Eine neue Strategie für die Kapitalmarktunion, Fintech, die Finanzstabilität, eine nachhaltige Wirtschaft und der Brexit sind die Prioritäten, die auf den oder die nächste EU-Finanzkommissarin zukommen, so ein Memo, das von Beamten der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurde und das EURACTIV.com einsehen konnte.
Die Dienststellen der Kommission arbeiten derzeit an der Fertigstellung der Stellungnahmen und Briefings für das kommende Kommissionskollegium, das voraussichtlich im November die Arbeit aufnehmen wird.
Der oder die nächste für Finanzdienstleistungen zuständige Kommissarin dürfte eine wichtige Rolle in der kommenden Kommission spielen – angesichts vieler noch offener Fragen, einschließlich der Vollendung der Bankenunion oder der Kapitalmarktunion, und der Gefahr einer neuen Rezession, die ein Finanzsystem treffen würde, das nach wie vor unter strukturellen Problemen wie Fragmentierung und geringer Rentabilität leidet.
Trotz der Herausforderungen für das nächste Fünfjahresmandat und der Schwierigkeiten, in einigen Bereichen wie dem Europäischen Einlagensicherungssystem (EDIS) voranzukommen, zeigt sich die Generaldirektion der EU-Kommission für Finanzstabilität und Kapitalmärkte (GD FISMA) in ihrem Memo bemüht, positive Ausblicke zu geben.
Wenn es um die Beschreibung der Prioritäten geht, empfiehlt das Dokument beispielsweise: „Nehmen Sie Bezug auf Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Chancen, um mehr Optimismus zu schaffen und einige der Herausforderungen in Chancen zu verwandeln.“
Der Finanzsektor setzt sich gerne für Richtlinien und Verhaltenskodexe ein, um die Regulierungsbehörden auf Distanz zu halten. Obwohl die Kommission die in Teilen wichtige Rolle der Selbstregulierung anerkennt, betont die Behörde, dass die Bemühungen um die Durchsetzung und Überwachung der Rechtsvorschriften verstärkt werden müssen, einschließlich der Bewertung der Umsetzung früherer Vorschriften und der Durchführung solcher Bewertungen.
Für die nächste Amtszeit gibt es daher fünf Prioritäten, die die GD FISMA für ihren nächsten politischen Vorstand festgelegt hat:
Ambition bei der Kapitalmarktunion: Das EDIS-System und die laufenden Arbeiten zur Schaffung eines gesicherten Euro-Währungsgebiets sind dabei wohl die wichtigsten Initiativen im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion. Besonders die Kapitalmarktunion (KMU) wird betont.
„Die neue Strategie [für die KMU] muss eine gezielte Reihe ehrgeiziger Maßnahmen kombinieren, um langfristige Auswirkungen zu erzielen,“ heißt es in dem Memo. Für „politisch empfindlichere“ Gesetzesinitiativen – wie den langjährigen Versuch, die nationalen Insolvenzverfahren zu harmonisieren – empfehlen die Kommissionsbeamten, „Empfehlungen“ anstelle von bindenden Regeln abzugeben, um das Risiko eines Scheiterns zu vermeiden.
In ihrer Maßnahmenliste zählt die Kommission auch steuerliche und aufsichtsrechtliche Anreize für institutionelle Anleger, die kleine und mittelgroße Unternehmen [KMU] unterstützen, auf. Außerdem wolle man bestimmte Vorzugsregelungen für bedeutende Unternehmen (mit einer Kapitalisierung von mehr als einer Milliarde Euro) in Betracht ziehen.
Darüber hinaus will die EU-Exekutive die Gewässer für die Einrichtung einer europäischen Anlegerschutzstelle testen, die nationale Aufsichtsmaßnahmen in Bezug auf die Vorschriften zum Schutz von Kleinanlegern koordinieren würde.
Tech, Tech, Tech: Die EU-Exekutive hat verschiedene Initiativen in Planung, wenn es um Fintech (technologiegetriebene Finanzdienstleistungen) geht. Dazu gehören ein möglicher Rechtsrahmen für Kryptoanlagen, um den Rechtsstatus dieser digitalen Anlagen, die Anforderungen an die Erstausgabe von Hartgeld oder Bedingungen für den Anlegerschutz zu regeln. In einem ersten Schritt will die Kommission eine „Konsultation“ einleiten und eine Folgenabschätzung erstellen.
Die Kommission wird auch neue Regeln zur Gewährleistung einer offenen Finanzierung prüfen, die nicht nur Zahlungs- und Bankdienstleistungen, sondern auch Spar- und Investmentkonten oder Versicherungsprodukte umfassen.
Außerdem fordert die Generaldirektion FISMA ein europäisches Cybersicherheitsgesetz für den Finanzsektor. Diese Initiative solle neue Rahmenbedingungen dort schaffen, wo es sie bisher nicht gibt, und die bestehenden Regelungen stärken. In diesem Fall wird die Kommission ebenfalls mit einer Konsultation und Folgenabschätzung beginnen und dabei die G7- und andere internationalen Normen in diesem Bereich berücksichtigen.
Finanzstabilität: Diese Priorität umfasst sowohl den Banken- als auch den Nichtbankensektor, wobei noch viele Vorbereitungsarbeiten zu leisten sind. Es gibt diverse Vorschläge, einschließlich Garantiesysteme sowie Maßnahmen und Lösungen für den Versicherungssektor.
Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft: Trotz der Bedeutung, die einer „grünen Finanzierung“ im Kampf gegen die globale Erwärmung beigemessen wird, ist die Prioritätenliste in diesem Bereich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch sehr begrenzt. Dazu gehört vor allem die Einrichtung eines „internationalen Netzwerks für nachhaltige Finanzierungen“, um die internationale Zusammenarbeit zu stärken und einen kohärenten Ansatz für die private Finanzierung von „grünen“ Projekten zu fördern.
Brexit: Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU wird neue Herausforderungen für den europäischen Finanzsektor mit sich bringen. Die Beamten der Kommission empfehlen, „das richtige Gleichgewicht“ zwischen Finanzdienstleistungen aus der EU und von Drittländern zu prüfen. Dazu gehört auch die Überwachung der Anerkennung von Finanzrahmen außerhalb der EU (Äquivalenzbeschlüsse).
Die EU-Exekutive will außerdem die Autonomie der Finanzinfrastruktur der EU und der wichtigsten europäischen Finanzakteure bewerten.