herausforderungen anpacken“, so Altmaier. Seine „geschätzten“ KollegInnen im Kabinett würden momentan laufend mit neuen Vorschlägen kommen: Christine Lambrecht (SPD) mit ihren fairen Verbraucherverträgen, Hubertus Heil (SPD) mit seinem Recht auf Home Office, Unionskollege Gerd Müller (CSU) mit seinem Lieferkettengesetz. „Jeder Minister will wohl das machen, wofür er sich gewählt glaubt“, so Altmaier.
Gegen den SPD-Kanzlerkandidaten folgte eine kleine Spitze. Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz forderte am Wochenende erneut eine Reichensteuer, um die Kosten der Corona-Krise zu stemmen. Als er am selben Tag im ARD gefragt wurde, ob er sich denn selbst als reich empfinde, verneinte er. Und auch seiner Zuschreibung als „Obere Mittelschicht“ wollte er nicht zustimmen: „So viel wie derjenige, der das für sich qualifiziert hat, verdiene ich nicht und habe ich auch nicht als Vermögen“. Vermutlich eine Anspielung auf Friedrich Merz, Anwärter für den CDU-Vorsitz und damit Scholz‘ potentieller Widersacher im Wahlkampf. Er selbst hatte sich selbst 2018 als Mitglied der „gehobenen Mittelschicht“ bezeichnet.
Den Ball nahm Altmaier heute auf. Eine Steuererhöhung sei gerade jetzt falsch, das wäre „Gift für den Aufschwung“. Und wenn man die Befürworter einer Reichensteuer frage, wer denn die Reichen sind, „sind es immer die anderen, nie einer selbst“.
„Menschenwürdiges Leben“ für nächste Generation
Beim Klimawandel forderte Altmaier dazu auf, kommenden Generationen einen belebbaren Planeten zu überlassen. Die jungen AktivistInnen seien „nicht fanatisiert, das sind Bürgerliche, Jugendliche mit tollen Noten, die bereit sind, hart zu arbeiten“, so der Minister. Wichtig sei nun, langfristige Entscheidungen zu treffen und Schlüsseltechnologien zu fördern – dabei dürfe man nicht nur auf Batteriezellen setzen, sondern müsse diversifizieren, denn technologischer Fortschritt sei unvorhersehbar. Das schaffe auch Arbeitsplätze.
Dass Brüssel nun die Klimaziele erhöht, sei nicht seine Idee gewesen, „ich habe in neun Jahren als Minister überhaupt kein Klimaziel erhöht, sondern wollte die vorhandenen erfüllen“. Aber diese Anstrengungen seien notwendig, damit die nächste Generation ein „menschenwürdiges Leben“ führen könne.
Auch seine Vorrednerin, EU-Kommissarin Margrethe Vestager, unterstrich die Notwendigkeit einer klimafreundlichen europäischen Industrie. Das werde Platz finden in der Neufassung der EU-Industriestrategie, die nächstes Jahr erscheinen soll. Außerdem entscheide sich demnächst, ob die Kommission die wegen der Corona-Krise flexibilisierten Regeln für Staatshilfen ein weiteres Mal verlängern wird.