This article is part of our special report Mit Volldampf in den Herbst? So geht’s in der EU nach der Sommerpause weiter.
In der Wirtschafts- und Finanzpolitik werden die Umsetzung des Recovery Fund der EU sowie das Thema Steuern die zweite Jahreshälfte dominieren.
Beide Themen stehen ganz oben auf der Agenda der deutschen Ratspräsidentschaft: Es werden schließlich neue Ressourcen benötigt, um das Konjunkturpaket im Kampf gegen die durch die Pandemie ausgelöste Krise zu finanzieren.
Wiederaufbau / Konjunktur
„Unsere vorrangige Aufgabe“ werde es sein, das Konjunkturpaket umzusetzen, kündigte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz in einem Brief an seine Kolleginnen und Kollegen in den EU-Staaten zu Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft an.
Weiter erklärte Scholz, man wolle sich in der zweiten Jahreshälfte auf die Verwirklichung einer „effektiven Mindeststeuer für multinationale Unternehmen“, die Vollendung der Bankenunion sowie der Kapitalmarktunion konzentrieren.
Im Hinblick auf das von den EU-Staats- und Regierungschefs im Juli vereinbarte 750 Milliarden Euro schwere Programm „Next Generation EU“ sowie den neuen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) in Höhe von einer Billion Euro müssen sich der Rat und das EU-Parlament bis Ende des Jahres auf die letzten Details einigen, damit das Geld ab dem 1. Januar dann auch wirklich zur Verfügung gestellt werden kann.
Diese Herkulesaufgabe erfordert technische Verhandlungen sowie in den meisten Punkten der MFR-Pläne sowohl grünes Licht der EU-Abgeordneten als auch der Mitgliedstaaten; darauf folgend interinstitutionelle Einigungen mit der Kommission; Entscheidungen zu den angedachten EU-Eigenmitteln; eine endgültige Einigung auf die „Next Generation EU“-Verordnung; und sektorspezifische Rechtsvorschriften zur tatsächlichen Umsetzung des MFR.
Interessant wird es auch beim Thema Eigenmittel, die wohl erforderlich sein werden, um die Fähigkeit der EU zu erhöhen, die 750 Milliarden Euro für das Coronavirus-Paket an den Märkten zu leihen. Der entsprechende Beschluss muss von allen Mitgliedstaaten durch ihre nationalen Parlamente ratifiziert werden.
Des Weiteren sollen die Mitgliedsstaaten so bald wie möglich Zugang zur „Recovery and Resilience Facility“, dem Hauptpfeiler der Strategie „Next Generation EU“ erhalten, indem sie nationale Investitions- und Reformpläne vorschlagen, um diese Mittel freizusetzen.
Die ersten Vorschläge dürften im Herbst als Teil der Vorlage der nationalen Haushaltsplanentwürfe für 2021 bei der Kommission in Brüssel eintreffen.
Ein weiteres großes Diskussionsthema im weiteren Verlauf des Jahres wird die Überprüfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts werden, einschließlich der Reaktivierung der seit Ende März ausgesetzten finanzpolitischen EU-Regeln.
Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni hatte schon im Juli die Bedeutung dieser Debatte über den Stabilitäts- und Wachstumspakt hervorgehoben. Die Ausgestaltung beziehungsweise Wiederherstellung des Pakts werde „wahrscheinlich die Wirtschaftspolitik der kommenden Jahre prägen“.
Steuern und EU-Eigenmittel
Insbesondere das Europäische Parlament setzt sich für die Schaffung neuer Eigenmittel zur Finanzierung des Recovery Fund ein.
Die ersten Initiativen, die voraussichtlich zum Abschluss gebracht werden, dürften eine Steuer auf Einwegkunststoffe oder auch eine Ausweitung des EU-Emissionshandelssystems sein. Zu weiteren neuen Abgaben sollen gegebenenfalls auch eine Digitalsteuer oder eine Finanztransaktionssteuer gehören. Dies wird als weitere Priorität der deutschen Ratspräsidentschaft gelistet.
Gleichzeitig will das Parlament auch die Maßnahmen der EU gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung, die Erosion der Steuerbasis sowie Gewinnverschiebungen innerhalb der EU verstärken. Der neue permanente Unterausschuss des Parlaments zu diesen Themen nimmt im September die Arbeit auf.
Die Kommission hat noch vor der Sommerpause die ersten Schritte unternommen, um das Steuersystem der EU zu stärken: Die EU-Exekutive legte am 15. Juli einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung und zur Vereinfachung der Steuersysteme vor.
„Eine faire und effiziente Besteuerung wird in den kommenden Monaten und Jahren sogar noch an Bedeutung gewinnen, wenn die EU und die Weltgemeinschaft versuchen, sich von den Folgen der COVID-19-Krise zu erholen,“ heißt es in dem Dokument. Das Paket sieht für die kommenden Monate und Jahre zahlreiche Vorschläge zur Mehrwertsteuer oder zur engeren Zusammenarbeit in Steuerfragen vor.
Im letzten Quartal des Jahres wird es außerdem einen nichtlegislativen Text zur Unternehmensbesteuerung geben.
Aus Deutschland hieß es bereits, man wolle diesen Dossiers Priorität einräumen. Gleichzeitig will Berlin neue Impulse für zwei Vorschläge geben, die in letzter Zeit kaum vorangekommen waren: die gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer und die Finanztransaktionssteuer.
Weitere Initiativen
Die Umsetzung des Recovery-Pakets und eine Überprüfung der Steuersysteme in Europa werden auch die Hauptthemen des informellen Ecofin-Treffens sein, das am 11. und 12. September in Berlin stattfindet. Das geht jedenfalls aus einem Entwurf der Tagesordnung vor, die EURACTIV.com einsehen konnte.
Die Finanzministerinnen und -minister wollen auch über die Auswirkungen digitaler Dienstleistungen auf die Finanzmärkte diskutieren. In diesem Kontext wird die Kommission im dritten Quartal einen Aktionsplan zu FinTech vorlegen, einschließlich einer Strategie für einen integrierten EU-Zahlungsmarkt.
Zusätzlich will die EU-Exekutive ihren lang erwarteten Vorschlag zur Regulierung sogenannter Kryptowährungen, wie beispielsweise Facebooks Libra, vorlegen.
[Bearbeitet von Benjamin Fox und Tim Steins]