Eine Intensivierung des Handels zwischen der EU und den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifischer Raum), insbesondere den afrikanischen Ländern, bildete ein Kernziel des Cotonou-Abkommens. Dieses sollte vor allem in Form von regionalen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPAs) erreicht werden.
Es lässt sich aber festhalten: Das hat nicht geklappt. Acht Prozent der EU-Exporte und weniger als sieben Prozent der Importe kamen 2016 aus Afrika bzw. gingen dorthin.
Die WPA-Verhandlungen verliefen schleppend – größtenteils, weil viele afrikanische Regionalblöcke kritisieren, die Europäische Kommission dränge sie, den Zugang zu ihren Märkten für europäische Unternehmen zu öffnen. Bisher wurde lediglich ein WPA erfolgreich ratifiziert, nämlich mit den sechs Staaten der Entwicklungsgemeinschaft südliches Afrika (Southern African Development Community, kurz SADC).
Ungeliebte WPAs
Den Willen der afrikanischen Länder, sich in Handelsfragen nicht länger von der EU gängeln zu lassen, betont auch Carlos Lopes, der seit Juli der Hohe Repräsentant der Afrikanischen Union für die Gespräche über einen Nachfolger des Cotonou-Abkommens ist.
„Die Realität ist klar: Die WPAs wurden schlecht ausgehandelt und – abgesehen von der SADC – sind die meisten nicht umgesetzt worden,“ erinnerte er gegenüber EURACTIV.
Lopes fügte hinzu, die teilweise eng gesteckten Fristen für die Zustimmung und Ratifizierung der WPAs seien „künstlich, um den Eindruck zu erwecken, dass sie der einzige Weg sind, um Zugang zum europäischen Markt zu erhalten“.
In der Realität könnten aber viele afrikanische Länder bereits heute weitgehend zollfrei mit der EU handeln, da sie als „am stärksten benachteiligte Nationen“ der Erde angesehen werden. Sie seien daher verständlicherweise der Meinung, dass die WPAs ihnen wenig bieten.
So haben beispielsweise tansanische Beamte das vorgeschlagene WPA zwischen der EU und der Ostafrikanischen Gemeinschaft als „verzerrt und ausbeuterisch “ bezeichnet. Solche Ansichten werden von einer Reihe von afrikanischen Regierungen geteilt.
Auf einem G20-Treffen im Juni in Berlin forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Wiederaufnahme einiger regionaler WPAs, während ihr Entwicklungsminister Gerd Müller im darauffolgenden Monat für die zollfreie Einfuhr aller Importe aus Afrika plädierte.
ACFTA: Afrika stärkt seine Position
In der Zwischenzeit könnte durch den jüngsten Vorstoß afrikanischer Länder in Richtung einer kontinentalen Freihandelszone (African Continental Free Trade Area, ACFTA) auch die internationale Handelslandkarte neu gezeichnet werden.
Sollte die ACFTA Realität werden, hätten die afrikanischen Staats- und Regierungschefs in den Cotonou-Nachfolger-Verhandlungen und möglicherweise auch bei zukünftigen WPAs eine deutlich stärkere Verhandlungsposition.
49 von 54 afrikanischen Ländern haben das ACFTA-Abkommen bereits unterzeichnet, und Lopes zeigte sich zuversichtlich, dass alle weiteren Staaten (mit Ausnahme des isolationistischen Eritrea) bis Januar 2019 ACFTA beigetreten sein werden.
Eine Kooperation mit diesem zukünftigen Block sei auch im Interesse Europas, unterstrich Lopes: „Entgegen der gängigen Auffassung ist Afrika kein unbedeutender Partner, wenn es um den Handel mit Europa geht. Wir sind der drittgrößte Partner der EU, nach den Vereinigten Staaten und China. Und die Afrikanische Union hat nun erkannt, dass wir stärker sind, wenn wir mit einer einzigen, gemeinsamen Stimme verhandeln.“
Auch der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU und der bereits geäußerte Wunsch der britischen Regierung, eigene Handelspakte mit den Commonwealth-Ländern abzuschließen, erhöhen dabei die Aussichten auf eine weitere Fragmentierung der weltweiten Handelsbeziehungen.
Aktuell ist das Vereinigte Königreich noch nicht in der Lage, substantielle Handelsgespräche zu führen. Die Regierung von Premierministerin May hat allerdings bereits zugesagt, dass weiterhin zollfreier Zugang zum britischen Markt für Länder, die als am wenigsten entwickelt eingestuft werden, sowie ein einseitiges Handelspräferenzsystem angeboten werden. Gerade letzteres könnte die WPAs der EU untergraben.
Aufbegehrende afrikanische Staaten
Doch nicht nur gegenüber der EU scheinen die afrikanischen Länder selbstbewusster und durchsetzungsfähiger zu werden. Im Juli wurde Ruanda von den Vereinigten Staaten aus dem African Growth and Opportunity Act (AGOA) ausgeschlossen. Der Pakt war im Jahr 2000 (also im selben Jahr wie Cotonou) von Präsident George W. Bush unterzeichnet worden. AGOA, das für rund 7.000 Produkte einen zollfreien Zugang zum US-Markt bietet, ist somit seit fast zwei Jahrzehnten das Flaggschiff-Handelsgesetz der USA mit Afrika.
Im Jahr 2017 versuchten die sechs Staaten der Ostafrikanischen Gemeinschaft allerdings, Zölle auf importierte Secondhand-Bekleidung und -Schuhe zu erheben, da sie den Aufbau einheimischer Textilmärkte anstreben.
Eine Petition der US Secondary Materials and Recycled Textiles Association an den US-Handelsbeauftragten führte zu einem US-Ultimatum an die sechs Länder. Kenia, das der größte Handelspartner der Region mit den USA und der EU ist, war dann der erste Staat, der von den Zollplänen abwich.
Ruanda jedoch hat sich seitdem geweigert, die Zölle rückgängig zu machen und akzeptiert somit, dass es seine Kleidung nicht mehr in die Vereinigten Staaten exportieren darf.
Die ruandische Regierung geht davon aus, dass sie durch ein Ende der Bekleidungsimporte bis zu 25.000 Arbeitsplätze vor Ort schaffen kann.
Alvin Mosioma, Exekutivdirektor des Tax Justice Network Africa, erklärte gegenüber EURACTIV, Besteuerung sei zwar kein zentrales Thema des Post-Cotonou-Prozesses; doch jeder Versuch, das Recht der Länder auf die Verhängung von Zöllen einzuschränken, müsse abgewehrt werden.
„Die Einschränkung der Fähigkeit der Länder, bestimmte Zölle oder Steuern zur Förderung ihrer eigenen Produktion zu erheben, ist ein großes Problem,“ so Mosioma. Er wies darauf hin, dass die Importzölle auf dem gesamten Kontinent etwa elf Prozent der Staatseinnahmen ausmachen.
Die EU, USA, Großbritannien und China gegeneinander ausspielen
Mit Blick auf die konkurrierenden Angebote und Pläne der EU, der USA und des Vereinigten Königreichs – von Chinas massivem Investment in Subsahara-Afrika gar nicht erst zu sprechen – könnten die afrikanischen Staatschefs versuchen, die unterschiedlichen Partner gegeneinander auszuspielen.
Die EU warnt, wenig überraschend, vor solchen Taktiken.
„Ich denke nicht, dass es wirklich die beste Option für diese Staaten wäre, die USA, Europa und China gegeneinander auszuspielen,” so ein Kommissionsbeamter gegenüber EURACTIV.